Von Walen, Delfinen und erneuter Seekrankheit

Mittlerweile sind wir seit zwei Tagen wieder auf See und gestern, den 04.11., hat bei den meisten wieder die Seekrankheit eingesetzt. Dies ist den bis zu fünf Meter hohen Wellen und einem stetig rollenden Schiff zu verdanken. Rollen, so nennt man es, wenn das Schiff sich von einer Seite zur anderen schwankend bewegt. Infolge all dieser Umstände mussten Zwieback, Salzstangen und Tee wieder Hilfestellung leisten. Neben dem Skorbut – der uns zum Glück nicht heimsucht – muss die Seekrankheit wohl auch eine Geißel der Seefahrt sein. Damit müssen wir zwar klarkommen, mögen muss man es trotzdem nicht.

Aber lasst mich über etwas Schöneres reden und euch von zwei Wundern dieser Welt berichten.

Von der Seekrankheit gebeutelt saß ich lange in der Messe, bis eine aufgeregte Gilda mich darauf aufmerksam gemacht hat, dass oben von Deck aus Delfine zu sehen seien. Sie sollten immer wieder aus dem Wasser springen und schon seit einiger Zeit unseren Weg begleiten. Ich habe keinen Moment gezögert, habe direkt mein Ölzeug und meinen Klettergurt, den wir wegen des Wellengangs an Deck tragen müssen, um bei starkem Seegang gesichert zu sein, angezogen.

Die ersten Delfine

An Deck konnte ich von Achtern aus erst nur vereinzelte Finnen sehen, doch als ich mich vor zum Klüverbaum begeben habe, ging das Spektakel erst richtig los: Mal allein, mal zu zweit oder auch zu dritt kreuzten die Delfine unseren Kurs, sprangen aus dem Wasser, tauchten sofort wieder ein und begleiteten weiterhin unseren Weg. Das spektakulärste Ereignis dieses Aufeinandertreffens war aber, als plötzlich sechs Delfine auf einmal neben uns hergeschwommen und dann auch noch synchron aus dem Wasser gesprungen sind. Mit der Zeit haben sich immer mehr KUSis vorne am Klüverbaum versammelt, um dem Spektakel beizuwohnen. Die Delfine sind sogar auf ihrem Rücken geschwommen – was teilweise so aussah, als würden sie leuchten – und haben uns bis ins Abendrot begleitet. Erst mit der Dämmerung haben wir, nachdem uns noch ein nasser Neptunknutscher in Form einer sehr großen, kräftigen Welle erfasst hat, die Back verlassen und haben uns wieder unter Deck oder auf unsere Posten zurückbegeben. Eine sehr gute Freundin von mir meinte einmal, sie wäre gerne ein Delfin. Nun verstehe ich ihre Meinung. Ich möchte zwar kein Delfin sein, aber die Freiheit, die diese Tiere verkörpert haben, war einfach unbeschreiblich.

Aber weil das alles nicht genug war, ertönte am nächsten Morgen von Achtern aus der Ruf: „Wale!“   Alle, auch die Seekranken, haben sich sofort nach Steuerbord begeben, um auch an diesem Erlebnis teilzuhaben. Viel wuchtiger als die Delfine durchbrachen drei Grindwale die Wellenberge. In ihrem kompletten Schwarz zeigten sie uns immer wieder ihre Häupter und ihre Finnen. Zwar haben sie uns schon bald wieder verlassen und sind unserem Blickwinkel auch nicht lange erhalten geblieben, und doch war es ein wirklich einzigartiges Erlebnis, wie wir es voraussichtlich nicht so oft in unserem Leben machen werden.

Es passieren hier jeden Tag neue und atemberaubende Dinge und ich freue mich schon auf alle, die auf dieser wunderbaren Reise noch folgen werden.

KUS-Ticker

Freitag, 04.11.2022

Mittagsort: 48°49,6’N; 006°00,5’W
Etmal: 93 sm
Wetter: bewölkt; Temperatur: Luft 16°C, Wasser 15,5°C; Wind: NW 4

  • Ganztags: Brecher an Deck und Seekrankheit
  • Nachmittags: Delfine

Samstag, 05.11.2022

Mittagsort: 46°54,3’N; 006°34,7’W
Etmal: 126 sm
Wetter: alles bedeckt; Temperatur: Luft 16°C, Wasser 15,5°C; Wind: SSW 7

  • Ganztags: Brecher an Deck, Starker Wind/Böen
  • Vormittags: Grindwale