Feuer in der E-Last

Datum: 22.10.2025
Mittagsposition: 48°20,2‘N; 004°31,6’E
Etmal: 3 sm
Wetter: Lufttemperatur: 16 °C, Wassertemperatur: 16 °C, Windrichtung und Stärke: WSW 1

„Signal-K, raus aus der Koje!“ Ich reiße die Augen auf, falle mehr oder weniger aus der Koje, ziehe mir mein Ölzeug an und stürme aufs Hauptdeck. Müde Gesichter umgeben mich. Detlef gibt Anweisungen und wir machen uns bereit, den Hafen zu verlassen. Es ist noch dunkel, mir ist kalt, doch ich freue mich schon wieder auf den weiten Horizont und darauf, endlich „Kurs Süd“ aufzunehmen. Ich schaue an die Pier. Unsere beiden Jogger, Lenya und Johannes, kommen, beladen mit großen Tüten vom Bäcker, als letzte vor dem Auslaufen an Bord. Ich freue mich schon auf die leckeren französischen Baguettes, die es gleich zum Frühstück geben wird. Jetzt sind wir endlich am Ankerplatz angekommen und das Reinschiff ist schon erledigt. Ich bin ein wenig erschöpft, ein wenig müde. Endlich klingelt es zum Essen. Die Tische sind schön gedeckt und die Messe füllt sich langsam. Nach der stillen Minute, die wir vor dem Essen machen, geht es los. Ich esse leckeres französisches Gebäck und bekomme Pfefferminztee serviert. Mir wird wärmer. Ich spüre wieder Energie durch meine Adern fließen. Die Laune steigt.

„Alle Uhren müssen eine Stunde zurückgestellt werden“, diese Ansage kommt pünktlich um neun Uhr. Na ja, jetzt ist es wieder acht. Beeindruckend, dass wir jetzt schon die erste Zeitverschiebung durchführen. Wie viele Zeitzonen durchqueren wir eigentlich insgesamt? Wie groß ist die Zeitdifferenz in der Karibik eigentlich zu Deutschland? Ist es dann bei mir noch Abend, während meine Familie schon wieder frühstückt? Nochmal realisiere ich, wie lange diese Reise noch gehen wird und wie weit wir auch in dieser kurzen Zeit schon gekommen sind. Ich stelle meinen Teller in den grauen Kasten, damit die Backschaft ihn saubermachen kann, gehe noch kurz an Deck, um Sonne zu tanken und ab geht’s wieder in die Messe, denn das Referat von Felix wartet.

„GPS steht für ‚Global Positioning System‘ und wurde in…“, ich schaue mich um: 30 Augen auf den Referenten gerichtet, alle hören sie wissbegierig zu. Ich bin fasziniert: so viele Informationen, so viele Darstellungen. Das zweite sehr gelungene Referat dieser Reise. Mir dreht sich ein wenig der Magen, wenn ich an den Moment denke, an dem ich vor allen anderen stehen werde. Werde ich meinen Text vergessen? Werde ich die Fragen genauso gut beantworten können? Vielleicht stottere ich ja… Na ja, zum Glück habe ich noch etwas Zeit, bis es so weit ist. Erstmal konzentriere ich mich auf den Moment.

Die erste Chemiestunde beginnt und ich bin fast verwirrt, wieder Unterricht zu haben. Ich denke wieder an den Unterricht zuhause, an meine Freunde dort. Unbegreiflich, dass meine Mitschüler daheim weiter Tag für Tag den normalen Schulalltag genießen, während ich auf einem Segelschiff an der Küste Frankreichs sitzen kann und hier die gleichen Chemieaufgaben mache. Ich begreife immer noch nicht so ganz, dass ich nun tatsächlich hier und wirklich dabei bin. Dabei – beim KUS-Projekt, das so lange nur Zukunftsmusik in meinem Kopf, ein einziger großer Gedanke, ein einziger großer Traum war.

Ich esse Mittag und gehe direkt mit nach oben in die Kombüse. Die Nachmittagsbackschaft steht an: Kochen und Abwasch für 50 Personen. Ich stelle mich auf einen langen Tag ein, und lasse meinen Gedanken freien Lauf. „Feuer in der E-Last!“, ein lauter Ruf von unter Deck. Ausnahmsweise bin ich ganz entspannt. Kurz zuvor haben wir abgesprochen, wie wir uns im Falle eines Feuers verhalten würden und haben uns in verschiedene Rettungstrupps eingetragen. Noch in der Schürze taumele ich aufs Hauptdeck, wo ich direkt in meine Wache laufe. „Elias fehlt!“, unser Wachführer gibt dies an den Kapitän weiter und wir machen uns bereit, ihn zu retten. Ich gehe auf meine Position. Im Sanitäter-Trupp bin ich dafür zuständig, unserem Bordarzt bei der Behandlung im Ernstfall zu helfen. Elias wird mit einer Schlaufe über den Niedergang nach oben transportiert. Er ist kerngesund, es ist ja nur eine Übung.

Endlich liege ich wieder in meiner Koje. Mir ist warm, es ist gemütlich. Was für ein langer Tag. Wie viel habe ich gelernt! Wie viele Erlebnisse! Wie viele Gedanken! Ich hoffe, ich kann das alles irgendwie verarbeiten. Wird morgen auch wieder so viel los sein? Ich denke noch ein wenig nach. Über all die Gefühle, über all das, was bisher geschehen ist, all das, was noch kommen wird. Meine Gedanken schweifen ab… Mir fallen die Augen zu.

KUS-Ticker

Mittwoch, 23.10.2025

  • 07:30 Uhr: Signal-K
  • 09:00 Uhr: Zeitumstellung auf 8 Uhr
  • 09:00 Uhr: Referat von Felix über GPS
  • 10:15 Uhr: erste Chemiestunde
  • 16:00 Uhr: Feuerübung