Weihnachten mal wirklich anders…

Datum: 24.12.2024
Mittagsposition: 13°23,0´N; 068°57,0´W
Etmal: 5,1 sm
Lufttemperatur: 31,5° C, Wassertemperatur: 29,5° C, Windrichtung und Stärke: E4-5

Weihnachten, das Fest der Besinnung. Man denkt an gemütliche Weihnachtsmusik, Kerzenschein und leckere Plätzchen, von denen man viel zu viele isst. An diesem Tag im Jahr kommt man mit seinen Liebsten zusammen, um in sich zu kehren und zur Ruhe zu kommen.

Ruhe, das wäre in keinem Fall ein beschreibendes Wort für mein Weihnachten an Bord. Auch wenn das Treiben an Bord natürlich nie wirklich zum Stehen kommt, hätte ich nicht gedacht, dass der Weihnachtsabend für mich mit Abstand der stressigste Zeitpunkt der Reise wird, als ich mich voller Vorfreude freiwillig zur Weihnachtsbackschaft gemeldet habe.

Da die Backschaft für uns ab 14:30 Uhr startete, begannen wir während des Mittagessens, uns auf dem Achterdeck zu koordinieren und einen endgültigen Plan zu erstellen. Irgendwie mussten wir es schaffen, für alle ein leckeres Weihnachtsessen zu kochen. Und für alle heißt: nicht nur für alle 51 Besatzungsmitglieder, sondern auch für alle, die Fleisch essen, für alle Vegetarier, für alle Veganer, für alle Laktoseintoleranten und für alle Glutenintoleranten.

Nachdem wir alle Varianten durchgeplant hatten, ging es endlich mit unserem fertigen Plan, der direkt an die Wand der Kombüse gehängt wurde, ab in die Backschaft. Jeder wusste, was zu tun war, und so begann, mit dem Weihnachtsoratorium im Hintergrund, Vroni mit unserer Vorspeise. Allein hier hatten wir schon drei Optionen: Melonenspieße mit Schinken, für die Vegetarier Melone mit Brie, für die Vegetarier und für die Veganer Melone mit Orangenstücken. Als wir die fertigen Platten in die Kühllast gestellt hatten, war bestimmt schon über eine Stunde vergangen.

Links neben Vroni bereitete Jakob R. Kaffee und Kuchen vor. Zur Feier des Tages wurden alle übrigen Plätzchen und ein wenig Kuchen hergerichtet. Rechts neben Vroni widmete ich mich schon der Linsenfüllung – für die Vegetarier mit Käse, für die Veganer ohne – für die Blätterteigtaschen. Zeitgleich wurden Kartoffeln von Johannes O. gekocht und Rahel, unsere Proviantmeisterin, bereitete eine vegane Bratensoße zu. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir also schon acht unterschiedliche Projekte, die zeitgleich in unserer kleinen Kombüse liefen.

Während wir inzwischen gestresst über den fettigen Kombüsenboden schlitterten und uns dabei noch um die Teigtaschen kümmerten, schauten schon die ersten geduschten, frisierten und generell fein gemachten Köpfe in die Kombüse und wünschten uns, „Frohe Weihnachten“.

Kurz darauf wurden wir von den Weihnachtsorganisatoren aus der Backschaft aufs Achterdeck geholt. Zeitlich passte uns das in dem Moment natürlich gar nicht in den Plan, aber als wir mit allen zusammen „Stille Nacht, heilige Nacht“ gesungen haben, hatte es sich für den kurzen Moment von ein wenig Weihnachtsgefühl schon wieder gelohnt. Nichtsdestotrotz genossen wir kurz darauf unseren Aperitif schon wieder in der Kombüse.

Die nächste Herausforderung waren dann die an die 150 Knödel, die gekocht und im Anschluss alle einzeln aus einer Plastikverpackung ausgepackt werden mussten, wobei wir glücklicherweise fleißige Helfer hatten. Doch abgesehen von unserem massiven Zeitproblem wurde das Platzproblem immer akuter. Durch das unterstützende Abspülteam und die Bratenbackschaft hatte sich nämlich inzwischen das Problem mit dem Hin- und Herrutschen in der Kombüse erledigt. Als ich zu Laurenz von der Bratenbackschaft gesagt habe, dass sie ein wenig wie die Brotbackschaft seien, extrem platzintensiv und dadurch etwas nervig, aber irgendwie halt auch voll wichtig und man könne auf gar keinen Fall auf sie verzichten, meinte er nur lachend, dass sie noch schlimmer seien.
Nur nochmal zur Vorstellung: Zu diesem Zeitpunkt standen zwei bis drei Leute an den beiden Spülbecken und spülten, vor dem Ofen hockten drei Leute von der Bratenbackschaft und wendeten den Braten, während wir vier, die Weihnachtsbackschaft, versuchten, das restliche Essen – am besten gleichzeitig fertig, warm und für alle verträglich – herzurichten.

In den letzten Zügen zeigte sich dann folgendes Problem: Wir hatten vier Herdplatten und einen Ofen für den Braten, die Bratensoße, die Blätterteigtaschen, die Blätterteigtaschen ohne Käse und Ei, die vegane Bratensoße, die Knödel, das Blaukraut und noch Butterkartoffeln als Alternative für die Semmelknödel, die natürlich nicht glutenfrei sind. Leider waren es die Butterkartoffeln zum Schluss auch nicht mehr, weil ich in dem Stress nicht auf die Gluten-Unversehrtheit der Butter geachtet hatte, weshalb Johannes O. noch zehn Minuten vor dem Servieren schnell einen glutenfreien Kartoffelstampf zauberte, der aber auch wieder das Problem mit sich brachte, irgendwie warm werden zu müssen. Im Großen und Ganzen hatten wir also ein Logistikproblem.

Im Nachhinein weiß ich nicht mehr wie, aber durch viel Planen und Verbannens des Bratenteams in den Gang haben wir es im Endeffekt geschafft, pünktlich um 19:15 Uhr den Leuten vom Service die „normalen“, vegetarischen, veganen und glutenfreien Teller mit warmen Essen in die Hand zu drücken. In diesem Moment war ich sehr erleichtert und vor allem stolz, als ich später beim Verteilen des Nachschlags in glückliche Gesichter geschaut habe, denen offensichtlich gut schmeckte, was wir vorher in so stressiger Arbeit zubereitet hatten.

Nach dem Abendessen gab es wieder einen kurzen Moment Weihnachten. Auf dem Achterdeck bekam jeder sein Wichtelgeschenk von unserem Weihnachtswichtel in grünem Weihnachtspulli, mit Weihnachtsmütze und Sonnenbrille überreicht. Auch wenn ich ausgepowert war, hatte ich in diesem Moment dieses absolut wunderschöne Gefühl von Weihnachten, was unter anderem auf Grund der Hitze und der neuen Umgebung so lange auf sich hat warten lassen.

Zum Abschluss des Abends gab es dann noch einen Nachtisch aus Quark, Beeren, Keksstückchen und braunem Zucker, um den wir uns glücklicherweise nicht kümmern mussten, da er am Vorabend von Hannah und Lia vorbereitet worden war. Schließlich wurden wir, auch wenn die Kombüse noch bis 04:30 Uhr geputzt wurde, völlig erschöpft um 22:00 Uhr aus der Kombüse verbannt.

Man könnte nun meinen, dass ich aufgrund der Backschaft Weihnachten in diesem Jahr verpasst hätte, doch ich muss sagen, ich sehe es genau andersrum, denn Weihnachten ist nicht einfach nur das Fest der Besinnung und der Ruhe, im Vordergrund steht in diesen Tagen für mich die Nächstenliebe – durch unsere Backschaft konnten alle anderen ganz in Ruhe ihr Weihnachten mit leckerem Essen genießen. Vielleicht war dieses Weihnachten auf See also das Weihnachten, dass ich zum ersten Mal richtig gefeiert habe. Den Masterplan, für welchen wir in unseren Köpfen Töpfe und Bleche zwischen Herdplatten, Ofen und Bräter hin und her geschoben haben, kann ich wahrscheinlich als Bewerbung für ein Management-Studium verwenden. Trotzdem muss ich zugeben, dass ich wie jedes Mal einen wundervollen Abend und eine tolle Zeit mit den anderen in der Backschaft hatte.

KUS-Ticker

Dienstag, 24.12.2024

  • 10:45 Uhr: Halse
  • 14:00 Uhr: Referat Verschmutzung der Meere (Lia)
  • 17:00 Uhr: Aperitif auf dem Achterdeck
  • 17:10-17:50 Uhr: gemeinsames Singen
  • 18:30 Uhr: Vorspeise
  • 19:15 Uhr: Hauptgang
  • 20:00 Uhr: Bescherung
  • 21:30 Uhr: Nachtisch