Feedbackgespräche
Die Hälfte der gemeinsamen Zeit an Bord ist nun vorüber und für uns Schüler und Schülerinnen finden die schon lange angekündigten Halbzeitfeedbackgespräche statt.
Was kann man sich darunter genau vorstellen?
Wir Kusis erhalten von unserem erwünschten Gesprächspartner eine Rückmeldung über unser Verhalten und das damit verbundene Wirken auf die Bordgemeinschaft bzw. den Stamm.
Das gesamte Gespräch findet vertraulich und auf freundschaftlicher Ebene statt und bietet Möglichkeiten, die letzten Monate noch einmal zu reflektieren und sich Gedanken zu machen.
Es ist eine Chance zu erfahren, wie deine Mitmenschen dich wahrnehmen und einschätzen.
Was sehe ich im Spiegel dort?
Eine Person an diesem fremden Ort
Ich sehe mein Gesicht
Doch bin das wirklich ich?
Ist es die Person, die aufbrach
Vor 3 Monaten, die in See stach?
Weiß ich noch wer ich bin?
Im Mondschein wandere ich dahin
Ich habe mich aus den Augen verloren
In der Umarmung meiner Selbst fühle ich mich nicht länger geborgen
Die Welle baut sich auf und bricht
Die Brandung kann sie stoppen nicht
Gefühle überfluten dieses Land
Und mittendrin das Herz in einer Hand
Der Griff der langsam sich zu lösen scheint
Der Sand der zu weinen anfangen meint
Nun färbe er sich schwarz und grau
Doch am Ende des Tages wirkt der Himmel wieder blau
Vom Sturm gar nichts mehr hier zu spüren
Spuren verwischen einen Kampf zu führen
Verschlossen hinter einer Mauer
Weggesperrt die tiefe Trauer
Ich bin nachdenklich. Ich stelle mir Fragen. Viele Fragen. Wir nehmen Kurs gen Norden.
Wer bin ich? Habe ich mich verändert? Wer bin ich jetzt?
Ich weiß es nicht.
Ich weiß nicht, wer ich bin, wer ich war, bevor ich diese Reise antrat.
Ich weiß nicht, wer ich bin und ich werde es vermutlich auch noch lange nicht sagen können, aber ich weiß, wer ich nicht bin und das verdanke ich zu einem großen Teil dieser unglaublichen Reise.
Ich kann nicht leugnen, dass ich momentan nicht auch Selbstzweifel habe, während ich den Ausblick auf das leuchtende Blau genieße, welches mich von allen Seiten umgibt. Aber hat diese nicht jeder?
Natürlich erlebe ich hier oft Tage, Phasen, Momente, in denen ich mir nichts sehnlicher wünsche, als mehr Raum, mehr Luft zum Atmen, mehr Platz zum Denken zu bekommen. Das ist normal und um all das wie vom Winde verwehen zu lassen, muss ich mich nur umschauen, dem Meer lauschen und den Fahrtwind auf meiner Haut spüren. Ich muss das Lachen meiner Mitmenschen hören, das Schiff schaukeln sehen und das über Deck fließende Wasser unter meinen Füßen wahrnehmen.
Denn all das ist so viel wert. Ich bin glücklich. Ich weiß nicht, als welcher Mensch ich glücklich bin, aber spielt das eine Rolle?
Dass nun schon mehr als die Hälfte vorüber sein soll, stimmt mich nachdenklich. Ich kann es nicht wahrhaben. Aber ich muss akzeptieren, dass es nur noch 64 Tage auf der Thor sein werden.
Obgleich danach ein neuer Lebensabschnitt beginnen wird, der wundersame Dinge bereithält, diese 64 Tage werde ich aufsaugen, speichern und nie wieder freigeben. Ich werde mich an ihnen festhalten.
Nein, ich werde nicht in der Vergangenheit leben, viel mehr werde ich in die Gegenwart in meiner mir bereits bekannten Welt als ein Anderer eintauchen, sie in vollsten Zügen genießen und die Zukunft mit ausgebreiteten Armen willkommen heißen.
Ich werde ohne Zweifel oft an diese Zeit zurückdenken. Das tue ich jetzt schon.
An Tage der Seekrankheit, Wachtage, Unterrichtstage, an Wanderungen, Gespräche und verrückte Ideen. Und besonders an all die wundervollen Menschen, mit denen ich dieses Abenteuer erleben darf und die es mir überhaupt ermöglicht haben hier zu sein. Sie scheinen vielleicht fern, dennoch kann ich sie ganz nah bei mir spüren.
Ich war unwissend auf der Suche nach Glück, nach Fröhlichkeit, nach Freundschaft, nach Liebe.
Diese Gefühle und Bindungen kannte ich von daheim. Es hat mir anfangs Sorgen bereitet, was, wenn ich von all diesen Vertrautheiten im Stich gelassen werde? Im Gegenteil. Dass ich all diese innerhalb von 6 Monaten in solch einem Ausmaß erfahren durfte, hätte ich nicht im Traum erahnt.
Nun stelle ich mir die Frage, ob sich der ganze Schmerz, den wir ab und an zugefügt bekommen, ob sich all die Mühen und Anstrengungen, die wir auf uns nehmen und ertragen, ob es sich lohnt.
Die Antwort ist simpel. Es lohnt sich auf jeden Fall. Es lohnt sich für jeden einzelnen Traum zu kämpfen. Sie werden sich nicht alle erfüllen, das kann ich garantieren, aber wo kämen wir denn hin, wenn alles, was wir uns wünschen und erträumen, wahr werden würde?
Die Phantasie, ja das, was unsere klitzekleine Welt so bunt färbt, würde aussterben.
Träume geben uns die Möglichkeit, für einen Augenblick dem Geschehen um uns herum, der Welt, dem menschlichen Dasein, der Realität zu entkommen. Wir verwandeln uns in Weltenspringer.
Um uns nicht zu sehr von Perfektion blenden zu lassen, um uns nicht zu sehr zu verwöhnen, schicken sie uns dennoch zurück. Und wenn sie doch einmal die Türen verschließen, dann nur weil sie wissen, wir werden unsere Wege hinaus suchen und finden. Sie helfen dabei, uns in die Dunkelheit, in Unbekanntes zu wagen und die Welt ein Stückchen besser begreifen zu können.
Ein Traum von mir war es, den grünen Blitz, ein selten sichtbares Himmelsphänomen, zu sehen. Nun habe ich verstanden, dass ich kein bestimmtes Ereignis zu sehen oder hören brauche, um zu erkennen, wie wertvoll jeder noch so kleine Moment ist. Orte und Menschen verleihen diesen Momenten ihren Wert und eine unbegreifliche Magie.
Das Leben bietet oft mehrere Weggabelungen, wo du letztendlich endest, kann dir keiner verraten. Aber es sind deine Handlungen, die dein Leben bestimmen.
Ja, wir sollten unsere Träume lebenswert machen, aber viel mehr doch sollten wir unser Leben träumenswert machen. Oder?
Du bist du.
Und das ist gut so.
Du wirst dich finden, auf deiner Reise, die sich Leben nennt.
Kus-Ticker
Freitag, 26.02.2021
Mittagsposition: Horta, Faial, Azoren
- Freizeit 😊
Samstag, 27.02.2021
Mittagsposition: Horta, Faial, Azoren
- 08:00: Frühstück & Reinschiff
- 10:00: Vortrag „Chemische Grundlagen Plastik“ (Emma); Vortrag „Plastik in den Meeren“ (Keana)
- 12:00: Mittagessen
- 12:45: Einführung Plastik in den Meeren
- 14:00: Plastic Clean up mit lokaler Gruppe „No more plastic for the Azores”
- 18:30: Abendessen
- 20:00: Kinoabend