Die Stille am Morgen
Datum: 04.11.2024
Mittagsposition: 31° 33,6´N; 011° 58,5´W
Etmal: 55 sm
Lufttemperatur: 21,5° C, Wassertemperatur: 23° C, Windrichtung und Stärke: SWS 2
Es ist fünf Uhr. Ich gehe nach oben und das Erste, was ich sehe, ist Schwärze. Mir wurde beim Wecken ein schöner Sternenhimmel versprochen, also schaue ich nach oben und erblicke ein Feld, ein riesiges Blumenfeld voller Sterne: Große Sterne, kleine Sterne, helle und welche, die nur ganz leicht schimmern. Zusammen ergeben sie eine unendliche Weite aus Bildern, die wir zu entziffern versuchen. Ich suche mir einen Platz an der Reling und sehe den großen Wagen, dann den Kleinen und auch Sternschnuppen. Sie ziehen schnell an uns vorbei, ganz unscheinbar. Ich wünsche mir etwas. Doch langsam wurden die Sterne weniger. Wolken kommen raus, ein paar Sterne sind noch zu sehen. Ich schaue mich noch einmal um. Vorher spiegelten sich die hellen Sterne im Wasser und leichte Wellen waren zu sehen. Das Meer ist so glatt, auch ich könnte mich darin spiegeln. Das Wasser sieht so weich aus wie ein Teppich, man möchte sich hineinlegen. Die Wellen, die von uns erzeugt wurden, sind der einzige Störenfried in dieser ruhigen Szenerie, die nur wir erfahren dürfen. Ganz weit weg seid ihr, doch in jenem Moment, in dem ich das Wasser sehe, wie es glitzert und schimmert, da kann man es nicht glauben, dass dieser Ort hier existiert und so unscheinbar im Nirgendwo liegt. Doch jetzt lichtet sich auch die Dunkelheit, die Sonne kämpft sich durch die Wolken und noch immer sehe ich ein paar Sterne, an einem mittlerweile nicht mehr schwarzen, sondern blauen Himmel. Es wird heller, die Sonne glitzert am Horizont und steigt langsam auf. Man weiß gar nicht, wo man hinschauen soll. Der Himmel, der sich tiefblau ins Endlose erstreckt, die Sonne, wie sie langsam aufgeht und unsere Sorgen vorbeiziehen lässt und gegenüber der Sonne eine weite, grenzenlose Landschaft, die uns alles vergessen lässt. Doch es hört nicht auf: Die Sonne scheint heller zu leuchten, immer heller und das Wasser wird blauer und, man glaubt es kaum, es glänzt noch mehr. Auf einmal sehen wir kurz eine Flosse, die durch das Wasser gleitet. So schnell sie gekommen war, verschwindet sie wieder. Wir laufen alle zum Bug der Thor und etwas weiter weg sehen wir einen Wal, der unseren Weg kreuzt. Wir schauen alle gespannt auf das Wasser und warten, bis er sich wieder zeigt. Diese Tiere sind so unglaublich, sie leben in einem Lebensraum, von dem wir so wenig wissen. Wenn wir segeln, haben wir teilweise tausende Meter unter uns, in denen Lebewesen wohnen, die unsere Stimmung auf diese Art beeinflussen können – wenn wir diese Meeresbewohner sehen, dann kann man gar nicht wegsehen. Es ist etwas so Besonderes, diese unfassbar schönen Tiere sehen zu dürfen. Eine warme Brise weht durch mein Gesicht und ich schaue auf den Horizont. Ich suche den Wal und erblicke ihn, wie er in seiner eigenen Welt ist und mache mir Gedanken, ob er von uns weiß, ob er weiß, dass wir wie hypnotisiert von ihm sind und dass wir so viel dafür tun würden, ihn weiter zu sehen. Die Stille des Morgens wird durch uns unterbrochen, da wir staunen und uns freuen, einen Wal zu sehen –und wenn er wieder auftaucht, fängt das alles von vorne an. Irgendwann, wenn er wieder seinen Weg gegangen ist und sich wieder hinab ins Nirgendwo bewegt, sind wir alle erfreut und glücklich. Ich schaue auf den Horizont, der mit dem Himmel verschmilzt. Eine Verbindung, die man nicht oft sieht. Wir fahren durch das Meer, das nicht aufhören mag, es gibt keinen Anhaltspunkt und wir treiben.
Diese Stille ist das beruhigteste, was ich je erlebt habe, und man bemerkt erst, wenn der Motor sich nach einer Segelpause stotternd in Gang setzt, wenn das Schiff langsam aufwacht, wie still es war. Eine Stille, die so schön und friedlich ist und die niemals aufhören wird, begleitet von dem Wal. Wir wissen nicht, ob es einer war oder mehrere, wir wissen nur, dass wir weitere sehen wollen. Diese Stille, die ich beschrieben habe, kann man eigentlich nicht beschreiben. Man muss sie selbst erleben und dann erst kennt man sie, die Stille am Morgen.
KUS-Ticker
Sonntag, 03.11.2024
- 15:30 Uhr: von Philipp und Vroni handgemachte Croissants Nachmittagskaffee
- 17:00 Uhr: Ausfüllen der ersten Fragebögen der wissenschaftlichen Begleitung durch die FAU an Bord