Man sieht sich immer zweimal …

von Lena

Stimmengewirr erfüllt das Zugabteil, in dem ich jetzt stehe. Fast 50 Jugendliche unterhalten sich lachend. Noch etwas verloren stehe ich daneben, bis ich plötzlich ein Teil der laut murmelnden Gruppe bin. Erst eine Durchsage lässt uns kurz verstummen: Die Schulklasse aus Wagen sieben soll doch bitte Platz machen und nicht im Gang herumstehen. Stimmt, wir stehen in den Gängen, weil wir uns mit möglichst allen unterhalten wollen. Aber eine Schulklasse? Das sind wir nicht – oder zumindest noch nicht. Die meisten von uns kennen sich nämlich noch gar nicht. Wir alle haben uns für das KUS-Projekt beworben und wurden zum einwöchigen Probetörn an der Schlei eingeladen.

Irgendwann sind wir endlich da, in dem Camp an der Schlei. Hier warten schon Ruth und die anderen Betreuer*innen, die zum Großteil schon bei KUS mitgefahren sind, auf uns. Außerdem lernen wir das Event Nature Team vom Camp kennen. Nach den ersten Informationen zum Ablauf des Probetörns, neigt sich der Tag bereits dem Ende zu und wir stellen uns abschließend in der großen Runde allen vor.

Den ersten Tag starten wir zusammen mit einem „Run and Dip“: Zumindest ich bin jetzt auf jeden Fall wach. Nach dem Frühstück gibt es dann einige Informationen zum großen Törn. Dann beginnt es aufregend zu werden: Die Einteilung für die fünf Expeditionsgruppen mit je etwa 10 Jugendlichen wird vorgelesen.

Für die Expedition sollen wir selbst das Essen organisieren: aus jeder Gruppe erledigen zwei Personen den etwas chaotischen Einkauf („wieso brauchen wir nochmal genau 156 Scheiben Brot?“). Den restlichen Tag verbringen wir mit Vorbereitungen für die Expedition: Wir lernen zum Beispiel, was man beim Kentern im Kajak machen muss, packen das Wichtigste zusammen und erfahren, wie man auf Trangias kocht. Am Abend fühlt es sich an, als wären wir nicht Tage, sondern schon Wochen zusammen, so viel ist an diesem Montag schon passiert. Dann wartet die Nachtwache auf uns. Auf dem Bootssteg ist es selbst in den Schlafsäcken kalt, aber mit Tee und beim Kennenlernen der anderen geht die Zeit erstaunlich schnell vorbei.

Dann beginnt der erste Expeditionstag. Nachdem wir die Kajaks gepackt haben (es gibt sowohl Kajakgruppen als auch Kuttergruppen, die während der Expedition wechseln) geht es endlich ins Wasser. Leider spielt uns das Wetter fürs Kajakfahren nicht gerade in die Karten: Gegenwind und Regen machen das Voranpaddeln schwer. Eine Umkehraktion, nasse Klamotten, eine Pause, in der wir uns mit Rätseln von der Kälte abgelenkt haben und eine wichtige Erkenntnis später, drehen wir dann schließlich mit Rückenwind zum Camp um. Erst als Nicole von Event Nature, die uns beim Kajakfahren begleitet, es anspricht, merke ich, wie gut unsere Gruppe schon als Team zusammenarbeitet. Im Zelt fangen wir an, erste Ideen für den Beitrag am bunten Abend zu entwickeln und mir wird noch einmal klar, in was für einem tollen Team ich bin. Die zwei Stunden Nachtwache gehen auch in dieser Nacht schnell vorbei.

Am nächsten Tag packen wir alles zusammen und machen uns auf einer neuen Route mit Rückenwind und gutem Wetter auf den Weg zu einer Insel. Je mehr ich jetzt darüber nachdenke, desto mehr kann man unsere Stimmung auf dem Probetörn oft daran erkennen, wie viel gesungen wird. Im „Päckchen“ (wenn alle Kajaks sich gegenseitig festhalten) geht es mit „Country Roads“ los und auf dem weiteren Weg, hört man meistens mindestens zwei verschieden Songs gleichzeitig. Angekommen beginnen wir unser Zelt aufzubauen. Der Wind macht uns den Zeltaufbau zwar schwierig: Die Stange in der Mitte des Zeltes biegt sich gefährlich, aber irgendwie schaffen wir es zusammen, wie am Tag davor auch.

Am Donnerstag geht es dann endlich auch für unsere Gruppe mit dem ersehnten Segeln los. Wieder einmal spielt uns das Wetter einen Streich: Diesmal gibt es kaum Wind. Trotzdem lernen wir dann doch noch Halsen und Wenden und liefern uns einen kleinen Ruderwettkampf mit der anderen Kuttergruppe. Einen Sonnenbrand haben fast alle, als wir unser Gepäck bei der Rückkehr im Camp ausräumen und alles sauber machen. An diesem Abend kochen wir ein letztes Mal zusammen und planen unseren Gruppenbeitrag für den bunten Abend. Unsere „Textschreiberinnen“ haben unsere Ideen perfekt während ihrer letzten Nachtwache zusammengedichtet und wir fangen an, noch mehr Ideen für unserem Auftritt zu entwickeln.

Der nächste Morgen beginnt mit einem freiwilligen „Run and Dip“. Weil er das letzte Mal für diese Woche stattfindet, möchte ich den natürlich nicht verpassen. An diesem letzten Tag warten dann noch die Interviews auf uns, in denen wir noch einmal alleine mit den Betreuer*innen von KUS sprechen. Den restlichen Tag verbringen wir unter anderem mit Packen und den letzten Planungen für den bunten Abend. Dieser rundet die Woche dann noch einmal richtig ab. Und wieder einmal wird viel gelacht und vor allem viel gesungen.

Wie schnell die Woche herumgegangen ist, stellen wir fest, als wir dann am Samstag aufwachen und plötzlich schon im Bus sitzen, der uns zum Bahnhof bringt. Bei der Busfahrt werden dann durchgängig Lieder gesungen. Natürlich sind wir traurig, dass die Woche endet, aber wie ich glaube, nutzen wir die möglicherweise letzte Zeit zusammen noch einmal richtig aus. Und auch hier hat mein selbst erfundenes Stimmungsbarometer wieder recht: Die Stimmung könnte tatsächlich kaum besser sein: Zum Beispiel dann, als wir den Betreuer Boris anfeuern durch das Busmikrofon Karaoke zu singen und er mit seiner „Alle meine Entchen-Version“ von „We will rock you“ loslegt. Auch auf der Zugfahrt packen wir noch einige Lieder aus. Als ich schließlich aussteigen muss, würde ich am liebsten noch weiter mitfahren. Doch was mich ein bisschen aufmuntert ist der Satz, den ich in der letzten Woche mehrmals gehört habe – halb Wunsch und halb Versprechen: (Wo und wann auch immer,) man sieht sich immer zweimal im Leben!