Wachalltag auf der Thor

Wache gehen gehört für uns mittlerweile zum Alltag dazu. Eigentlich richtet sich der ganze Tagesablauf danach aus, in welcher Wache man ist. Wir sind in vier Wacheschichten aufgeteilt:
Wache 1 hat Tagwache von 11:00 – 14:00 Uhr und Nachtwache von 23:00 – 02:00 Uhr.
Wache 2 hat Tagwache von 14:00 – 17:00 Uhr und Nachtwache von 02:00 – 05:00 Uhr.
Wache 3 hat Tagwache von 17:00 – 20:00 Uhr und Nachtwache von 05:00 – 08:00 Uhr.
Wache 4 hat Tagwache von 08:00 – 11:00 Uhr und Nachtwache von 20:00 – 23:00 Uhr.

In jeder Wache sind 8 – 9 Schüler*innen, eine Lehrkraft und eine Person des Stamms als Wachführer*in, welche*r die Wache leitet und organisiert. Mittlerweile wird aber vor der Wachübergabe manchmal auch ein*e Schüler*in bestimmt, um die Wache als „Wachprinzessin“ oder „Wachprinz“ zu leiten – oder wie es in Wache 2 gesagt wird: „Dark Lady“ bzw. „Dark Knight“ zu sein. Diese organisieren dann die Wache anstelle des Wachführers.

Bei der Wachübergabe wird von der abziehenden Wache traditionell erst kurz gesagt, was alles in der Wachzeit angefallen ist und danach ein Spruch aufgesagt: „Die abziehende Wache wünscht der aufziehenden Wache eine: gode Wach!“, worauf die aufziehende Wache antwortet: „Und die aufziehende Wache wünscht der abziehende Wache eine: gode Ruh!“. Nach dem Wechsel sagt die alte Wachprinzessin außerdem noch „Verfang Ruder un Utkiek“, was soviel heißt wie, dass der Rudergänger und der Ausguck der vorherigen Wache abgelöst werden sollen. Zu der eigenen Wache sagt sie dann noch „Weg de Wach“. Das bedeutet, dass sie nun Freiwache haben.

Vor oder nach der Wache werden oft kleine Motivationsspiele gespielt. So kann man die Wache 1 teilweise krähen und muhen und die Wache 4 „hu, ha, he“ rufen hören und dann in großes Gelächter ausbrechen.

Es gibt verschiedene Arten von Wache: Fahrwache, Anker- bzw. Hafenwache und Freiwache. Bei der Fahrwache muss man Ruder gehen und Ausguck halten, Wetter und Position eintragen, Sicherheitsronden gehen, Maschinenronden machen und Wecken. Außerdem ist hier die ganze Wache anwesend. Hafen- und Ankerwache dagegen übernehmen immer nur zwei Schüler*innen. Auch hier müssen Sicherheitsronden gegangen, das Wetter eingetragen und geweckt werden. Bei der Hafenwache müssen zusätzlich die Leinen und bei der Ankerwache der Anker kontrolliert werden. Außerhalb der Wachzeiten hat die gesamte Wache Freiwache – oder kurz gesagt: Freizeit!

„Rudergehen“ heißt das Schiff steuern. Das ist ein unglaublich tolles Gefühl, das ganze Schiff unter Kontrolle zu haben. Bei viel Seegang ist es aber gar nicht so leicht, das Schiff auf Kurs zu halten. Im „Ausguck“ muss man z.B. Schiffe, Tonnen oder Fischer-Bojen melden. Da die Thor so ein großes Schiff ist, gibt es einen Backbord- und einen Steuerbordausguck. Diese beiden Aufgaben werden regelmäßig gewechselt. Im Ausguck kann manchmal Stunden lang nichts passieren. Wenn man aber Glück hat und Delfine oder Wale kommen, entdeckt man als Ausguck diese dafür immer als Erstes.

Immer zur vollen Stunde tragen wir unsere Position in die Seekarte ein und dokumentieren das Wetter. Die Position dokumentieren wir, damit wir, falls die elektronische Karte ausfallen sollte, immerhin noch wissen, wo wir uns zur letzten vollen Stunde befunden haben. Das Wetter wird notiert, um frühzeitig einen Wetterumschwung oder einen Frontdurchgang vorhersehen zu können. 

Immer zur halben Stunde gehen wir außerdem Maschinenronden – nur wenn die Maschinen läuft – und Sicherheitsronden. Bei der Maschinenronde dokumentieren und kontrollieren wir im Maschinenraum verschiedene Werte, füllen den Tagestank auf und ölen unsere Hauptmaschine „Olga“. Auf der Sicherheitsronde prüfen wir, dass im Schiff und an Deck alles in Ordnung ist z.B., dass kein Wasser in den Bilgen (Hohlräume ganz unten im Schiff) ist und dass Dinghi oder Rescueboot fest sind. Man schreibt traditionell nicht „Runde“, sondern „Ronde“.

Eine andere sehr wichtige Aufgabe ist das Wecken der nächsten Wache und der Personen, die sich ins Weckbuch eingetragen haben. Wenn man das vergisst, kann man noch lange auf die Ablösung warten. Teilweise ist es auch schon vorgekommen, dass Personen oder ganze Kammern verschlafen haben. Darum hat es sich beim Wecken etabliert, lustige Denkfragen zu stellen: Das können Matheaufgaben sein, die Frage, welche drei Obstsorten man am liebsten isst, oder was besser ist: Brötchen mit oder ohne Körner.

Die Wachen werden in jeder Etappe durchgetauscht, sodass man mit jedem Mal in der Wache sein wird und zu jeder Uhrzeit mal Wache gehen muss. Ich finde das persönlich wirklich gut, da jede Wache einen Vorteil an sich hat. Wache 1 und Wache 2 können immer vor der Wache und nach der Wache schlafen. Wache 3 kann jeden Morgen bzw. Abend den Sonnenauf- und -untergang sehen und Wache 4 hat die entspannteste Wachzeit, da sie einem herkömmlichen Tages- und Nachtrhythmus am ähnlichsten ist.

KUS-Ticker

Sonntag, 29.10.2023

Mittagsposition: 43°36’N; 004°41’W
Etmal: 83 sm
Wetter: Lufttemperatur: 17,5°C, Wassertemperatur: 18°C, Wind: SW 3

  • 15:30 Uhr: Kaffee und Kuchen mit Zimtschnecken und Eis