Momente unserer kleinen Reise
Wenn ich an unsere Kleingruppenexpi denke, kommen mir Bilder von einem Regenbogen, steilen Waldpfaden und schwarzen Felsen neben türkisem Wasser in den Kopf, aber auch die Momente mit vielen Doppelkeksen, schmerzenden Füßen und durchnässten Schlafsäcken. So viele Erlebnisse in so wenigen Tagen, so viele Erinnerungen, die verarbeitet werden wollen! Es sind zu viele, um sie alle aufzuzählen, ich werde euch aber trotzdem mitnehmen auf unsere Reise über die Insel …
Meine Gruppe nimmt die Fähre auf die Nachbarinsel Pico, um dort an der Küste entlang zu wandern. Unser Wegpunkt liegt auf der gegenüberliegenden Seite und der Bus dorthin fährt erst in drei Stunden. Wir nutzen die Zeit, um ein letztes Mal den Luxus eines gemütlichen Hafenstädtchens zu genießen, bevor wir uns mit dem Gedanken beschäftigen, wo wir überhaupt übernachten werden. Die nächsten Tage werden auf jeden Fall unsere Spontanität schulen. Während der Busfahrt bricht bereits die Dämmerung an – als wir aussteigen, ist es schon fast dunkel. Nun, wo werden wir denn jetzt schlafen? Wir wissen ungefähr, wie der Ort heißt, aber auf der Karte ist ganz sicher kein Campingplatz eingezeichnet. Da hilft nur eins: Bei den Einheimischen nachfragen. Es werden zwei Gruppen losgeschickt und beide kommen mit positiven Ergebnissen zurück. Entweder wir übernachten bei jemandem zuhause oder wir richten uns in einem Unterstand ein. Nach ein paar Metern steil zur Küste hinunter und weiteren hilfsbereiten Anwohnern, die uns den richtigen Weg zeigen, kommen wir gegen acht Uhr am Abend am Unterstand an, breiten Hängematten und Schlafsäcke aus, kochen und fallen nach dem langen Tag in einen tiefen Schlaf.
Janne lächelt, als sie mich am nächsten Morgen weckt: „Aufstehen, es gibt Frühstück!“ Wir alle müssen grinsen, als wir beim Essen in die verschlafenen Gesichter der anderen blicken. Eigentlich wollen wir zügig die Tageswanderung beginnen, aber bis wir alles gepackt haben, die Straße wieder hoch ins Dorf und das Interview mit einer einheimischen Person – das allen Gruppen als Aufgabe gegeben wurde – geschafft sind, ist es fast Mittag, als es richtig losgeht. Wir lassen uns Zeit für die heutigen zehn Kilometer und das ist auch gut so: Einerseits ist der Weg steil und mit den dicken Wanderrucksäcken auf den Schultern ziemlich anstrengend, aber vor allem, da die Landschaft so unglaublich schön ist. Am Anfang geht es durch den Wald, der mit den bemoosten, dicht verzweigten Stämmen verwunschen wirkt. Und als wir wieder auf die Straße treten und tief die kühle Luft einatmen können, bietet sich uns der Blick auf den Horizont: Ein leuchtender Regenbogen spannt sich über das Ende des Weges, darunter erkennen wir, mehrere hundert Meter unter uns, das türkisgraue Nordatlantikwasser. Zur Stärkung gibt es Doppelkekse, so schaffen wir die letzten Meter. Auch diesmal kommen wir erst am späten Nachmittag in dem Ort an, in dem wir die Nacht verbringen werden. Und auch dieses Mal hätten wir es ohne die Hilfe eines freundlichen älteren Mannes sehr viel schwerer gehabt. Wir entschließen uns, direkt neben einem Naturschwimmbad zu übernachten und schlafen mit dem Geräusch der an die Felsen klatschenden Wellen ein, das zu einem Rauschen verschwimmt.
Es ist der nächste Morgen und … es ist nass. Das sind die ersten Erkenntnisse des Tages. In der Nacht hat es geregnet und Schlafsäcke, Hängematten und Wanderschuhe sind vollkommen durchnässt. Zum Trost gibt es Pfannkuchen und ein Eisbad im Naturschwimmbecken direkt neben unserem Schlafplatz. Die Stimmung ist den ganzen Tag über gut, trotz der wenig erholsamen Nacht und die Wanderung über den schwarzen Vulkanstein bis hin zu einem hübschen Leuchtturm inmitten der grünen Landschaft ist so schön, dass sich jede Anstrengung lohnt (auch die Doppelkekse helfen hier wieder nach). Wir erreichen den vorgegebenen Wegpunkt – ein süßes Fischerdorf – und wieder helfen uns freundliche Einheimische, indem sie einen Fußballplatz organisieren, auf dem wir unsere Zelte aufbauen können und stellen uns sogar fließendes Wasser zur Verfügung. Während die goldene Sonne hinter den grünen Hügeln versinkt, kochen wir Nudeln mit Pesto auf den Campingkochern, die wir noch vom Probetörn gut kennen und beobachten bald viele funkelnde Sterne am klaren Nachthimmel. Dann geht es schnell zum Schlafen, am nächsten Morgen müssen wir früh aufstehen, um den richtigen Bus zu erwischen.
Dieses Mal kann man unsere verschlafenen Gesichter nicht sehen, denn es ist stockdunkel. Ein Blick auf die Uhr sagt: Gerade mal halb fünf, viel zu früh. Trotzdem ist alles schnell zusammengepackt, mittlerweile haben wir dann doch ein bisschen Übung. Und während der Bus gemütlich die Straße über dem Meer entlangfährt, geht hinter uns die Sonne auf und leitet den letzten Tag unserer Expi ein. Spontan beschließen wir, eine Käserei zu besuchen, denn bekanntlich gibt es hier doppelt so viele Kühe wie Menschen und wir wollen ja die Kultur richtig erleben. Das Ergebnis: Die Käserei hat geschlossen, stattdessen frühstücken wir neben einer Kuhweide. Das ist auf jeden Fall auch ein Weg, die Kultur näher kennenzulernen. Nach einer kleinen, letzten Wanderung erreichen wir das Städtchen, aus dem die Fähre wieder abfährt. Und weil uns noch so viel Zeit bleibt, besuchen wir in der restlichen Zeit ein kleines Museum über traditionellen Weinanbau. Auf der Fähre brauchen wir unseren letzten Proviant auf: Es sind Doppelkekse übrig! Noch bevor wir an Land sind, winken wir einer der anderen Gruppen, die ebenfalls gerade von ihrer Wanderung zurück ist. Zehn Minuten später dürfen wir sie wieder in die Arme schließen.
Wir waren weniger als vier Tage unterwegs, aber es kommt uns allen so vor, als wären Ewigkeiten vergangen, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben. Nach mehr als fünf Monaten kommen uns auch die paar Tage ohne die anderen viel vor. Es ist ja auch so viel passiert! So viele Erlebnisse in so wenigen Tagen, so viele Erinnerungen, die verarbeitet werden wollen! Es sind zu viele, um sie alle aufzuzählen, ich hoffe aber, ich konnte euch trotzdem mitnehmen auf unsere Reise über die Insel.