Ein neuer Atlantik

Datum: 01.03.2025
Mittagsposition: 34°31,9’N; 055°33,1‘W
Etmal: 137 sm
Lufttemperatur: 19 °C, Wassertemperatur: 19 °C, Windrichtung und Stärke: SW3

Der Atlantik: ein Weltmeer, welches bekannt ist für die atemberaubende Artenvielfalt der Meeresbewohner, die bezaubernden Strände an den Atlantik-Küsten, nach denen sich alle so sehnen und natürlich wahnsinnig viel Geschichte rund um die Seefahrt.

Aus der europäischen Geschichte wissen wir, dass im 14. Jahrhundert die Portugiesen die Fahrt gen Süden um den Kontinent Afrika herum anzustreben beginnen. Es gingen Mythen und Sagen im Seemannsgarn umher, es gebe schreckliche Seeungeheuer in diesem Meer, man würde irgendwann, wenn man zu weit fahren würde, einen Abgrund hinabstürzen, oder so dachte man. Sobald man das Kap Verde umsegelte, würde man in der brennenden Hitze der Sonne schmachlos verbrennen. Im 15. Jahrhundert schafften es die Portugiesen dann, Afrika zu umsegeln und den langersehnten Seeweg nach Indien zu finden. Gleich darauf versuchten die Spanier ihr Glück, die ewigen Reichtümer der Gewürzinseln im Westen zu finden, so startete 1492 Christopher Kolumbus auf seine erste Atlantiküberquerung gen „Indien“, wie er behauptete. Darauf folgten unzählige Flotten weiterhin der Spanier, wie zum Beispiel auch jene Ferdinand Magellans, der die erste Weltumsegelung einleitete, aber auch anderer spätere Seemächte Europas wie Frankreich und Großbritannien. Hieraus bildete sich dann der Transatlantische Dreieckshandel, welcher nicht nur ein unfassbares Verbrechen gegen die Menschlichkeit bedeutete, sondern auch großen Einfluss auf die Historie und Anthropologie der letzten 500 Jahre hatte.

Machen wir einen Sprung ins 20. Jahrhundert zu Thor Heyerdahl, dem norwegischem Wissenschaftler und Namensgeber unseres Schiffes: Er ist mit dem nach alt-ägyptischen Vorbild gebautem Schilfboot der RA II von Safi (Marokko) aus über den Atlantik gesegelt. Hiermit hatte er bewiesen, dass die Menschen schon viel früher in der Lage gewesen waren, die hohe See zu besegeln. Er stellte die Hypothese auf, dass es 750 Jahre vor Kolumbus schon Kontakt zwischen den Menschen vom südamerikanischen und dem afrikanischen Kontinent gegeben haben soll.

Springen wir zurück zum Anfang, dazu, dass der Atlantik für viele von uns ein schönes Urlaubsziel mit traumhaften Stränden und atemberaubender Artenvielfalt ist. Doch ist das wirklich so?

Unsere erste Atlantiküberquerung spiegelte wahrscheinlich genau dieses Bild wider. Wir sahen Delphine, Wale, Schildkröten, Fischschwärme, fliegende Fische und sogar einen Blue Marlin. Dazu kam ein paradiesisch angenehmes Klima, begleitet von den beeindruckenden Passat-Wolken. Während der Nachtwachen in die Weite des Sternenhimmels schauen zu können und über die Unendlichkeit zu philosophieren, ist ein unvergleichliches Erlebnis. Wir hatten kaum Seegang, teilweise absolute Flaute mitten auf dem Atlantik. Es gab zwischenzeitlich die Überlegung, ob wir nicht sogar mit Treibankern baden gehen könnten und dazu kamen dann natürlich auch noch die wunderschönen Schnorchel-Gänge in der Karibik.

Jetzt, liebe Leserinnen und Leser, kommen wir zu dem Punkt, an dem ich die Überschrift meines Blogs erklären muss: Man möchte meinen, Atlantik sei doch Atlantik – warum sollte es jetzt ein anderer sein? Aber nein, es ist, als wären wir in ein völlig neues Meer gefahren. Nachdem wir in Havanna ausgelaufen sind, zeigt sich uns die Seite des Atlantiks, die vielleicht nicht nur Sommer, Sonne, Badespaß bedeutet, sondern ganz im Gegenteil:

Nicht einmal zwei Tage nach dem Auslaufen erwartete uns der erste Sturm unserer Reise.
Es wird dunkel in den Kammern, der Verschlusszustand ist nämlich angeordnet, alle Oberlichter und Schotts werden wasserdicht verriegelt. Die Nachtwachen bestehen nicht mehr daraus, in T-Shirt und Badehose Wetter und Position einzutragen, sondern zum ersten Mal auf unserer Reise werden wir als Crew so richtig gefordert. „Die Front ist durch, der Wind hat gedreht, wir müssen halsen! ALLES KLAR ZUR HALSE! RUND ACHTERN“!

In den letzten drei Wochen wurden wir nun des Öfteren mit ähnlichen Situationen konfrontiert, als Anschauungsbeispiel würde ich einfach mal eine Nachtwache widerspiegeln, an die ich mich noch sehr gut erinnern kann: 00:58 Uhr, Anton und ich werden verfrüht zu unserer Nachtwache geweckt mit den Worten: „Jungs, es ist sehr windig draußen, die Wellen kommen übers Deck und wir brauchen dringend Hilfe beim Segelbergen, bitte kommt so schnell es geht aufs Achterdeck“. Keine 10 Minuten später waren wir also an Deck, um gemeinsam die Segel zu bergen. Während unserer Wache haben Anton und ich dann zusätzlich zu zweit die Baumfock geborgen und gezeisert, während wir auf der Back von Wellen überspült wurden.
Zurück auf dem Achterdeck wurden wir vom eisigen Wind ins Gesicht gepeitscht, während wir uns immer noch den normalen Aufgaben der Wache widmeten. Beim regulären Wachende entschied Johannes, unser Kapitän, dass wir vereinzelte Segel wieder setzen sollten, woran wir uns auch noch beteiligten.
Am Horizont zeigten sich nun die ersten Ansätze des Sonnenaufgangs, als wir dann um kurz vor sechs müde in unsere warmen Betten fielen.

Der Nordatlantik ist definitiv härter als die erste Atlantiküberquerung, jedoch nicht weniger schön. Ich kann für mich sagen: Ich genieße es auch mal, so richtig Action im Bordalltag zu haben sowie mit herausfordernden Situationen konfrontiert zu werden. Ich denke, das war bei den großen Seefahrern damals auch nicht anders und deshalb bin ich sehr glücklich, dass wir das hier genauso erleben dürfen.  

KUS-Ticker

Freitag, 28.02.2025

  • 07:00 Uhr: Setzen von Bram, Mars und Breitfock
  • 07:40 Uhr: Stopp Hauptmaschine
  • 08:20 Uhr: Setzen des Großstengestagsegels
  • 14:00 Uhr: Chemietest

Samstag, 01.03.2025

  • 03:45 Uhr: Hauptmaschine Start
  • 06:00 Uhr: Bergen des Großstengestagsegels
  • 16:00 Uhr: Stopp Hauptmaschine
  • 16:00 Uhr: Lost & Found Versteigerung + Besanschot-An
  • 17:15 Uhr: Hauptmaschine Start
  • 23:20 Uhr: Stopp Hauptmaschine
  • 23:40 Uhr: Setzen des Großstengestagsegels