Nord-Ostsee-Kanal

Langsam öffnet sich die Schleuse in den Nord-Ostsee-Kanal wie das Tor, das im Märchen die Figuren ins Abenteuer führt. Und auf eine gewisse Art ist es auch so: Denn mit diesem Tor ist für uns die Pier, an der wir uns von unseren Familien verabschiedet haben, vollständig außer Sichtweite und die Reise scheint nun endlich zu beginnen.

Bereits um 7 Uhr stehen alle an diesem Morgen nach dem „Signal K“ an Deck. Das Signal (lang-kurz-lang) kündigt ein sogenanntes „all hands on deck“ – Manöver an; alle müssen also an Deck mithelfen. Besonders viel gibt es, da wir vor allem den Motor zur Fortbewegung nutzen, jedoch für uns noch nicht zu tun. Einsatzbereit müssen wir aber alle bleiben und so gibt es fürs erste noch kein großes Frühstück, sondern Tee und Zwieback.

Ganz unerwartet ertönt auf einmal der Generalalarm (siebenmal kurz, einmal lang), der Notfälle ankündigt. Und tatsächlich steigt ein kleines bisschen Rauch aus dem Maschinenraum hervor. Doch wenig später klärt sich die scheinbare Gefahrensituation auch schon wieder auf: die neue Isolierung hat sich zu stark erhitzt, zu qualmen begonnen und den Feueralarm ausgelöst. Deshalb entsteht schnell wieder die entspannte Stimmung an Deck und es bleibt Zeit für Fotografie, Unterhaltungen, eine kleine Massageeinheit sowie die Beobachtung des Geschehens und Sonnenaufgangs.

Langweilig ist der Tag trotzdem nicht, im Gegenteil: Uns beschäftigen Aufgaben wie die Fahrwache mit Steuern und Ausguck, das Reffen der Segel (das Verkleinern der Segelfläche zum sicheren Segeln auf der Nordsee), erstmals Reinschiff (das Putzen des Schiffs) für viele von uns. Die gesamte Zeit ist auf der Thor etwas los und auch neben den notwendigen Aufgaben gibt es viel zu erleben. Zum Beispiel beginnt nun langsam der erste Süßigkeiten-Handel an der Thor: natürlich mehr aus Spaß werden für die Adoption eines Gepäckstücks in der eigenen Kammer Kekse als Entschädigung verlangt.

Im leichten Nebel und Nieselregen fahren wir also mit guter Stimmung durch den Nord-Ostsee-Kanal. Viele neugierige Beobachter*innen winken uns vom grünbewachsenen Land zu. Erst jetzt wird uns noch einmal so richtig klar, was für ein besonderes und einzigartiges Abenteuer wir nun beginnen. Am Abend erreichen wir Brunsbüttel kurz vor der Schleuse, die das Ende des Kanals und die Einfahrt in die Nordsee markiert. Nach einem etwas kniffligen Anlegemanöver erfahren wir, dass es nicht unmittelbar in die Nordsee gehen kann: weder der Wind noch unsere Generatoren spielen wie gewollt mit, sodass wir nun mindestens zwei Tage Zeit haben, um uns mit den Segeln und der Thor besser vertraut zu machen. Natürlich ist es schade, dass wir uns noch gedulden müssen, aber eine ausgiebige Vorbereitung lohnt sich. Nicht ganz umsonst wird die Nordsee auch Mordsee genannt… Gut vorbereitet können wir dann hoffentlich bald das zweite Tor, das Tor in die Welt durchqueren.

KUS-Ticker

Montag, 09.10.2023

Mittagsposition: 54°17,7‘N; 009°41,9‘E
Etmal: 80 km
Wetter: Lufttemperatur: 14°C, Wassertemperatur 17°C, Wind SSE 2

  • 07:00 Uhr: Signal K
  • 08:00 Uhr: Generalalarm
  • 12:00 Uhr: Signal K