Havanna – eine Stadt voller Widersprüche
Datum: 09.02.2025
Wir fuhren an verfallenden Häusern vorbei und Personen mit Tüten, in denen sich ihre Ration Lebensmitteln befindet, und der Bus schaukelte bei jedem Schlagloch, durch das er fuhr, aufs Neue. Beim Herumlaufen auf den Straßen Havannas hatten wir am Tage zuvor eine ähnliche Situation entdeckt: Aufgrund des Fehlens einer effektiven Müllabfuhr stapeln sich teils meterhohe Müllberge auf den schlaglochdurchsetzten Straßen – selbst in Havanna Vieja, der Altstadt, und zugleich dem touristischsten Viertel der Stadt.
Nachdem der Bus gehalten hatte, betraten wir das Fidel-Castro-Museum. Die interaktiven Bildschirme und schneeweißen Decken standen in gewisser Weise in starkem Kontrast zu dem, was wir einige Minuten zuvor gesehen hatten. Viele fragten sich, ob das hierfür verwendete Geld nicht in vollere Tüten mit Essen hätte investiert werden können. Doch nicht nur in dieser Hinsicht brachte uns das Museum zum Nachdenken: Zuvor hatten wir auch viele Bilder, Kunstwerke, bemalte Wände und Plakate gesehen, auf denen die Revolution, Personen, die diese repräsentieren und die kubanische Flagge abgebildet waren. (Umso weniger Werbung sahen wir – vermutlich aufgrund einer fehlenden Konsumgesellschaft.) In der Ausstellung wurde uns dann aber klar, dass Fidel für die Menschen hier ein wirklich großer Held sein muss und seine Ideen in Kuba sehr angesehen sind. Das zeigte sich auch in der bemerkenswert einseitigen Berichterstattung des „Museums“. (Der Tourguide betonte mehrmals, dass diese Institution kein Museum sei, sondern man es sich nur zur Aufgabe gemacht habe, das Leben und Wirken Castros zu erforschen und zu dokumentieren. Die Ausstellung sei nur die Präsentation einiger Ergebnisse.) Ähnliches beobachteten wir auch, als wir mit einer Dame im Völkerverständigungsinstitut sprechen konnten. Auch hier hörten wir ausschließlich Positives über Kuba.
Gleichzeitig wurde uns in Havanna auch anhand der Zustände noch einmal klarer, warum viele Menschen das Land verlassen wollen. Selbst hier in der Großstadt ist die Bevölkerung stark vom Handelsembargo der USA betroffen. Dieses und der Fakt, dass Kuba von Trump wieder auf die Liste der Terrorstaaten der Vereinigten Staaten gesetzt wurde und mögliche Handelspartner Kubas deshalb entsprechend sanktioniert werden, trägt dazu bei, dass Kuba nur geringe Warenmengen (zum Großteil Rum und Zigarren) exportieren kann. Da es dadurch auf dem Weltmarkt nicht so viel Kapital generieren kann, wird auch nur wenig importiert. Dadurch fehlen moderne Produktionsmittel, die den Export wiederum steigern würden. Somit steht Kuba weniger Geld zu Verfügung, das sonst in eine Verbesserung der Lebensverhältnisse und z.B. den Aufbau von fehlender Infrastruktur, wie etwa öffentliche Verkehrsmittel, hätte gesteckt werden können. Infolgedessen möchten viele Einwohner/-innen in andere Länder ziehen, wie wir in Gesprächen herausfanden. Gleichzeitig steht auch ein großer Teil hinter seinem Land und bleibt aus einer gewissen Solidarität dort.
Die gerade skizzierten Umstände im Land und auch in seiner Hauptstadt waren vermutlich auch Verursacher folgender Situation: Vor einigen Tagen konnten wir beobachten, wie im Friseursalon, in dem wir saßen, gleich dreimal zentimeterdicke Bündel Geld im Hintergrund von Hand zu Hand gingen. Ebenso entdeckten wir wider Erwarten häufig Produkte wie Coca Cola, Oreos, 7UP oder ähnliches in den Regalen. Uns wurde erklärt, dass solche Lebensmittel in Kuba nur auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind. Umso mehr stachen dann die modernen, teuer aussehenden Regierungsgebäude, Businesstower und Hotels hervor, die vereinzelt in der Stadt stehen. In einem dieser hochwertigeren Hotels kamen wir in den letzten Tagen auch unter. So geschah es, dass den meisten von uns Havanna doch recht fortschrittlich vorkam.
Dazu trug auch das abwechslungsreiche Essen in den Restaurants bei. Man muss allerdings im Hinterkopf behalten, dass viele davon auf Tourist/-innen ausgelegt sind. Wir wurden zum Beispiel mit einer billigen Karte in ein Restaurant gelockt und bekamen innen dann erst eine Karte mit teils doppelt so hohen Preisen. Erst, nachdem wir nachfragten, bekamen wir die Karte, die wir draußen gezeigt bekommen hatten. Auch auf der Straße wurden wir sehr oft auf unsere Herkunft, unseren Job und unseren Namen von freundlichen Kubanern und Kubanerinnen, teilweise sogar auf Deutsch, angesprochen. Im Vergleich zu anderen Ländern, die wir bis jetzt bereist haben, haben die meisten Personen in Kuba ein sehr positives Bild von Deutschland beziehungsweise der DDR im Kopf.
Ein weiteres Land, das durch Schiffe und Touristen hier in Havanna sehr präsent ist, ist China. Auch auf den Straßen sieht man die Bedeutung Chinas als Handelspartner durch die große Menge von chinesischen E-Rollern und Autos. Im Gegensatz dazu fanden wir in Cojímar, dem ehemaligen Wohnsitz Ernest Hemingways, ein Örtchen vor, welches uns mit seiner Strandpromenade an Urlaubsgebiete im Mittelmeerraum erinnerte. Das verbildlicht noch einmal recht schön, wie viele Facetten Havanna tatsächlich hat. Italien und China sind dann doch jeweils am anderen Ende der Welt und werden irgendwie in der Hauptstadt Kubas vereint. Zugleich stellen diese Länder Sehnsuchtsorte vieler Kubaner/-innen dar.