Mitten auf dem Ozean

Datum: 01.12.2024
Mittagsposition: 14°32,9´N; 044°19,9´W
Etmal: 131
Lufttemperatur: 29° C, Wassertemperatur: 29,5° C, Windrichtung und Stärke: E 6

Mitten auf dem Ozean. Ich schaue aus dem Kombüsen-Bullauge und sehe nur das Meer. Manchmal verschwindet das Wasser, wird vom Himmel und der Sonne abgelöst. Dann fällt mir auf, dass der Blick auf Himmel und See gleichzeitig maximal für ein paar Sekunden hält. Das erinnert mich daran, dass ich mich auf einem schaukelnden Segelschiff befinde. Und das mitten auf dem Ozean.

In genau diesem Moment geht eigentlich ein großer Traum für mich in Erfüllung, doch ich fühle… nichts.

Ich hätte gerne,
beim Blick auf das weite Blau des Ozeans Schmetterlinge im Bauch.
Das Gefühl, etwas Großes erreicht zu haben, vielleicht auch ein bisschen stolz.
Wahre Emotionen, die mich vollkommen erfüllen.
Diesen einen Moment, in dem ich es realisiere, der sich dann für immer fest in meinen Erinnerungen einbrennt.
Ich wäre gerne überwältigt von der Schönheit dieses Ozeans und nicht fähig die Grenzenlosigkeit zu begreifen.
Hätte gerne Gänsehaut, wenn ich nachts in den Himmel gucke und die Sternschnuppen zähle.
Dass mein Herz mir sagt, jetzt hast du es geschafft.

All das erwartet man doch, wenn man sein Ziel erreicht hat, wenn man sich einen so großen Traum erfüllt. Warum also empfinde und begreife ich es kaum?

Liegt es an der Zeit?
Weil es nicht diesen einen Moment gibt, sondern es so viele Tage sind. Vielleicht setzt das Verstehen auch erst in der Karibik ein, vielleicht aber auch da nicht, vielleicht wird es nie so sein.

Vielleicht gibt es diesen einen Moment des Begreifens auch gar nicht, auch wenn ich ihn mir in einer Sternschnuppe wünsche. Diesen einen Moment, in dem sich alle kleinen Teile miteinander verbinden und zu einem großen Bild werden.

Vielleicht sind es die vielen kleinen Momente.
Wenn wir alle zusammen in den Abend singen. Wie ich in den Sonnenuntergang schaue und jedes Mal auf einen grünen Blitz hoffe.
Die Abende auf dem Deckshaus mit Lene und Clemens. Wie Leon mich am Ruder kitzelt. Wie Luki Saxofon spielt.
Wenn ich im Unterricht sitze und die Backschaft mit voll aufgedrehter Musik gute Laune verbreitet, während im gleichen Moment das warme Atlantikwasser um meine Füße spült.
Wenn eine Schildkröte, ein Riesenthunfisch, oder ein Schwertfisch vorbeischwimmt.

Vielleicht sind es trotzdem der Blick aufs weite Blau und das Nichtbegreifenkönnen. Der unendliche Sonnenschein und kein Kontakt zu den Menschen daheim. Der Wind, der mir die Haare aus dem Gesicht bläst und die unterschiedlichsten Farben am Himmel.

Wahrscheinlich sind es genau diese vielen kleinen Momente, die mich wirklich glücklich machen, das gemeinsame Lachen und die großen Wasserschlachten. Und zu lernen, dass es nicht den einen großen Erfolg gibt, dass es nicht den einen Moment gibt, sondern viele Einzelteile, zu denen ich jeden Tag selbst beisteure.

Ich schaue mich am Abend meiner Backschaft nochmal um, mit dem Blick auf das weite Blau. Ich habe es geschafft. Ich lebe meinen Traum. Ich schau in die Gesichter der Menschen, die vor mir sitzen. Es ist vielleicht gar nicht die unbegreifliche Weite des Ozeans, die mich hauptsächlich glücklich machen kann.

Sondern vielmehr die Momente und Menschen, die jeden Tag hier bereichern und genauso wenig begreifen, wie es sich anfühlt, einen Traum zu erreichen – und das mitten auf dem Ozean.

Dieser Blog ist inspiriert durch einen kulturellen Beitrag von Rahel.

KUS-Ticker

Sonntag, 01.12.2024

  • 1. Advent
  • 12:00 Uhr: Vorstellung Adventskalendertürchen für Vincent und Michael
  • 13:30-15:00 Uhr: Stille Stunde