Als Schiffsleitung auf der Thor

Kälte, Nässe, Dunkelheit! Es traf mich wie ein Schlag, als ich auf das Achterdeck stiefelte. Wind, Kurs, Ruder!  Der Wind wehte in unsere Segel und wir fuhren mit einer für die Thor schnellen Geschwindigkeit, mehr oder weniger, Richtung Azoren. Sterne, Sonne, Koppeln! Mit mehreren Schichten und Ölzeug gekleidet, übernahm ich von Finn die Wache, welcher froh war, schlafen gehen zu können. Schiffsübergabe!

Da es dunkel war, mussten wir wieder unsere Geschwindigkeit schätzen und konnten diese nicht wie tagsüber durch das Über-Bord-Geben von Bioabfall berechnen. So verlief die Wache so normal, wie sie bei einer Schiffsübergabe eben laufen kann. Wegen der Kälte machten Alex und ich allerdings Fitness-Übungen, um uns warm zu halten. Tatsächlich hat dies viel geholfen und ich konnte mit frischer Power Felix und Johannes zum Sterneschießen wecken. Es war leider durch die nur kurz anhaltende Dämmerung und vor allem durch den Seegang enorm schwierig, Sterne zu schießen und so kamen wir am Ende leider zu keinem Ergebnis. Trotz des Misserfolges kam es ein paar Stunden später zu einem großen Schritt. Denn laut unserer Koppelposition sollten wir in der Nähe der Insel „Flores“ sein und tatsächlich hieß es irgendwann in der Früh: „Land in Sicht!“ Da wir zu nördlich waren, halsten wir später am Tag und da wir wussten, dass am Abend das GPS wieder funktionieren würde, nutzten wir wirklich jede Gelegenheit, die Sonne mittels eines Sextanten zu schießen, sogar während Finns Vortrag auf dem Achterdeck. Noch nie habe ich so oft an einem Tag mit dem „Nautical Almanac“ gearbeitet.

Am Abend war es dann endlich so weit und wir befanden uns gerade auf dem Achterdeck, um Sterne zu schießen. Wir waren diesmal bestens vorbereitet und bildeten Zweierteams, um mit zwei Sextanten gleichzeitig zu schießen, als plötzlich Christian und Paula auf dem Achterdeck standen. Es war klar, was los war: Das GPS durfte wieder verwendet werden. Auf der einen Seite war ich gespannt auf unser Ergebnis, auf der anderen Seite hätte ich noch gerne die Sterne berechnet, erst recht, weil wir wirklich perfekte Voraussetzungen für gute Messungen hatten. Christian tat es auch leid, dass die letzte Berechnung ausfallen musste, aber so waren noch alle beim Abendessen und man konnte das Ergebnis vor allen verkünden. So versammelten wir uns in der Messe und gaben Schätzungen ab, wie weit unsere astronomisch navigierte Position von unserer wirklichen GPS-Position entfernt war. Von 7-30 Seemeilen war alles dabei und am Ende waren es tatsächlich 15,2 Seemeilen, womit ich aufgrund der aktuellen Bedingungen überaus zufrieden war. Anschließend fuhren wir unsere letzte Halse während der zweiten Schiffsübergabe, wobei ich am Ruder stand. Seit der Schiffsübergabe fing ich wieder an, Tagebuch zu schreiben, da es eine unfassbare Möglichkeit ist, zu lernen, Erfahrungen zu sammeln und Verantwortung zu übernehmen. Aber es war noch nicht vorbei, denn nun folgte der Teil, in dem wir versuchen mussten, rechtzeitig, aber doch nicht zu früh anzukommen, was mit einem Segelschiff denkbar schwer ist.

Nach drei Tagen Schiffsübergabe war ich richtig müde und es war unglaublich schwer, auf die Beine zu kommen. Beim Aufs-Deck-Kommen wurde es nicht besser, denn mit 6,5 Knoten waren wir deutlich zu schnell für die eigentlich durchschnittlich benötigten 3,8 Knoten. So wollten wir das Großsegel bergen und mussten dafür wegen mangelnder Kapazitäten Kammer sechs mit Gustav, Quentin und Xaver wecken. Das Bergen und Mittschiffsholen verlief ganz gut, aber das Zeisern der Segel wurde uns durch den vom Wind erzeugten Druck im Segel deutlich erschwert. So waren wir erst nach anderthalb Stunden damit fertig und ein Blick auf die elektronische Seekarte verriet mir, dass wir 6,0 Knoten schnell waren. So weckte ich die restliche Schiffsleitung und wir entschieden uns dafür, anzuluven. Weil die anderen jetzt schon wach waren und ich wegen meiner Wachzeit am wenigsten Schlaf bekam, übernahmen Felix und Johannes für mich und ich nutzte die Zeit natürlich sofort, um zu schlafen. Als ich geweckt wurde, haben diese es tatsächlich geschafft, die Ankunft zeitlich perfekt abzupassen und es gab um 07:30 Uhr ein „Signal K“. So halfen wir alle zusammen, die Thor für den Hafen fertig zu machen, das heißt, alle Strecktaue und Sicherheitsnetze abzubauen, die Schotten aufzumachen, die letzten Segel zu bergen und alle Keulsicherungen zu entfernen (natürlich gab es noch viel mehr an Arbeit, aber das alles aufzuzählen würde zu lange dauern). Beim Einlaufen stand ich wie immer staunend da und beobachtete angespannt Christians phänomenales Anlegemanöver, doch da wurde mir auch klar, dass es das jetzt leider mit der Schiffsübergabe war, denn es hat so unglaublich viel Spaß gemacht, in die Rolle des Steuermanns zu schlüpfen. Um das Schiff dann auch final wieder zurückübergeben zu können, putzten wir gründlich alle Ecken und Kanten, bis der Moment kam, bei dem unser Schülerkapitän Felix Christians Hand schüttelte und so die erfolgreiche Schiffsübergabe wirklich offiziell beendet war.

Danach ging es auch schon los mit dem Feedback und es war schön zu sehen, dass eine große Grundzufriedenheit da war, wobei unsere Kommunikation als Schiffsleitung unter uns und in Zusammenarbeit mit z.B. der Projektleitung etwas mehr und besser hätte sein können. Am Ende aber war jeder zufrieden und wir schlossen endgültig die Übergabe ab. Nach dem Abendessen war die Chance, den ersehnten Schlaf nachzuholen und für diejenigen, die keine Hafenwache hatten, durchzuschlafen. Aber trotz des wenigen Schlafes hat es sehr viel Spaß gemacht und es ist in Kürze ja auch schon eine dritte Schiffsübergabe in Aussicht, für die ich schon Pläne habe!

KUS-Ticker

Mittwoch, 15.03.2023

Mittagsposition: 39°06,6’N; 030°45,7’W
Etmal: 165 sm
Wetter: bewölkt; Temperatur: Luft 14°C, Wasser 15°C; Wind: WNW 6

  • 13:30 Uhr Vortrag über Landeskunde Azoren von Finn

Donnerstag, 16.03.2023

Mittagsposition: Hafen Horta / Azoren
Etmal: 123 sm
Wetter: bewölkt; Temperatur: Luft 14,5°C, Wasser 15°C; Wind: WNW 6

  • 08:30 Uhr Einlaufen
  • 10:00 Uhr Brunch
  • 11:00 Uhr Segelpacken und Reinschiff
  • 13:30 Uhr Mittagessen
  • 15:00 Uhr Restarbeiten
  • 16:30 Uhr Feedback und Auswertung der Schiffsübergabe