Das erste Solo

Datum: 10.11.2024
Mittagsposition: 28°27,8’N; 16°14,8’W (Hafen Santa Cruz de Tenerife)
Etmal: 0
Lufttemperatur: 26° C, Wassertemperatur: 24° C, Windrichtung und Stärke: ESE 2

Wenn du auf einem 50 Meter langen Schiff mit 49 Anderen lebst, könnte man meinen, man hätte nicht viel Zeit für sich. Irgendwie mag das auch stimmen, aber dafür sind die Momente, die man hat, umso wertvoller. Sowie zum Beispiel heute, bei unserem ersten Solo.

Heute Morgen nach dem Frühstück hieß es: Wanderhose an und Bergschuhe schnüren, denn es ging los zum Teide – dem höchsten Berg Spaniens. Einziges Problem: da war kein Bus weit und breit. Auf der Suche nach unserem bestellten Reisebus für die ganze Mannschaft haben wir uns auf den Weg die Pier entlang gemacht. Ganz vorne, schon fast in der Stadt, kam dann das Kommando: Umdrehen, der Bus wartete doch in der anderen Richtung. Nachdem wir dann irgendwann unseren Bus gefunden hatten, ging es los.

Angekommen am Teide, haben wir durch einen spannenden Vortrag von Clemens etwas über Vulkanismus gelernt, denn der Teide ist nicht nur der höchste Berg Spaniens, sondern auch ein Vulkan.

Nach einer sehr schönen Wanderung durch die Caldera, der Kraterlandschaft des Teide, war es da – unser erstes Solo. Schon beim Wandern haben wir gerätselt, was genau es damit überhaupt auf sich hat. Dieses Solo ist für uns alle etwas Neues. Es geht darum, dass du Zeit für dich hast und dich mit dir allein beschäftigst. Natürlich ist jedes Solo je nach Begebenheit anders. Aber es gibt ein paar Regeln, die immer feststehen: Jedes Solo wird mit einem Zitat eingeleitet, man spricht möglichst nicht mit anderen KUSis, befindet sich außerhalb der Sichtweite der Anderen und ist damit auf sich selbst und seine eigenen Gedanken fokussiert. Uhren müssen abgelegt werden und auch sonst ist die Nutzung technischer Geräte während dieser Zeit nicht erlaubt.

„Gras wächst auch nicht schneller, wenn man daran zieht“, so begann unser erstes Solo. Ich bin losgezogen und habe mir einen Platz auf einem Stein gesucht. Vor mir erstreckte sich die Kraterlandschaft des Teide. Da war eine Art Tal mit Asche, mittendrinnen ein schroffer Fels, der in die Höhe ragt und in der Ferne eine Bergkette. Ich habe diese Zeit genutzt, um die Reise Revue passieren zu lassen.

Ich habe meine Augen geschlossen und mich zurückerinnert, an den Tag, als ich das erste Mal von Klassenzimmer unter Segeln erfahren habe. An die erste Informationsveranstaltung, die ziemlich genau vor einem Jahr stattgefunden hat. An meine Bewerbung und den Probetörn bis zum Tag, an dem die Reise schlussendlich losging. Ja richtig, eigentlich ging sie schon viel früher los, diese Reise, aber ich meine den Tag, an dem wir ausgelaufen sind. Wirklich realisiert habe ich das immer noch nicht. So viel ist schon passiert, dass es sich anfühlt, als wären wir schon jetzt ein halbes Jahr unterwegs und nicht erst einen knappen Monat. Am Anfang war ich sehr seekrank und die erste Backschaft mit Seegang war eine Herausforderung, aber dann plötzlich, nach drei Tagen, war ich nicht mehr seekrank.

Ich habe an die erste Zeit gedacht, die Zeit der Umgewöhnung, in der ich nichts anderes außer essen, schlafen und Wache gehen geschafft habe. Aber dann irgendwann bin ich angekommen. Das war kein besonderer Moment, sondern irgendwann war ich einfach da. Jetzt fühlt sich die die Thor wie mein Zuhause an und die Menschen um mich herum wie meine zweite Familie.

Schon jetzt habe ich wahnsinnig viel gelernt. Nicht nur über das Segeln und über alles rund um Nautik, sondern auch schon über mich selbst und was es bedeutet, dieses Abenteuer erleben zu dürfen.

All das, was wir schon gesehen haben, kann ich gar nicht auflisten. Ja, jeder Tag hat im Grunde die gleiche Struktur (zumindest auf See): Mit den Wachen das Schiff navigieren, Reinschiff auf unseren jeweiligen Stationen oder nautischer Theorie, aber doch passiert immer etwas Neues und es wird einfach nicht langweilig. An einem Tag siehst du Delfine, die in der Bugwelle spielen, Biolumineszens, die das Deck leuchten lässt oder du kletterst ins Rigg und siehst einen wunderschönen Sonnenuntergang – an einem anderen Tag kommst du dann in eine neue Stadt, ein neues Land und da ist eine neue Kultur, die du entdecken kannst, neue Menschen, die du kennenlernst und leckere Spezialitäten, die es zu probieren gibt.

Und dann ist da noch all das, was vor uns liegt: Die Atlantiküberquerung, die erste Schiffsübergabe und jenes, was uns noch auf unserem Weg begegnen wird.

Ein lautes Trällern von Karo – das war unser Zeichen, dass das erste Solo nun zu Ende ist. Alle wieder versammelt, wurde das Solo wieder mit einem Zitat beendet: „Verlasse einen Ort immer ein Stückchen besser, als du ihn vorgefunden hast.“ Auch, wenn das Solo gerade mal eine halbe Stunde ging, war es schön, die erste Zeit nochmal Revue passieren zu lassen.

Selbst wenn man hier, auf der Thor Heyerdahl, vielleicht weniger Zeit für sich hat, ist das überhaupt nicht schlimm, denn die Zeit, die man hat, lernt man wertzuschätzen und zu genießen.

KUS-Ticker

Sonntag, 10.11.2024

  • 09:30-18:00 Uhr: Teide Exkursion
  • 13:00 Uhr: Vortrag von Clemens über Vulkanismus
  • 14:00 Uhr: Wanderung in der Caldera
  • 16:00 Uhr: erstes Solo
  • 19:00-22:00 Uhr: Landgang