Der Horizont

Eine gedachte Linie, die blau trennt von blau, ja genau, woher wissen wir eigentlich, wo oben, und wo unten ist? Jeden Tag ist er da, wir sehen ihn, nehmen ihn wahr und erreichen ihn doch nicht.

Doch im Grunde genommen habe ich ihn schon viel Male überquert. Er entsteht ja bloß, wenn ihn jemand sieht. Oder kann ich zwar den Horizont eines anderen überqueren, aber nicht meinen eigenen? Und gibt es den Horizont nur über dem Meer? Wo ist er, wenn ich ihn nicht seh‘? Schläft er in der Nacht, oder wenn ich vom Meer weg geh‘? Manchmal vermiss ich ihn sehr. Wo ist sein Ende, wo der Anfang? Eine Linie, ein Strich, unendlich, oder nicht?

Übersetzt aus dem Griechischen bedeutet Horizont nicht mehr als Trennlinie und Grenze – eine Definition für das Ende. Nicht umsonst gab es früher die Theorie, die Erde sei eine Scheibe. Kante der Welt. Der Horizont. Nach früherer Vorstellung fällt man am Ende einen Wasserfall ins Ungewisse hinunter. Ein Hirngespinst, aufgrund der Krümmung der Erde. Eine Naht zwischen Himmel und Meer. Aber er ist doch so viel mehr!

Jeden Tag gebärt er die Sonne und lässt sie sterben, nur damit sie am nächsten Tag wieder aus der Scheide des Himmels emporsteigen kann. Einhüllendes Lila, romantisches Rosa, kräftiges Orangerot, prächtiges Orange, klares Sonnengelb, undurchlässiges Grau, hartes Schwarz, zartes Himmelblau. Und Blaugrau, Blaugrün, Schwarzblau und tiefstes Ozeanblau. Spiegelungen des Himmels im Wasser. Die Farben des Horizonts, schau!

Oder hat der Horizont überhaupt eine Farbe? Ist er überhaupt eine Linie? Oder nur eine Schnittstelle? Eine Schnittstelle einer riesigen Collage. Wer sollte sich schon für eine Schnittstelle interessieren? Ist nicht das Gesamtkunstwerk das Schöne? Und trotzdem zieht er Maler und Schriftsteller an wie Schmeißfliegen von Süßgebäck angezogen werden. Auch ich schreibe ja über ihn, obwohl er wahrscheinlich völlig irrelevant sein könnte. Oder irre relevant. Gehört er zum Himmel oder zum Meer? Manchmal bei Nebel kaum zu sehen, dann sieht man die Winde darüber wehen, wie sie die Wellen brechen und den Horizont uneben machen. Schaut man ihn an kommt Freiheit, Glück und Entspannung auf. Er ist schön, weit und unendlich groß: Blickfeldausfüllend. Ist man seekrank, hilft es, ihn anzuschauen. Eine besonders verrückt-kreative Linie, die bei Seekrankheit hilft, vielleicht eine Farbe hat, eventuell unendlich ist und Freiheits- und Glücksgefühle auslöst, entspannend und schön wirkt und trotzdem nur eine abstruse Naht ist, im Grunde genommen nur eine gedachte Grenzlinie ist, das also ist der sagenumwobene Horizont?

Ja! Eine besonders verrückt-kreative Linie, die bei Seekrankheit hilft, eine Farbe hat, unendlich ist und Freiheits- und Glücksgefühle auslöst, entspannend und schön wirkt und zudem noch eine abstruse Naht ist, im Grunde genommen nur eine gedachte Grenzlinie, das ist der sagenumwobene Horizont, den ich jeden Tag sehe und nicht missen möchte!

KUS-Ticker

Sonntag, 19.02.2023

Mittagsposition: 29°47,5’N; 075°07,4’W
Etmal: 95,2 sm
Wetter: stark bewölkt; Temperatur: Luft 21,5°C, Wasser 23,5°C; Wind: NNE 5-6

  • Seemannssonntag mit regulärem Wachetrieb.
  • 15:00 Uhr Referat zur Physik des Segelns von Johannes K.

Montag, 20.02.2023

Mittagsposition: 30°21,8’N; 073°17,1’W
Etmal: 103,7 sm
Wetter: bewölkt; Temperatur: Luft 21°C, Wasser 21°C; Wind: SSW 4

  • Regulärer Wach- und Schulbetrieb
  • 10:00 Uhr Geschichtstest