Von den kleinen Dingen im Leben
Datum: 26.12.2024
Mittagsposition:12°35,1’N; 073°21,3‘W
Etmal: 139 sm
Lufttemperatur: 31° C, Wassertemperatur: 29° C, Windrichtung und Stärke: EzN5
Weihnachten auf hoher See war eine andere Erfahrung als Weihnachten zu Hause. Wir hörten viele kulturelle Beiträge, bekamen unsere Wichtelgeschichte und genossen das Dreigängemenü. Nach einem letzten Musikstück war der Abend offiziell beendet. Die Nachtwachen nutzten jede Minute, die sie kriegen konnten, um noch eine Stunde Schlaf zu bekommen, bevor die Wache beginnen sollte.
Ich ging um 22 Uhr schlafen und wurde 22:40 Uhr geweckt. Bei der Wachübergabe wurde uns dann mitgeteilt, dass die Wachen das Säubern der Kombüse nach diesem langen Backschaftstag übernehmen. Wir haben diese Aktion gerne weitergeführt. Angekommen in der Kombüse blieb uns kurz das Herz stehen – vor uns standen mehrere graue Kisten randvoll gefüllt mit dreckigem Geschirr, vier verkrusteten Blechen, fünf Töpfen, einer davon mit undefinierbarem, aufgequollenem Inhalt, Schüsseln, Kannen, die Oberflächen und der Boden sahen auch aus, als wäre ein wildes Tier durch die Kombüse gerannt. Doch davon ließen wir uns nicht abschrecken- schließlich sind wir bei KUS dabei, um etwas zu lernen und Abenteuer zu erleben. In diesem Sinne: Lasset das Abenteuer „nächtlicher Kombüsen-Putz“ beginnen!
Was wir an diesem Tag lernten, war schnelles, effektives Putzen. In Gruppen von zwei bis drei Personen lösten wir uns alle 45 Minuten beim Putzen ab – wir mussten ja immer noch Ruder gehen, Wetter und Position machen und Sicherheitsrunden durften wir auch nicht vernachlässigen. Das erste Putzteam, Lene und Johannes, spülte den Inhalt aller grauer Kisten fertig ab. Um Mitternacht übernahmen Flora, Justus und ich. Wir spielten Schere, Stein Papier, wer den Topf mit dem mysteriösen Inhalt über Bord kippen musste – ich verlor. Als endlich alle Töpfe jegliche Essenssubstanz ans Meer verloren hatten, spülten Justus und Flora fertig ab, während ich mit den Arbeitsflächen anfing, die Hälfte des Bodens schrubbte und die Glocke in ihren Normalzustand zurückversetzte. Eine so dreckige Kombüse habe ich noch nie gesehen. In dem ganzen Weihnachtsstress hatte die Backschaft keine Gelegenheit darauf zu achten, die Kombüse sauber zu halten – der Tag war schließlich auf die Minute genau durchgeplant.
Als alles abgewaschen und die Hälfte der Kombüse bereits sauber war, hatten wir kurz Hoffnung, dass wir die Kombüsenabnahme vor 2 Uhr erhalten würden und nicht auch noch die nächste Wache putzen müsste. Zur Partymusik wurde feierlich mitgesungen und wir waren wieder bester Laune- bald hätten wir es geschafft! Dann fiel mein Blick auf den Ofen. Einen Ofen, in dem der Weihnachtsbraten samt Bratensoße während des Seegangs stundenlang umherschwappte und kochte. Ich dachte nur „Bitte sei sauber, bitte sei sauber, bitte sei sauber!“. Ich öffnete die Klappe und sah das Desaster vor mir. Ein großer Schwall Fettgeruch kam mir entgegengeweht. Ich machte meine Stirnlampe an und erblickte das Ausmaß der Verfettung. Alles klebte, das Fett war angetrocknet und am Boden schwamm eine fünf Millimeter dicke Fettschicht. Da war uns klar: Aus der Kombüsenabnahme vor Wachübergabe würde nichts werden. Alle hatten genug vom Putzen, wir waren müde und geschafft.
Letztendlich haben aber Lene und ich uns doch noch erbarmt. So lagen wir um 1:30 Uhr morgens bis zur Hüfte im Ofen und versuchten mit einer erstaunlichen Menge Spüli das Bratenfett zu entfernen. Nach fünf Minuten war das Wasser tiefbraun und der Fettgeruch ging nicht mehr aus unseren Nasen. Trotzdem hatten wir unseren Spaß – die Musik war gut und wir haben daran gedacht, was wohl unsere Freunde zu Hause erleben – so etwas nämlich mit Sicherheit nicht. Auch, wenn wir uns amüsierten und uns echt reinhängten, wurde der Ofen bis 2 Uhr nicht mehr fertig. Am nächsten Morgen erfuhren wir, dass die Putzaktion erst um 4:30 Uhr zum Ende kam. Jetzt weiß ich, was meine Eltern immer meinen, wenn sie sagen „Du hast keine Ahnung, wie viel Arbeit nach einer großen Feier auf dich wartet!“
Am 25.12. begann wieder der normale Bordalltag- naja, nicht so ganz normal. Zum Weihnachtsfeiertag gab es Nutella und Erdnussbutter zum Frühstück und das allseits beliebte Reinschiff entfiel. Der Nachmittag sah ganz anders aus, als wir es gewohnt waren. Während zwei stiller Stunden füllten wir einen Selbstreflexionsbogen für die anstehenden Feedbackgespräche aus. Wie es so üblich ist, brauchten manche hierfür nur 30 Minuten, andere waren auch nach den zwei Stunden noch nicht fertig und haben in ihrer Freizeit weitergeschrieben. Abends gab es erneut ein leckeres großes Essen, diesmal dauerte die Putzaktion jedoch nicht so lange. Außerdem hatte die Hälfte nun keine Wachen mehr, denn am 26.12. saßen wir wieder in unserem wunderschönen und besonderen Klassenzimmer unter Segeln an Deck zusammen. Zwischendurch hatten wir Besuch von der Reinschiff-Station „Deck“, die mittels einer Putzaktion mit dem Süßwasserschlauch den Personen in der letzten Reihe eine begrüßte Abkühlung verschaffte. In einer Doppelstunde Spanisch und zwei Geschichtsstunden über Panama bereiteten wir uns auf den kommenden Landaufenthalt vor. Am Nachmittag wurde der Unterricht aber kurzfristig wegen einer wichtigen Schiffsversammlung und Wachtreffen gestrichen, weshalb auch der Biotest verschoben wurde. Ist zu Hause schon einmal der Unterricht zugunsten der Gemeinschaft entfallen? Auch, wenn hier an Bord die Tage auf die Minute genau durchgeplant sind, so ist der Zeitplan doch flexibel und passt sich an die aktuellen Gegebenheiten an. Muss eine Halse gefahren werden oder gibt es Probleme innerhalb der Bordgemeinschaft, so entfällt halt mal der Unterricht.
Was wir hier an Bord erleben dürfen, könnte sich gar nicht mehr von zu Hause unterscheiden. Es sind weniger die großen und klischeehaften Erlebnisse, die den Alltag an Bord so besonders machen. Es sind die kleinen Dinge. Um 1:30 Uhr in der Nacht lachend in einem Ofen liegen und putzen oder während des Geschichtsunterrichts zuschauen, wie der Biolehrer die Nagelbänke putzt oder der Geolehrer die Schüler nassspritzt. Das sind die kleinen Dinge, die unsere Reise so besonders machen.
KUS-Ticker
Mittwoch, 25.12.24
- 14:00 Uhr: Schülerversammlung
- 14:45 Uhr: Geburtstagskaffe und Kuchen für Jovan
- 15:00-17:00 Uhr: stille Stunden zum Ausfüllen der Feedbackbögen
Donnerstag, 26.12.24
- 12:45-15:30 Uhr: Schiffsversammlung und stille Stunden
- 15:30-17:30 Uhr: Wachtreffen