Ein traditioneller Sonntagsbraten
Datum: 11.03.2025
Mittagsposition: 38°29,3’N; 028°46,9‘W
Etmal: 134 sm
Lufttemperatur: 21,1 °C, Wassertemperatur: 26 °C, Windrichtung und Stärke: ENE 1
Wir schreiben Montag, den 23.12.2024, der Weihnachtsstress ist zu spüren und die Vorbereitungen für den Weihnachtsabend sind in vollem Gange. Wir möchten einen möglichst schönen Abend haben und neben vielen kulturellen Beiträgen steht auch ein angemessenes Abendessen auf dem Programm.
Zur Feier des Tages gab es ein Drei-Gänge-Menü: Melone mit rohem Schinken als Vorspeise, ein Rinderschmorbraten als Hauptgang und ein Himbeer-Tiramisu als süßen Abschluss. Die Backschaft wurde in verschiedene Aufgabenfelder verteilt und ich war zusammen mit Flora und Helena in der Bratenbackschaft. Ich würde sagen, das war eine der lustigsten, aber anspruchsvollsten und stressigsten Backschaften, die ich je hatte. Keiner von uns dreien hat je einen Braten für so viele Menschen gemacht.
Heute, 76 Tage später, letzter Abend auf See vor dem Einlaufen in Europa: Rahel, unsere liebe Proviantmeisterin, hat Helena und mich gefragt, ob wir nicht als Abschluss der wunderschönen Etappe und als Festessen vor den Azoren einen Braten zaubern wollen. Zufällig hatten wir beide am Montag Backschaft und wir nahmen die Herausforderung an, uns nochmal an einen Braten zu wagen. Diesmal sollte es ein Schweinebraten werden. So ein Festessen braucht viel Koordination und eine gute Absprache, damit auch die Beilagen und das vegetarische Essen pünktlich auf die Tische kommen. Der Tag war ein Auf und Ab der Gefühle, aber fangen wir mal von vorne an.
Zum Frühstück gab es einen leckeren Obstsalat ohne Papaya, welche uns mittlerweile schon zu den Ohren rauskommt. In der Früh haben wir gleich Wurst und Käse geschnitten, damit die auch gleich fürs Mittagessen fertig sind. Da es den Braten beziehungsweise die warme Mahlzeit ausnahmsweise zum Abendessen gab, war für das Mittagessen wenig vorzubereiten. In der Karibik gab es immer abends warmes Essen, weil es zum Mittag in der Hitze deutlich zu warm war, aber seit Kuba wurde die warme Mahlzeit wieder auf mittags verschoben.
Um 07:15 Uhr waren die Vorbereitungen fürs Mittagessen fertig und wir konnten uns den Beilagen fürs Abendessen widmen. So faul, wie wir sind, haben wir die Kartoffeln gestern Abend an die Fahrwachen gegeben, damit sie in der Nacht unsere Kartoffeln schälen. Also war das Nervigste schonmal erledigt und wir konnten die Kartoffeln direkt kochen. Neben Bratkartoffeln mussten wir auch noch das selbstgemachte Blaukraut vorbereiten. Nach dem Schneiden von neun Köpfen Kohl waren meine Hände komplett blau gefärbt und wir konnten den vollgefüllten Topf zum Einkochen auf den Herd stellen. Nach dem Mittagessen durften wir leider nicht direkt wieder zurück in die Kombüse, denn der Englischtest, unser letzter Test der Reise, wartete noch auf uns. Nachdem wir diesen erfolgreich absolviert hatten, gings ans Eingemachte – der Braten musste rein! Gestern Abend haben wir ihn noch in eine Wein-Öl Marinade eingelegt und mit Gewürzen verfeinert. Bevor er in den Ofen kam, wurde er im Bräter noch von allen Seiten einmal kurz angebraten. Dann hieß es nur noch Abwarten und Tee trinken. Der Weihnachtsbraten war deutlich zu früh fertig, deswegen haben wir dieses Mal mit weniger Temperatur angefangen. Jede halbe Stunde hieß es: Ofen auf, Braten raus, Kerntemperatur messen, Marinade/Sud nachgießen und schnell wieder zu. Auch die Beilagen haben so langsam ihren Lauf genommen. Die gekochten und mittlerweile geschnittenen Kartoffeln wurden im Bräter angebraten und das Blaukraut war soweit fertig. Wir haben noch eine Portion gerösteten Rosenkohl vorbereitet und dann hieß es wieder warten und hoffen, dass der Braten fertig wird. Da die Kerntemperatur zeitlich gesehen nicht so gut aussah, haben wir den Ofen gleich mal höher gedreht.
In unserer Pause hielt Nora ihr Referat über die Geschichte des Walfangs auf den Azoren und danach hat Fabi noch den Mathetest rausgegeben. Jetzt hieß es ranhalten, denn nach über einer Stunde Stillstand in der Kombüse hatten wir theoretisch noch 35 Minuten, bis das Essen auf dem Tisch stehen sollte. Nach Absprache mit Jakob wurde das Abendessen eine halbe Stunde nach hinten verschoben, damit wir es zeitlich schaffen können. Wir haben die Hitze nochmal aufgedreht und gehofft, dass der Braten gar wird. In der Zwischenzeit wurden Ofenkäse und Gemüseschnitzel für die Vegetarier ofenbereit gemacht. Um Punkt achtzehn Uhr kam der Braten aus dem Ofen raus und die vegetarischen Produkte rein. Jetzt galt es, den Braten in Alufolie warmzuhalten, die Bratensoße zu pürieren, abzuschmecken und unten in der Messe alles vorzubereiten. Während mit der Klingel rumgegangen und fürs Essen geläutet wurde, waren wir oben noch im Zeitstress, haben die Gemüseschnitzel aus dem Ofen genommen und den Braten angeschnitten. Die Spannung war groß, ob er gar ist, aber nachdem wir das erste Stück durchgeschnitten hatten, war die Erleichterung groß: Ein perfekter, saftiger Braten wartete auf uns.
Plötzlich lag Cosi auf dem Kombüsenboden, konnte sich nicht mehr fassen und sagte, dass wir mal in den Ofen schauen sollen. Der ganze Grillkäse war zu einer sehr flüssigen Masse geschmolzen. Der Käse wurde dann rausgestellt und gekühlt, in der Hoffnung, dass er wieder fest wird. Unten waren alle sehr hungrig und voller Vorfreude auf ein sehr leckeres Abendessen. Unser Werk wurde an die Tische rausgegeben und wir haben uns sehr über die unzähligen Komplimente für das leckere Essen gefreut. Die Erleichterung war groß, dass alle fröhlich mit dem Endergebnis waren und unsere Mühen eine gute Stimmung hervorgerufen haben.
Am Abend stand noch Signal K an, weil etliche Segel vor dem aufziehenden Tief und dem Einlaufen am Dienstag hafenfein gepackt werden mussten. Wir in der Backschaft haben unsere Portion ganz in Ruhe allein in der Messe gegessen, während an Deck bereits wieder Vorbereitungen mit den Segeln fürs Einlaufen in vollem Gange waren. Auch wir waren mit unserem Ergebnis sehr zufrieden und haben versucht, alle Reste so weit wie möglich aufzuessen, aber das ging leider nicht vollständig. Wir waren am Ende pappsatt und konnten gar nichts mehr essen. Mit einer kontrollierten und zügigen Aufräum- und Spülaktion waren wir überraschend früh fertig. Um 21:40 Uhr ging das Licht nach der Kombüsenabnahme aus. Dieser Backschaftstag war einer der schönsten, die ich je hatte. Am Vormittag waren wir ziemlich gut im Zeitplan, hatten keinen Stress und erst durch den Verzug wegen des Englisch-Tests und des Referats wurde es hintenraus etwas sportlich – aber nicht zu vergleichen mit dem Stress am Weihnachtsabend, an dem wir unsere ganzen Erfahrungen erst sammeln und neue Tricks lernen mussten. Wir waren sehr froh, dass alles so reibungslos geklappt hat und sind nach einer Duscheinheit müde ins Bett gefallen. Morgen geht es früh raus: Um 05:00 Uhr ist allgemeines Wecken für das Anlegemanöver auf den Azoren. Es ist beeindruckend, wie die Zeit verflogen ist: Jetzt haben wir schon wieder europäischen Boden unter den Füßen und ereignisreiche zwei Wochen stehen uns auf den Azoren bevor.
KUS-Ticker:
Montag, 10.03.2025
- 13:15 Uhr: Englischtest
- 17:00 Uhr: Referat Nora: Geschichte des Walfangs
- 17:45 Uhr: Ausgabe Mathetest
Dienstag, 11.03.2025
- 05:30 Uhr: Signal K
- 17:45 Uhr: Fest im Hafen von Horta