Daheim

Bei unserem Einlaufen vor wenigen Tagen wurden wir begrüßt mit „Willkommen daheim, schön dass ihr wieder zuhause seid“. Als ich das hörte, fühlte ich mich so zwiegespalten wie selten zuvor. Ich dachte einerseits an meine Familie und meine Heimat, dann aber schaute ich in die Gesichter derjenigen, die mich die letzten sechs Monate begleitet haben. In die Gesichter der Menschen, mit denen ich gelacht und geweint habe und mit denen ich einige der intensivsten Momente meines Lebens erlebt habe, von unvergesslichen Abenden in der Bibliothek über das Erkunden des Regenwalds bis hin zu Morgenyoga bei Sonnenaufgang mitten auf dem Atlantik – ich schaute in die Gesichter meiner zweiten Familie.

Es heißt doch immer: „Zuhause ist bei den Menschen, die man liebt“ und wenn ich über diesen Spruch nachdenke, wird mir immer bewusster, dass es nicht nur ein Zuhause gibt, sobald du mehrere Menschen liebst. In meinem Fall wurde „daheim“ auf der Reise zu einem Begriff für vieles. Für meine Familie und unser Haus, jedoch auch für meine zweite Familie, die KUSis und die Thor.

Am Tag des Einlaufens kam es dann viel zu schnell dazu, dass ich mich von meiner einen Familie verabschieden musste, um zu meinem anderen Zuhause zurückzukehren. Viele tränenreiche Umarmungen später saß ich dann in unserem Auto und nach einer mehrstündigen Autofahrt stand ich in meinem Zimmer, dass mir so vertraut und fremd zugleich war. Hier war alles so groß, nach meiner kleinen Kammer auf der Thor hätte mir wahrscheinlich ein kleiner Teil meines Zimmers gereicht. Gerade angekommen hatte ich einen kleinen Schockmoment: ein roter Lappen in der Küche. Richtig gelesen, ein roter Lappen in der Küche! Dazu muss man wissen, dass auf der Thor rote Lappen nur für Klos sind. Glücklicherweise habe ich mich recht schnell wieder davon erholt. Doch das war nicht das einzig ungewohnte in meinem neuen/alten Leben. Ohne Backschaft, Reinschiff und Wache fühlte sich der Tag sehr seltsam an.

Es sind vor allem die kleinen Dinge, die mir hier, weit entfernt von der Thor, fehlen. Allein schon das Wecken durch eine Person, die mir liebenswürdig mitteilt, dass es 0130 Uhr ist, es regnet und kalt ist und ich in einer halben Stunde Wache habe. Aber auch die Abende in der Messe oder der Bibliothek, in der sogar mitten in der Nacht noch liebgewonnene Menschen sitzen und mal mehr und mal weniger produktiv sind. Das Kochen, ohne dass irgendjemand durch die nicht existierenden Bulleyes schaut und fragt, was es denn zum Essen gibt. Der laute Ruf: „Delfine an Backbord“ der Fahrwache und wie dann alle schneller an Deck sind als bei einem Signal K. Die wunderschönen Sonnenuntergänge, die man Arm in Arm mit einem KUSi vom Klüver bewundert. Das Power-Putzen jeden Samstag, bei dem man zehn unterschiedliche Playlists hört, je nachdem, wo man gerade ist, wobei der Favorit natürlich der „Frühjahrsputz“ ist. Das „Schütteln, schütteln und nach achtern ziehen“ beim Segel hafenfein packen. Die Vorleseabende mit Picco Finte an allen möglichen Orten, vom Achterdeck übers Deckshaus bis zu Kammer 1. Die Abspül-Parties mit der Kombüsen-Playlist, wenn man plötzlich zu zwölft in der Kombüse steht. Unsere (Über-)Nutzung von Wahrschau, durch die Fahrwache, den Ofen und mehr. Der fast begehbare Boden von Kammer 2, der Lieblingsort jeder Weckfee. Das sind nur einige wenige Thor-Momente, man könnte hier noch so viel mehr aufschreiben, von den Erlebnissen der Landaufenthalte ganz zu schweigen.

Ich werde wahrscheinlich noch oft einfach im Garten sitzen oder im Bett liegen und an einzelne Momente der Reise denken. Es wird sicherlich auch noch lange dauern, bis ich das Ganze so wirklich verarbeitet habe, denn sechs Monate wie diese, mit solchen Erlebnissen gefüllt, kommen einem einfach zu unglaublich vor. Mittlerweile gehen wahrscheinlich die meisten von uns wieder zur Schule. Ich wurde dort sehr herzlich empfangen und habe auch schon einiges von der Reise erzählt. Genau wie meine Familie versuchen dort alle, mir das Einleben so leicht wie möglich zu machen, doch so gern ich meine Freunde und Familie habe, so sehr vermisse ich trotzdem meine KUSis.

Zum Glück versuchen wir KUSis, nicht zu sehr in das sogenannte Thor-Loch zu fallen und KUS als abgeschlossene Sache zu betrachten, sondern eher als die Reise unseres bisherigen Lebens bei der wir Freunde fürs Leben gefunden haben. Und genau diese Freunde werden wir immer wieder treffen können und das nicht nur bei den langersehnten Nachtreffen. So bedeutet das Reiseende zwar das offizielle Ende von KUS 2022/23, aber ich bin davon überzeugt, dass jeder von uns ein kleines Stückchen KUS im Herzen tragen wird.