Endlich mal wieder Fahrradfahren – unsere Radtour auf Kuba
Ich höre das Klappern von Schutzblechen, das Klicken der Schaltungen und ein wildes Durcheinander-Gerede, während wir über die kubanischen Straßen fahren. Immer wieder werden Kommandos wie „Warschau* Schlagloch!“, „Steuerbord!“ oder „Bremsen!“ durch die lange Schlange gegeben, sodass es auch wirklich jeder mitbekommt. Am Straßenrand stehen alle paar Meter Pferde oder auch Kühe, die dort zum Fressen abgestellt wurden. Unsere Anwesenheit mit 37 Fahrrädern interessiert sie dabei recht wenig. Sehr viel mehr Aufmerksamkeit erregen wir allerdings in kleinen Ortschaften. Eine solche Gruppe, wie wir es sind, scheint hier nicht allzu oft durch zu fahren, denn viele schauen uns interessiert hinterher und grüßen freudig. Wir legen eine Pause inmitten einer Kleinstadt ein und sofort tummeln sich Kinder und Jugendliche in Schuluniformen um uns herum, die vermutlich gerade Schulschluss haben. Viele sind neugierig, wer wir sind und woher wir kommen. Mit unseren Spanischkenntnissen versuchen wir uns auszutauschen und auch etwas über sie zu erfahren, da das Schulsystem doch recht anders zu unserem zu sein scheint. Manchmal klappt es besser und mal schlechter, ein Gespräch aufzubauen. Nachdem ein Müsliriegel die Energiekapazitäten steigerte und alle Wasserflaschen befüllt waren, kann es erneut losgehen. Beim Wiederlosfahren bekommen einige die schon zurückgelegten Kilometer zu spüren, während man sich auf den Sattel setzt und den Lenker wieder fest umgreift, um beim nächsten Schlagloch nicht hinzufallen.
Aber es geht trotzdem mit Motivation weiter, denn in den letzten Monaten hatten wir nie die Möglichkeit, Fahrrad zu fahren und so genießen die allermeisten die Anstrengung und das Gefühl, auf dem Fahrrad zu sitzen. Nicht alle Fahrräder können den kubanischen Straßen standhalten und müssen dann oft mit Xavers Hilfe wieder fahrtüchtig gemacht werden. Von Reifen mit zu wenig Luft oder Löchern bis zu locker geruckelten Lenkern oder nur mangelhaft funktionierenden Bremsen und vielem mehr ist jeden Tag etwas dabei. Genau deshalb machen wir immer wieder Fahrradchecks, sodass wir nicht andauernd halten müssen. Grundsätzlich kommen wir aber für eine so große Gruppe ziemlich zügig und schnell voran.
Am allerersten Tag unserer Fahrradtour sind wir in Maria La Gorda gestartet, wo wir die Thor verlassen haben und in Richtung des Horizonts wegsegeln sahen. Anfangs führte uns eine kleine, ebene Küstenstraße am Strand entlang, bis wir ins Inland abbogen. Immer wieder kamen kleine Orte, die wir durchfuhren, aber es blieb recht ländlich. Am Abend wurden wir in einem Hotel in Sandino empfangen, wo wir nach 65 Kilometern Fahrradtour alle ziemlich gut schliefen. Morgens ging es direkt weiter. Am Ortsausgang von Sandino standen viele KubanerInnen, die uns zujubelten und uns so verabschiedeten. Im Vergleich zum Vortag veränderte sich unsere Umgebung schon ein wenig. Die Straßen waren befahrener mit vielen Kutschen, Rollern, Bussen und wenigen Autos. Zuerst ging es vor allem geradeaus, bis sich unser Weg etwas mehr schlängelte und erste kleine Anstiege dazu kamen. Nach einer Tour von ca. 75 Kilometern erreichten wir Pinar del Rio. Nur für uns sperrte die Polizei, welche uns auf Motorrädern durchweg begleitete, die Straßen. Das war ein wirklich komisches Gefühl, denn der gesamte Verkehr wartete auf uns und wir durften über rote Ampeln fahren. Auch in Pinar del Rio wurden wir im Hotel feierlich und herzlich empfangen. Zwei volle Tage verbrachten wir dort, bis die Fahrradtour fortgesetzt wurde. Die Tagesetappe nach Viñales war zwar sehr viel kürzer als die zuvor, aber um einiges bergiger. Um ins Viñales-Tal zu gelangen, mussten wir also erst einmal den ein oder anderen Anstieg meistern. Nach einer auspowernden Halbtagestour konnten wir dann aber die atemberaubende Landschaft des Tals genießen, welche wirklich außergewöhnlich ist. Zwei Tage verbrachten wir in Viñales, bevor es mit den Fahrrädern wieder nach Pinar del Rio zurück ging. So mussten wir zuerst die lange Abfahrt von vor zwei Tagen wieder hinauffahren, bevor uns die Straße nach Pinar del Rio lange Zeit bergab führte. Zum krönenden Abschluss brachten wir unsere Fahrräder zu der Federico-Engels-Schule, wo sie nun hoffentlich noch lange genutzt werden können und viele weitere Kilometer gefahren werden. Insgesamt sind wir so in vier Tagen ca. 210 Kilometer gefahren.
*Seemannsbegriff: Warschau = wahrnehmen und schauen