Steuern ohne Licht – Nachtwache
Datum: 17.10.2024
Mittagsposition: 50°39´N; 000°37´E
Etmal: 131 sm
Lufttemperatur: 15,5° C, Wassertemperatur: 17° C
Die Nachtwache beginnt für mich, indem ich um 01:30 Uhr geweckt werde. Zügig ziehe ich mir warme Kleidung und, weil es regnet, mein Ölzeug an. In der Messe befülle ich meine Thermoskanne mit heißem Früchtetee. Ich trete nach außen und atme die kühle, frische Seeluft ein. Ich blicke auf das Wasser und beobachte für einen kurzen Moment die Wellen. Im Vergleich zur gestrigen Nacht, während der wir starken Seegang hatten und viele von uns seekrank waren, hat der Wind sich heute etwas gelegt und die See ist ruhiger geworden. Der Regen prasselt auf meine fliegenden Haare und ich setze schnell meine Mütze auf. Langsam stapfe ich auf das Achterdeck, den hinteren Teil des Schiffes, wo schon ein paar Leute aus meiner Wache warten. Aufgrund des Wellengangs ist es sinnvoll, sich stets mit einer Hand an der Reling festzuhalten.
Ich geselle mich zu meiner Wache. Um Punkt zwei Uhr wird die Fahrwache (das ist der Teil der Crew, der verantwortlich alle anfallenden Aufgaben während des Fahrbetriebs ist) übergeben. Hier auf der Thor Heyerdahl gibt es dafür ein Ritual, dass bei jede Wachübergabe stattfindet. Der Wachführer der bisherigen Wache sagt: „Die abziehende Wache wünscht er aufziehenden Wache eine „gode Wach!“. Bei den letzten zwei Wörtern setzt die gesamte Gruppe mit ein. Ähnlich ist es mit unserem Spruch. Diesmal beginnt unser Wachführer an mit: „die aufziehende Wache wünscht der abziehenden Wache eine (und wir steigen ein mit) „gode Ruh“. Dann müssen der Ausguck und der Rudergänger abgelöst werden. Der Ausguck besteht aus zwei Personen an den Seiten des Achterdecks jeweils an Steuerbord (in Fahrtrichtung rechts) und Backbord (in Fahrtrichtung links). Sie halten Ausschau nach anderen Schiffen, Tonnen oder Land. Diese müssen sie dem Wachführer melden. Beim Wechsel des Rudergängers wird immer der Kurs genannt, der gefahren werden muss, und die neutrale Lage des Ruders. Danach wird übergeben.
Immer stündlich um halb wird eine Sicherheitsronde gegangen. Man geht durch das gesamte Schiff, um nachzuschauen, ob es zum Beispiel brennt oder sich Wasser im Rumpf befindet. Zur gleichen Zeit muss eine Maschinenronde gegangen werden. In dieser Nacht habe ich das erste Mal die Maschine geprüft. Meine Ölzeugjacke muss ich dafür ausziehen. Ich öffne die Tür und ein Schwall warme, stickige Luft strömt mir entgegen. Ich setze Ohrenschützer auf, da es bei laufender Maschine sehr laut ist. Dort wird mir alles gezeigt. Ich darf unter anderem die Zylinder ölen und den Tagestank aufpumpen. Nach einer gefühlten Ewigkeit stolpere ich durchgeschwitzt ins Freie und genießen den kalten Wind, der mir ins Gesicht bläst. Schnell werfe ich mir meine Jacke über und kehre zurück auf das Achterdeck.
Dort wartet schon die nächste Aufgabe auf uns. Da der Wind gedreht hat, müssen wir die Rahsegel brassen (in den Wind drehen). Auch, wenn dieses Manöver nicht sehr anspruchsvoll ist, war es in der Nacht, um fünf Uhr, bei leichtem Sturm, eine Herausforderung. Als ich mich auf meine Position im Ausguck zurückbegebe, bewundere ich für einen Moment den glitzernden Sternenhimmel. Fasziniert beobachte ich eine Sternschnuppe, die einen langen, weißen Strich in den Himmel malt. Ich schließe meine Augen und wünsche mir etwas. Als ich sie wieder öffne, strahlt mir der Vollmond entgegen und erleuchtet die Nacht. Meine nächste Aufgabe ist es, unsere Position aufzuschreiben. Dazu muss ich in den Navigationsraum und die Koordinaten vom GPS-Gerät ablesen und in dem sogenannten Brückenbuch festhalten. Danach zeigt mir unser Steuermann Michael, wie man die Position in eine Seekarte einzeichnet. Das finde ich sehr interessant. Zuletzt muss ich noch das Wetter dokumentieren und einige Wetterdaten aufnehmen wie z. B. die Wasser- und Lufttemperatur oder die Windrichtung und Windstärke – doch am wichtigsten ist es, den Luftdruck zu verfolgen, um mögliche Stürme vorauszusehen.
Die Wache geht zu Ende und um sie noch einmal zu reflektieren, machen wir noch eine kleine Nachbesprechung. Nach dieser aufregenden Nacht bin ich unglaublich müde und meine Augen fallen mir direkt zu, sobald ich in meiner Koje liege.
KUS-Ticker
Mittwoch, 16.10.2024
- 09:00 Uhr: Wecken Wache 2
- 09:00 Uhr: Frühstück
- 10:15-12:00 Uhr: Reinschiff
- 12:00 Uhr: Mittagessen
- 16:00 Uhr: Kaffee und Kuchen
- 19:00 Abendessen
Donnerstag, 17.10.2024
- 09:00 Uhr: Wecken Wache 2
- 09:00-10:00 Uhr: Frühstück
- 10:00-11:00 Uhr: Reinschiff
- 12:00 Uhr: Mittagessen
- 15:53 Uhr: Überquerung des Nullmeridians
- 16:00 Uhr Schiffsversammlung
- 19:00 Abendessen