Ein Zigarette rauchender Lotse
Datum: 14.10.2025
Mittagsposition: 53°50,1‘N; 006°24,5‘E
Etmal: 65,9 sm
Wetter: Lufttemperatur: 15 °C, Wassertemperatur: 14 °C, Windrichtung und Stärke: N 4
Nach unserer zweiten Nacht auf der Thor haben wir uns alle so langsam eingelebt. Doch mit Ausschlafen wird es heute wieder nichts. Um 5:30 Uhr werden alle geweckt, weil wir um 6:00 Uhr an Deck erscheinen müssen, zu einem sogenannten „Signal K“. Hierbei wird ein kurzes Signal durchs Schiff geschaltet, das dem Morsezeichen K (kurz-lang-kurz) entspricht.
Pünktlich zur vollen Stunde steht die komplette Besatzung in ihren Wachen sortiert und alle schön warm eingepackt auf dem Hauptdeck und wird von unserem Kapitän Detlef ihren Aufgaben zugewiesen. Wenn alle Hände an Deck sind, um zu helfen, wird das Schiff für gewöhnlich in vier Teile aufgeteilt.
Wache 1 kümmert sich um alle Vorsegel, die Vorleinen und auch um den Anker,
Wache 2 um das Rescue-Boot und das Schonersegel,
Wache 3 ist ebenfalls für das Rescue-Boot und das Großsegel zuständig.
Wache 4 stellt den Rudergänger, den Ausguck und setzt das Besansegel.
Da es sich um viele Aufgaben handelt, wird alles Schritt für Schritt erledigt.
Und dann, ehe man sich versieht, hieven wir den Anker, um rechtzeitig in den Nordostseekanal zu kommen. Jedoch zieht uns das Wetter einen Strich durch die Rechnung. Es ist ein dichter Nebel im Nordostseekanal aufgezogen. Eine halbe Stunde später sind wir deswegen damit beschäftigt, den gerade sorgfältig abgespritzten und geputzten Anker wieder fallen zu lassen. Aber unser Kapitän hat zum Glück einen Plan B. Wenig später kommt ein kleines Motorboot zu unserer Thor gefahren und Momente später sitzt ein Zigarette rauchender Lotse auf dem Achterdeck, um uns sicher durch den Kanal zu bringen.
In den darauffolgenden Stunden bietet sich für einige von uns die Chance, zum ersten Mal Ruder zu gehen und auch die ersten Sicherheits- und Maschinenronden werden selbstständig von den jeweiligen Wachen durchgeführt. Die Zeit verfliegt. Wache 4 wird von Wache 1 abgelöst und schwuppdiwupp sind wir auch schon in der zweiten Schleuse. Dort werden nochmal „all hands on deck“ gebraucht, aber danach heißt es für fast alle: Bettruhe. Nur Wache 1 darf bzw. muss noch weiter das Schiff durch die Elbe manövrieren und kann den halbwegs wolkenlosen Himmel mit erstaunlich vielen Sternen betrachten. Gegen 12 Uhr am Dienstag verlassen wir die Elbe und sehen zum ersten Mal das offene Meer: Die Nordsee. Doch unsere Vorfreude und unser Wagemut wird sehr schnell von einem ungewohnten Gefühl gedämpft: die gefürchtete Seekrankheit. Die einen trifft es schlimmer als die anderen, aber ein Großteil der gesamten Crew hängt bald schon über der Reling und fällt der erbarmungslosen „Mordsee“ zum Opfer. Bereits in der Nacht muss sich der ein oder andere übergeben und spätestens am nächsten Morgen sind die meisten bereits einmal die Fische füttern gegangen. Doch zum Glück der Seekranken gibt es auch ein paar wackere Gestalten, die Zwieback, Tee, Tüten und Liebe verteilen. Und natürlich das Wichtigste: Sie fahren das Schiff. Hierbei kann der Ausguck zwar bei Bedarf einen „taktischen Zwischenkotzer“ machen und auch das Ruder gehen hilft bei manchen gegen die Seekrankheit, doch die Sicherheitsronden unter Deck stellen für die meisten KUSis eine echte Herausforderung dar. Auch die Maschinenronden werden bald schon zu einem gefürchteten Gegner.
Jedoch ist um 2 Uhr nachts doch noch ein kleines Wunder zu beobachten: Das letzte Crewmitglied von Wache 1 hängt nach der Wachübergabe noch über der Reling und man hört eine leise Stimme rufen: „Guckt alle mal ins Wasser!“ Und tatsächlich haben wir zu dieser späten Stunde das Glück, unser erstes Meeresleuchten bestaunen zu können. Überall am Rumpf der Thor Heyerdahl leuchten kleine türkise Punkte auf und bei jeder Welle werden die kleinen Algenteilchen aufs Deck gespült und verglimmen daraufhin langsam.
KUS-Ticker
Montag, 13.10.2025
- 06:00 Uhr: Signal „K“
- 12:00 Uhr: Signal „K“
- 18:00 Uhr: Elbe abwärts