Atlantikwind

Die Wellen, sie jagen und türmen sich,
ungezügelt, im Tiefblau der See.
Vom Winde verweht wird die weiße Gischt,
unaufhaltsam sie rauschend bricht.

Das Wasser, wie es lebt und liebt,
uns ungebändigt Vortrieb gibt.
Meine Lunge, sie füllt sich mit nördlicher Luft,
die Wellen, der Wind, der nach mir ruft.

Seefahrt. Vor siebzehn Tagen stachen wir in See für die bisher längste Seeetappe unserer Reise. Wir ließen die mittleren Breiten hinter uns, verließen wärmere Gefilde und nahmen Kurs auf die Azoren. Der Norden brachte Kälte mit sich und das Bordleben verzog sich nach einer sehr langen Zeit im Süden zurück unter Deck, in das gemütliche Herz des Schiffes. Auch der See sah man ein nördliches Treiben an. Sie wurde rauer, der Wind kräuselte die Wasseroberfläche, die Wellen wuchsen zu Bergen an.

Der graue Horizont schien undurchdringbar. Langsam aber sicher bahnte sie sich voran, die riesige Front. Ein mächtiges Tiefdruckgebiet, das sich nördlich der Azoren gebildet hatte und bis zu uns wirkte. Der Grund, warum die zweite Schiffsübergabe auf dieser Etappe nicht stattfinden konnte. Der Grund, weshalb der Schiffsalltag, der sich die vergangenen Wochen an Bord eingependelt hatte, aussetzte. Der Grund, weshalb die Stimmung an Bord merklich angespannt war. Wir alle spürten, dass es ernster wurde. Ich würde nicht von Angst sprechen, die sich in mir breit machte. Eher würde ich es als verstärkten Respekt bezeichnen, mit dem ich den veränderten Bedingungen entgegentrat. Und auch wenn es einige enttäuschte Schülerinnen und Schüler gab, die sich intensiv auf die Schiffsübergabe vorbereitet hatten, konnte die Entscheidung der Schiffsführung durchaus nachvollzogen werden. Bei recht vielen hatte sie sogar eher für Erleichterung gesorgt.

Uns erwartete ein Sturm. Jetzt musste alles funktionieren. Jeder. Wir. Als Ganzes. Volle Konzentration und Achtung sind gefordert, um meistern zu können, was wir zu meistern hatten. Der Sturm würde nicht warten. Es gab kein drumherum. Kein zurück.

Das Bordleben hatte sich verändert. Eine außergewöhnliche Mischung aus Anspannung und ausgleichender Ruhe bürgerte sich ein. Wir gewöhnten uns an das rhythmische Schaukeln unserer sicheren Schale, das wir Zuhause nennen. Den einen mag der verstärkte Seegang den Schlaf geraubt haben, den anderen sah man mit seiner Koordination kämpfen. Hier und dort purzelte jemand den Gang entlang, Backschaft wurde zum Leistungssport und stellte die Nerven jener, die für uns kochten, gehörig auf die Probe. Auch an Deck galt es Vorsicht zu bewahren. Wir mussten uns anpassen. Eins sein mit der Welle.

Die Zeit verschwamm. Aus Stunden wurden Tage. Aus Tagen wurden Wochen. Gleichzeitig fühlte es sich an, als wären wir eben erst in See gestochen. Das Gefühl nicht zu wollen, dass diese Etappe jemals endete, machte sich in mir breit. Ich liebte das Gefühl vom Regen auf meiner Haut, vom peitschenden Wind in meinem Gesicht. Das Rauschen der brechenden Wellen, die Farben des Wassers. Ich wollte es nicht mehr loslassen.

Doch plötzlich ist alles still.

Wir haben das schwankende Schaukeln, das Rauschen und die scheinbar endlosen Weiten des Meeres hinter uns gelassen.

Es ist alles still.

Da ist nur noch das regelmäßige Knarzen der Festmacherleinen, die uns halten, an Ort und Stelle. Der frische Duft von fruchtbarem Land in der kühlen Nachtluft. Die Lichter der portugiesischen Hafenstadt Horta. Die Umrisse ihrer Häuser, die friedlich ruhend die Promenade zieren.

Und mit einem Schlag wird mir bewusst, dass wir da sind. Wir haben unser Ziel erreicht. Die Azoren.

KUS-Ticker

Freitag, 19.02.2021

Etmal: 99,0 sm
Mittagsposition:  ϕ= 32º 25,1‘N   λ= 037º 52,2‘W
Wetter: Lufttemperatur:17,2 °C Wassertemperatur: 19,5°C

  • 08:30: Unterricht Gruppe B
  • 12:45: Schiffsversammlung (Wettervorhersage, Besprechung der kommenden Tage)
  • 13:00: Stammversammlung zur Besprechung der Schiffsübergabe
  • 15:00: Workshops

Samstag, 20.02.2021

Etmal: 107,4 sm
Mittagsposition:  ϕ= 33º 33,3‘N   λ= 033º 14,6‘W
Wetter: Lufttemperatur:17,0 °C Wassertemperatur: 19,5°C

  • 08:30: Unterricht Gruppe A
  • 10:00: Schiffsversammlung (Absage Schiffsübergabe, Besprechung der Folgetage)
  • 10:30: Bergen des Großsegels, Maschinenstart, sturmklar
  • 11:00: Wachen in voller Besetzung