Expi-Experten
Datum: Freitag, 21.03.2025
Mittagsposition: 38°3,84‘N; 028°37,52‘W
Etmal: 0 nm
Lufttemperatur: 15 °C, Wassertemperatur: 11,5 °C
„Plitsch platsch“ oder eher ein Prasseln höre ich irgendwann in der Nacht über mir. Ich bin aber überhaupt nicht nass, sondern friere nur ein bisschen in meinem Schlafsack, denn über mir ist das Dach des kuscheligen Dreipersonenzelts. Dieses Zelt befindet sich auf einer windgeschützten Wiese neben den weiteren Zelten unserer Expi-Gruppe. Die anderen schlafen alle und auch ich schlafe mit den Gedanken an die letzten und der Vorfreude auf die nächsten Tage wieder ein.
Spulen wir jetzt erst einmal zurück:
Unsere Expedition startete um 07.45 Uhr, als wir 13 mit unseren viel zu schweren Rucksäcken Richtung Westen losliefen. Unser Plan: den Daumen raushalten und zu einem wunderschönen Leuchtturm trampen. Unser Problem: 13 Leute nimmt niemand mit. Unsere Lösung: Wir teilten uns in drei Gruppen, denn zu viert wird man eher mal mit großen Rucksäcken mitgenommen.
Für die Allermeisten von uns war es das erste Mal trampen und so löste jedes Auto, das anhielt, Freudenschreie aus. Zusammen mit Lia, Anton und Justus war ich in der ersten Gruppe, die loslief und es dauerte nicht lange, bis die fünf hinter uns lachend und winkend in einem Auto an uns vorbeifuhren. Umso lustiger war es, als wir aus dem Fenster unserer ersten Mitfahrgelegenheit, Mario, ein portugiesischer Arbeiter, herausblickten und die gleichen fünf wieder mit dem Daumen herausgestreckt an der Straße stehen sahen. Aber auch wir wurden kurz darauf abgesetzt und konnten nach der leicht stickigen Fahrt wieder frische Luft atmen. Wir liefen gerade an der Straße entlang, als wir in der Ferne einen Pick-up Truck mit neonbunten Flecken auf der Ladeluke entdeckten. Bald hörten wir die fünf dann auch wieder, wie sie laut lachten und streckten unsere Daumen in die Höhe. Eine Sekunde später saßen wir zu siebt auf der Ladeluke und zwei von uns redeten im Truck mit dem Fahrer. Wir kamen nach einer engen und windigen, aber unglaublich lustigen Fahrt an einer Kreuzung an und teilten uns auf, um das letzte Stück zum Ziel zu fahren. Diesmal waren es kanadische Eltern eines Schülers von „Classroom Afloat“, einem ähnlichen Projekt wie KUS auf der Alexander von Humboldt II, die uns mitnahmen, und zwar bis runter zum Leuchtturm.
Eine andere Gruppe kam am Leuchtturm an und berichtete von einem äußerst interessanten Gespräch mit einem US-amerikanischen, sehr überzeugten Republikaner. Mit einem breiten Lachen beschrieben sie, wie sie mitten in eine politische Debatte gerutscht waren.
Die dritte Gruppe stieg bei einer Fahrerin aus, die sich als Filmproduzentin herausstellte und uns auch einen ihrer Dokumentarfilme schenkte.
Schon während unseren ersten drei Tramp-Erfahrungen haben wir meistens wirklich sympathische Menschen kennengelernt und konnten die unterschiedlichsten Realitäten erleben.
Unsere nächsten Tramp-Versuche starteten etwas später auf dem Weg zu unserem Waypoint Praja do Norte, dem Punkt, den wir während unserer Expedition erreichen sollten. Wir wurden ein paar hundert Meter bergauf von einer extrem freundlichen älteren Dame mitgenommen und schwärmten noch lange Zeit danach von der märchenhaften Fahrt in einem klapprigen, grau und rostrot gefärbten Kleinwagen und von dem kunterbunten, selbstgestrickten Pullover der Fahrerin.
Auf der letzten Strecke lernten wir dann ein ungarisches Pärchen kennen, deren auf Hochglanz polierten Mietwagen wir durch unsere schlammigen Schuhe und Hosen ein wenig verschmutzten. Angekommen am Treffpunkt warteten wir auf den Rest der Gruppe und freuten uns, als wir die neonbunten Regenhüllen der Rucksäcke sahen. An den Blick auf die in den Augen beißenden Farben gewöhnten wir uns mit der Zeit. Je nach Umgebung, sei es der tiefschwarze, vulkanische Sand oder das saftige Grün des Waldes, fielen wir in der Natur der Azoren immer auf.
Die witzigste Fahrt war die, bei der wir uns zu zwölft mit allen Rucksäcken und einem Hund auf die Ladefläche zweier Viehbauern quetschten, welche uns ein gutes Stück hoch bis zum Wanderweg brachten. Als kleines Dankeschön hatten wir aus Zufall noch eine Kuhglocke aus Deutschland dabei, über die sich die beiden sehr gefreut haben. Den wunderschönen Wanderweg hoch auf die Caldera verließen wir, um eine Abkürzung zu nehmen. Diese Idee endete in einem halbstündigen Marsch durch Dornengestrüpp. Oben angekommen und nach einem atemberaubenden Blick auf eine Wolkenwand trafen wir wieder auf die Eltern des Schülers, die uns auch schon am ersten Tag mitgenommen hatten. Dieses Wiedersehen mit eigentlich Fremden hat sich verwirrend vertraut angefühlt. Grundsätzlich haben wir während unseres großen Abenteuers durch das Trampen viele kleine Abenteuer erlebt und durch diese neue Art des Reisens noch mehr Eindrücke gesammelt, denn diese Art der Fortbewegung lässt einen ganz leicht mit Menschen ins Gespräch kommen.
Auf unserer Expi haben wir so viele Erfahrungen gemacht und Eindrücke gesammelt. Abschließend ließen wir in einer Reflexionsrunde einen Regen entstehen, in dem wir den Klang des Regens mit Schnipsen, Klatschen und Streichen nachahmten. Diese Runde erinnerte mich an den Moment in der Nacht, als ich noch nicht genau wusste, was mich auf der Expedition erwarten würde, aber mir sicher war, dass es genauso viel Spaß machen würde wie die Tage zuvor.