Unterwegs auf Pico mit Expigruppe 1
Zu dreizehnt sitzen wir auf Isomatten auf dem Boden der Fährstation, in unserer Mitte eine große Tüte Nüsse, die immer wieder herumgegeben wird und warten auf die Fähre, die uns zurück nach Horta, zurück zur Thor bringen wird. Seit drei Tagen sind wir hier auf der Insel Pico unterwegs und haben sämtlichen Proviant aufgegessen, den wir dabeihatten. Nur noch die Nüsse sind übriggeblieben und werden gemeinsam gegessen, während wir das Feedback über die letzten Tage machen, dass sich am Ende in ein Gespräch und gemeinsames Erinnern an unsere Lieblingsmomente der Expi verwandelt, das noch ewig so weitergehen könnte. Unglaublich, wie viel man in so kurzer Zeit alles erleben kann!
Als wir vor drei Tagen aus der Fähre nach Madalena auf Pico ausgestiegen sind, hatten wir nur einen groben Plan, wo es hingehen sollte und dreizehn schwer bepackte Rucksäcke mit Proviant, Zelten, Gaskochern und vor allem warmen Klamotten für die nächsten Tage dabei. Wir liefen einfach los, den Berg hinauf und schneller, als wir angenommen hatten, fielen die Häuser hinter uns zurück und Kuhweiden erstreckten sich rechts und links von uns. Ziemlich bald waren wir uns einig, dass der „normale“ Weg über die Landstraße doch langweilig sei. „Nein, das war keine Abkürzung … Aber es war witzig!“ – Nach dieser Devise stapften wir über die eine oder andere Weide, hinein in dichten Nebel, der mit dem Abend in dichten Schwaden hinaufzog. Mit uns unterwegs: Eine weiße Wäscheklammer, die möglichst unbemerkt am Rucksack oder der Jacke einer anderen Person befestigt werden sollte und so von Person zu Person mit uns mitwanderte, bis derjenige, der sie am Ende des Tages am Körper hatte, einen kulturellen Beitrag zum Abend beisteuern musste. In der ersten Nacht schlugen wir unser Lager in einer Kiesgrube auf, die mit dem Nebel und den aufragenden Bäumen um uns herum wie ein gigantischer Hexenkessel aussah, uns aber sehr gut von dem Wind abschirmte. So kochten die einen Nudeln, während die anderen die Zelte aufbauten und der Ort sofort viel heimeliger wirkte.
Am nächsten Morgen brachen wir früh auf, sodass wir bereits um kurz nach 9:00 Uhr an unserem ersten Ziel ankamen: Der längsten Lavahöhle Portugals, die mehr als 4 km tief in den Fels hineingeht und sich dabei mehrfach in Nebenarme verzweigt. Die Männer hinter der Rezeption waren sehr überrascht, als kurz nach der Öffnung auf einmal elf Jugendliche und zwei Erwachsene mit riesigen Rucksäcken in der Eingangshalle standen, aber zum Glück hatten sie noch einen Slot für eine Führung für uns frei. In der Höhle war es trotz unserer Taschenlampen stockdunkel und nachdem uns unser Guide erzählte, dass es hier fast kein Echo gibt und sich diese Höhle deswegen sehr gut für Konzerte eignet, beschlossen wir, selbst ein kleines Konzert zu geben. Alle schalteten ihre Taschenlampen aus und in der stockdunklen Höhle begannen wir einen Shanty zu singen, wie wir es auch oft auf der Thor tun und den wir mittlerweile alle auswendig kennen. Dort standen wir völliger Finsternis man hörte nur unsere Stimmen und die Wassertropfen, die auf dem Steinboden aufschlugen und obwohl wir uns gegenseitig nicht gesehen haben, wussten wir trotzdem, dass wir alle da sind. Ein besonderer Moment in unserer Gruppe, den vermutlich auch unser Guide nicht so schnell vergessen wird. Eine Gruppe KUSis auf Tour ist eben etwas Besonderes! Draußen erwartete uns dann Nebel, Nebel und noch mehr Nebel und nach einer kleinen Mittagspause begann es auch noch zu regnen und der Wind blies uns um die Ohren. Wir befanden uns in 1000 Metern Höhe inmitten der Wolkenschicht und konnten außer den Wiesen und Felsen links und rechts von uns und den nächsten fünf Metern der Straße nicht viel erkennen. Erst liefen wir nur schweigend nebeneinander her, doch nach einer Weile holte Ronja ihre Musikbox heraus und mit neuer Motivation machten wir uns auf die Suche nach einem Schlafplatz, was sich als nicht so einfach herausstellte, da auf fast jeder Weide, auf der man möglicherweise Zelten könnte, Kühe grasten, oder der Untergrund so steinig war, dass man dort niemals ein Zelt hätte aufstellen können. Letztendlich fanden wir doch noch eine freie Weide, wo wir, geschützt von ein paar Felsen, unser Lager aufschlugen und nach dem gemeinsamen Essen sehr schnell in den Zelten verschwanden.
Die Geräuschkulisse des nächsten Morgens hätte man aufnehmen müssen. Aus jedem Zelt hörte man ähnliche Ausrufe von denjenigen, die ihre Klamotten und Schuhe im Außenzelt stehen lassen hatten und diese nun komplett durchnässt vorfanden. „Neiiiiiin, meine Schuhe sind nass!“ „Das ist nur klamm!“ „Mir ist so kalt!“ „Wie kann es sein, dass wir die ganze Nacht im Zelt geschlafen haben und es hier trotzdem so kalt ist?!“ „Ich will nicht aus meinem Schlafsack rausgehen!“ „Was ein strahlend grauer Himmel!“ Und Urs begann ein Lied über den Sommer zu singen. Als wir dann alle nach und nach aus den Zelten gekrabbelt kamen, wurden erst einmal Jacken, Handschuhe und Mützen untereinander verliehen, kaum einer hatte danach nur noch seine eigenen Klamotten an, dafür war uns allen nicht mehr ganz so kalt. Als dann auf einmal ein winziges Fleckchen blauer Himmel erschien, begannen wir alle zu jubeln und nach und nach zogen sich die Wolken tatsächlich zurück und die Sonne, die dann hervorlugte und uns zu wärmen begann, versetzte uns schnell wieder in Hochstimmung. Noch nie habe ich mich so über Sonnenschein gefreut, wie an diesem Morgen und ich glaube, der ganzen Gruppe ging es ähnlich. Der Nebel zog sich zurück und zum ersten Mal konnten wir richtig das Meer und hinter uns den Pico sehen, dazu die unzähligen grünen Felder mit süßen Steinmauern. Den ganzen Tag über schien die Sonne und wir kamen auf der Landstraße schnell voran, bis wir abends über einen kleinen Wanderweg in einen moosbewachsenen Wald kamen, der mit seinen verschlungenen Ästen und dem satten Grün der Blätter und Farne am Wegesrand richtig mystisch aussah. Dort ging es in einem alten Lavaflussbett bergab und das für eine sehr lange Zeit. Obwohl wir manchmal glaubten, die Straße zu hören, ging es doch immer weiter und der Märchenwald schien kein Ende zu nehmen. Es wurde schon fast dunkel, als wir aus dem Wald herauskamen und wir mussten uns mit der Schlafplatzsuche beeilen. Mika fand aber sehr schnell eine runde Weide, bei der wir auch unsere Wäscheleine aufhängen konnten, die sich viel zu schnell mit Zelten, Jacken, Pullis und sogar Unterwäsche füllte. Die Nacht war zum ersten Mal sternenklar und nach dem Essen grillten wir über unseren Gaskochern Marshmallows in einer gemütlichen kleinen Runde und dachten darüber nach, was die anderen Gruppen wohl gerade machten. Es war seltsam, nicht zu wissen, wie es den anderen KUSis geht, auf der ganzen Reise waren wir bis jetzt immer in unserer Gruppe zusammen gewesen, alle gemeinsam aufgewacht und schlafen gegangen. Und auf einmal hatten wir keine Ahnung, wo die anderen gerade sind und was sie auf ihrer Expi erlebt haben.
Am letzten Tag fuhr uns die Fähre zurück nach Horta leider direkt vor der Nase davon, deswegen setzten wir uns in der Fährstation auf den Boden und aßen unsere Nüsse und redeten, lachten und machten schlechte Witze, die irgendwie dann doch wieder lustig waren. Mir wurde mal wieder bewusst, wie viel man in so wenigen Tagen erleben kann, wie viele gemeinsame Insider und Erinnerungen wir jetzt schon haben, über die wir lachen können und wie gerne ich all diese Leute habe. Und bald geht es dann mit der Fähre zurück zur Thor, wo wir die anderen Gruppen wiedersehen werden. Ich bin schon sehr gespannt, was die so zu erzählen haben!