Ein Tag auf der Thor

Klassenzimmer unter Segeln – ein Projekt, gespickt mit Abenteuern und neuen Erfahrungen. Die Berichte über all die neuen Dinge und Sachen, die man sieht und erlebt auf dieser unglaublichen Reise sind so zahlreich wie Seekranke auf der Thor. Doch wie ist er wirklich, der klassische 0815- Tag auf der Thor?

Unser, nennen wir es Abenteuer, beginnt um halb zwei Uhr morgens in der Koje eines noch im Tiefschlaf schwelgenden KUSis. Allerdings wird sein Traum nur noch von kurzer Dauer sein, denn schon naht ein weiterer KUSi sich der Koje des schlafenden KUSis (nennen wir diesen jungen Mann Julian), mit dem Ziel, diesen zu wecken. Flüsternd wendet sich der KUSi Julians Koje zu und äußert sich (beispielsweise) in solcher Weise: „Julian, es ist ein Uhr dreißig und du hast jetzt bald Wache! Es hat 12 Grad draußen und es ist windig. Bist du wach?“ Nachdem der KUSi sich durch multiples Rütteln und Schütteln von Julian vergewissert hat, dass dieser auch 100-prozentig wach ist, geht der KUSi seiner Wege, um weiteren schlafenden KUSis rechtmäßig den Schlaf zu stehlen.

Dazu muss man sagen, dass auf der Thor ein Wachsystem aktiv ist, in das alle Teilnehmer des Projektes eingeteilt sind. Dabei wird die Mannschaft in vier Wachen aufgeteilt. Unglücklicherweise befindet sich Julian in Wache 2 – einer Wache mit etwas unangenehmeren temporären Konditionen, da diese von zwei Uhr bis fünf Uhr geht – morgens und am Nachmittag. Nach dieser Aufklärungsrunde nun zurück zu Julian.

Dieser wackere junge Mann hat es mittlerweile geschafft, trotz seiner durch Schlaftrunkenheit zerrütteten Verfassung, sich in kompletter Dunkelheit (denn er darf ja die anderen, noch schlafenden Mitbewohner in seiner Kammer nicht wecken) in warme Kleidung zu hüllen. Als finaler Schritt kämpft er sich hinaus aus der Kammer in den Gang, in dem er sein dort platziertes Ölzeug anzieht und dann nach oben aufs Achterdeck. Nachdem Julians Wache vollständig angekommen und der Vollzähligkeit überprüft worden ist, geht es weiter mit der Einteilung in die verschiedenen Aufgabenbereiche, beispielsweise müssen ein Rudergänger und zwei Ausguckende festgelegt werden. Hinzu kommen auch noch weitere Aufgaben, wie zum Beispiel die Koordinaten des Schiffes in eine große Karte einzutragen und das Schiff nach Feuer und weiteren Anomalien zu kontrollieren. Diese drei Stunden Wache verlaufen meistens ohne viel Gerede oder Trubel, zum einen, da strengstens darauf geachtet wird, dass die noch schlafende Besatzung schlafend bleibt, und zum anderen, da die gesamte Wache noch mental in den Mantel der Müdigkeit gehüllt ist. Dann, nach drei Stunden, wenn die nächste Wache angerückt ist, geht es für Julian und seine Wache wieder zurück in die Welt der Träume.

Fünf Stunden später startet für Julian der Tag mit einem Frühstück mit den anderen KUSis. Dieses besteht hauptsächlich aus Obstsalat mit wahlweise Joghurt, Milch, Cornflakes und Müsli. Nach dem Frühstück geht es weiter mit Reinschiff. Dieser Begriff beschreibt sozusagen eine einer bestimmten Wache zugeteilte Sektion des Schiffes, beispielweise ist die Aufgabe von Julians Wache, die Sanitäreinrichtungen des Schiffes gehörig zu reinigen. Dieser Vorgang wurde ja bereits in einem anderem Blogbeitrag genauer beschrieben.

Um Punkt zwölf wird dann zum Mittagessen eingeläutet – wortwörtlich geläutet. Dabei geht ein Mitglied der Backschaft (einer täglich neu gewählten Gruppe, die zuständig ist für das Herrichten des Frühstücks und des Mittag- und Abendessens) mit einer Glocke durchs Schiff, die er oder sie durchgehend bimmelt. Nachdem sich die Mehrheit der KUSis in der Messe (sozusagen dem Wohn- und Esszimmer auf der Thor) eingefunden hat, läutet ein weiteres Mitglied mit einer weiteren Glocke die stille Minute ein – ein tägliches Ritual auf der Thor, das beim Mittag- und Abendessen praktiziert wird. Dabei läutet ein KUSi der Backschaft einmal mit der Glocke und ab diesem Zeitpunkt ist jeder in der Messe zum absoluten Stillschweigen verpflichtet, bis zu dem Zeitpunkt, an dem eben jene Person noch ein weiters Mal mit der Glocke läutet (was meistens nach – wie der Name „Stille Minute“ schon sagt – einer Minute der Fall ist).

Nach dem Essen gibt es für Julian ein wenig Pause bis zu seinem Wachbeginn um 14 Uhr, die meistens damit verbracht wird, zu lesen oder mit anderen KUSis sozial zu interagieren. Dann geht es weiter mit der zweiten Wache des Tages, die allerdings weitaus energiereicher ist, als die erste. Die Luft auf dem Achterdeck vibriert zu dem Zeitpunkt förmlich voll sozialer Energie, weit ausufernde Gespräche über Gott und die Welt werden geführt, Position und Wetter werden in das Brückenbuch eingetragen und manchmal werden vom Wachführer Jonas Äpfel verteilt.

Nun, nach diesem Wachgang, setzt sich der Tag fort mit dem Abendessen in der Messe, mit ähnlichem Prozedere wie beim Mittagessen, doch mit dem leichten Unterschied, dass es anstatt einer schmackhaften, warmen Mahlzeit Brotzeit mit Wurst und Käse gibt. Jetzt neigt sich der Tag für Julian langsam aber stetig dem Ende zu: weitere Programmpunkte für ihn sind nur noch der allabendliche Gang zum Zähneputzen und noch ein wenig zwischenmenschlicher Kontakt (ungefähr eine halbe Stunde) mit den anderen KUSis, doch dann geht es wieder zurück in die unendlichen Weiten der Welt der Träume. Er muss ja schließlich morgen sehr früh raus.

KUS-Ticker

Mittwoch, 03.11.2021

Mittagsposition: 47°41.7N; 006°57.3W
Etmal: 123,9 Seemeilen
Lufttemperatur: 11°C, Wassertemperatur: 14°C

  • Regulärer Wachbetrieb
  • 11.15 Uhr: Reinschiff

Donnerstag, 04.11.2021

Mittagsposition: 45°47.0N; 008°35.4W
Etmal:134 Seemeilen
Lufttemperatur:13°C, Wassertemperatur: 15°C

  • Regulärer Wachbetrieb
  • 11.15 Uhr: Reinschiff
  • 13.00 Uhr: Referat über Kartographie