Logbuch vom 20.02.2023

Am heutigen Montag, den 20. Februar, segeln wir mit östlichen Kursen auf dem Nordatlantik und befinden uns um 17 Uhr Bordzeit (deutsche Zeit -5h) auf Position 30° 37’N 072° 41‘W zwischen den Vereinigten Staaten und Bermuda. Der Wind bläst aktuell mit 3-4 Bft aus Südwest. Die warmen Temperaturen der Karibik haben wir hinter uns gelassen und wir gewöhnen uns aktuell an 21°C Luft- und 21°C Wassertemperatur.

Nachdem wir am vergangenen Dienstag (14. Februar) zum Valentinstag aus Havanna ausgelaufen sind, erwartete uns zunächst deutlicher Gegenwind aus Nordost. Bei zunehmender Wellenhöhe bekamen einige Besatzungsmitglieder erneut die Seekrankheit zu spüren, welche nun glücklicherweise alle überwunden haben. Für 1,5 Tage waren wir also gezwungen, mit der Hauptmaschine gegen Wind und Welle anzufahren, bevor wir auf den nächsten Streckenabschnitt mit Kurs Nord durch die Floridastraße einschwenken konnten. Hier genossen wir mehrere Tage tollen Segelns: bei Sonnenschein, kräftigen Winden aus SE und S und mit der Unterstützung des teilweise mit mehr als 2 Knoten nach Norden setzenden Floridastroms segelten wir mit Geschwindigkeiten von bis zu 10,3 Knoten. Eine stolze Geschwindigkeit für unseren Traditionssegler!

Eine spannende Nacht erwartete uns von Freitag auf Samstag: Für Mitternacht erwarteten wir den Durchzug einer ausgeprägten Kaltfront mit Regenschauern, starken Windböen und einem Winddreher von annähernd 180°. In Vorbereitung des Frontdurchgangs halsten wir mit kleiner Mannschaft kurz vor Mitternacht, also in völliger Dunkelheit. Schon Tage zuvor hatten wir Nachrichten empfangen, dass in dieser Nacht bei guten Wetterbedingungen ein Raketenstart von der amerikanischen Raumfahrtstation Cape Canaveral geplant sei. Aufgrund des Tiefdruckgebiets und seinen Fronten rechneten wir mit einer Verschiebung des Starts, freuten uns aber umso mehr als just während dem Segelmanöver eine startende Rakete am Horizont gesichtet wurde. Wir waren zwar über 150 Seemeilen vom Raumfahrtbahnhof entfernt, konnten jedoch genau beobachten, wie die Rakete einmal quer über den Himmel reiste, einen langen Schweif aus Licht und Abgas hinter sich herzog, irgendwann verglühende Treibstofftanks abstieß und schließlich in der Weite des Weltraums verschwand. Was für ein beeindruckender Moment für all diejenigen von uns, die das Glück hatten, zur richtigen Zeit an Deck zu sein!

Dem Tiefdruckgebiet folgte leider das nächste Hoch, auf dessen Südseite uns östliche Winde und damit erneut Gegenwind auf unserem Weg über den Atlantik erwartete. Unter Segeln versuchten wir noch möglichst lange Strecke in die richtige Richtung gut zu machen, mussten uns dann aber entschließen, erneut einen Tag lang die Hauptmaschine zur Hilfe zu nehmen. Seit letzter Nacht sind wir nun aber wieder unter Segeln unterwegs und laufen beständig zwischen 5 und 7 Knoten gen Nordost.

Neben den spannenderen Wetterverhältnissen startete nach Auslaufen auch wieder der Schulunterricht sowie die Praktika bei Bootsmann, Maschinist und unseren Proviantmeistern. Neben den üblichen Schulfächern werden auf dieser Etappe drei Wahlpflichtfächer angeboten: Astrophysik, Kunst und die Fortsetzung des bereits auf der ersten Atlantiküberquerung angebotenen Fachs Astronomische Navigation. Auch haben die Schüler*innen im Rahmen des sogenannten Additums die Möglichkeit, individuell zu wählen, in welchen Fächern sie sich besonders auf die Rückkehr in den Unterricht an ihren Heimatschulen vorbereiten möchten. In den klassischen Schulfächern stehen auf dieser Etappe einige Klausuren an – am Samstag fand der Spanisch-Test statt und heute folgte die Geschichtsklausur.

Auch hörten wir diese Woche spannende Referate: Lilly erklärte uns, wie Osmose funktioniert und unsere (derzeit leider defekte) Frischwasseraufbereitung dafür sorgt, dass wir neben Trinkwasser auch eigenen Nachschub an Frischwasser für Duschen, Waschmaschine, Putzen usw. generieren können. Am ansonsten freien Sonntag referierte zudem Johannes K. über die Physik des Segelns und erklärte, wie Segelschiffe es schaffen, den Wind in Vortrieb umzusetzen.

Aufgrund der Gegenwinde auf der Überführung des Schiffes von Mexiko nach Kuba und dem phasenweisen Gegenwind seit Auslaufen Kuba, haben wir uns entschlossen, einen Stopp auf den Bermudas einzulegen. Dort werden wir unsere Dieselbestände ergänzen und ein dorthin geliefertes Ersatzteil für unsere Osmoseanlage an Bord nehmen. Nach erfolgreicher Erledigung werden wir unsere Reise über den Atlantik zu den Azoren fortsetzen. Aktuell planen wir, am Donnerstagabend (23. Februar) oder Freitagmorgen (24. Februar) in St. George’s, Bermuda, einzulaufen.

Bis zu den Bermudas liegen noch 438 Seemeilen vor uns.

Dr. Christian Haehl, Kapitän und Judith Erhardt, Projektleiterin an Bord