Zu Hause

Datum: 06.04.2025
Mittagsposition: 54°37,7‘ N; 008°26,3‘W (im Hafen von Killybegs)
Etmal: 51 sm
Lufttemperatur: 12 °C, Wassertemperatur: 12,3 °C, Windrichtung und Stärke: 0 umlaufend

Man hört immer wieder: „Wir kommen in weniger als zwei Wochen nach Hause!“, das heißt, nach Deutschland. Doch was ist eigentlich „zu Hause“? Ist es, wenn man die Eltern, Geschwister und Familie nach sechseinhalb Monaten wiedersieht? Ist es, wenn man in das eigene Zimmer zurückkommt und die Luft einatmet, die man seit einem halben Jahr nicht mehr gerochen hat? Vielleicht ist es eher das „eigene“ Bett, in dem man lange nicht mehr geschlafen hat? Sind es die kleinen Routinen, die man erst wieder erlernen muss? Ist es da, wo man aufgewachsen ist? Oder ist es da, wo man den Freunden viel zu erzählen hat?

Ich glaube nicht.

Ich glaube, wir kommen nicht zu Hause an. Wir sind schon zu Hause. Wir gehen von zu Hause weg und kommen „zu Hause“ an. Die Dinge, die wir hierlassen, sind mein „Zuhause“. Wache gehen und die salzige Meeresluft, die einem mal mehr, mal weniger heftig ins Gesicht bläst. Es ist die Klingel der Backschaft, die durchs Schiff getragen wird und ihren hellen Ton von sich gibt. Es sind die Abende in der Messe, an denen man ein Spiel spielt. Es ist das Von-einem-anderen-Geweckt werden. Es ist das raue Gefühl der Tampen unter deinen Fingern und es ist, wenn wir segeln. Es ist das, wenn Witze gemacht werden, wer am meisten Brotbackschaften abgeknetet hat. Es sind die Insider-Witze und die „Thor-Sprache“. Es sind die Wachübergaben, die Wachsprüche und die Wachtreffen. Es ist, wenn alle in der Backschaft mitsingen und eine neue Kombüsenabnahme-Bestzeit aufgestellt wird. Es ist, wenn Menschen in der Last werkeln und in der Bibliothek während des Additums gequatscht wird. Es ist, wenn sich die Schülerversammlung zieht. Es ist, wenn Süßigkeiten rationiert werden, und diese Rationierung dann halt doch nicht aufgeht. Es ist, wenn irgendjemand dir einfach mal so ein Kompliment macht. Es ist, wenn beim Umzug ein heilloses Chaos herrscht und niemand mehr etwas findet. Es ist, wenn irgendwo jemand Musik macht. Es ist, wenn sich alle über das, den oder die Nutella am Seemanns-Sonntag und Sonntag freuen. Es ist die Lost-and-Found -Versteigerung. Es sind die schlechten Wortwitze. Es sind die Kinoabende, bei denen immer dieselben Leute einschlafen. Es sind die kulturellen Beiträge. Es ist, wenn man sich über seinen Dusch-Tag freut. Es ist, wenn Menschen sich gegenseitig helfen. Es ist, wenn Leute sich gegenseitig Klamotten leihen. Es ist, wenn mal wieder eine Diskussion über Feminismus und Rollenbilder ausbricht. Es ist, wenn du dich drüber freust, dass etwas Leckeres im Nachtwachen-Kühlschrank ist. Es ist, wenn niemand so recht glauben kann, dass sich schon mehr als 150 andere Menschen für den baldigen Probetörn beworben haben, dass davon auch schon 52 ausgewählt worden sind, und dass 34 von diesen 52 in etwa einem halben Jahr dasselbe Erlebnis haben werden wie wir. Es ist, wenn man einen Sonnenauf- oder -untergang sieht, denkt, das wäre der spektakulärste gewesen und dann kommt noch ein schönerer. Es ist, wenn beim Ruf „Delfine (/Wale)!“ alle an Deck stürmen.

Es ist, wenn 50 Menschen auf einem Schiff leben. Und dieses Schiff Thor Heyerdahl heißt.

Ja, das ist es, glaube ich. Aber in irgendeinem Sinne kommen wir auch wieder nach Hause. Wir kommen in dem Sinne wieder „nach Hause“, dass wir in das Zuhause zurückkehren, das wir vor einem halben Jahr verlassen haben. Und wir verlassen ein neues.

KUS-Ticker

Sonntag, 06.04.2025

  • 00:00 Uhr: Vor Anker in Killybegs
  • 09:00 Uhr: Brunch
  • 11:00 Uhr: Verholen an die Pier
  • 12:00-16:00 Uhr: Solo/Landgang
  • 17:00 Uhr: Stellenverkündung Schiffsübergabe