Letzte Male und unsere Busfahrt nach Kiel

Datum: 08.10.2025

Beinahe 5 Monate sind jetzt vergangen, seit die Zusagen Anfang Juni in unseren Briefkästen lagen. Fünf Monate, in denen wir bis über beide Ohren in Vorbereitungen steckten: Es galt, Ausrüstungslisten abzuarbeiten und Besorgungen zu treffen, Spenden und Fahrräder für Kuba zu organisieren und Referate auszuarbeiten. Wir verdienten uns das Taschengeld für die Reise und versuchten nebenbei, besonders besorgten Familienmitgliedern ein bisschen die Angst davor zu nehmen, dass unser Schiff, die Thor Heyerdahl, samt Besatzung mit Sicherheit im Atlantik versinken wird – so wie die Thor es natürlich jedes Jahr tut.

Mit jedem Tag, der verging, stieg die Vorfreude und mit ihr die Aufregung. Manchmal lag ich abends im Bett und wünschte mir, schon jetzt in meiner Koje auf der Thor Heyerdahl zu liegen. An anderen Tagen hatte ich das Gefühl, mir würde die Zeit davon laufen und ich würde bis zum Tag der Abreise niemals mit allem fertig werden

Und doch kam dann viel zu schnell die Zeit der letzten Male:

Zum letzten Mal kippelnd im Klassenzimmer sitzen.

Zum letzten Mal den Zug ins Training nehmen.

Zum letzten Mal mit Oma Scrabble spielen.

Zum letzten Mal die beste Freundin umarmen.

Zum letzten Mal mit der ganzen Familie am Frühstückstisch sitzen.

Und dann – zum letzten Mal – die Haustür hinter sich zu ziehen.

Es fühlt sich merkwürdige an, mit dem Auto von zuhause wegzufahren und zu wissen, dass ich über ein halbes Jahr lang nicht zurückkommen werde. Während ich am Tag vor der Abreise noch völlig überdreht war, schwingt jetzt doch so etwas wie Wehmut mit, als ich auf dem Beifahrersitz sitze und zusehe, wie alles, was ich so gut kenne, draußen vorbei fliegt.

Das Gefühl bleibt nicht lange. Spätestens als wir auf den Parkplatz einbiegen, an dem der Bus uns in Kürze einsammeln soll, übernimmt wieder die Euphorie. KUSis von rund um Nürnberg fallen sich in die Arme, vergleichen die Größe ihrer Gepäckstücke und diskutieren, worauf sie sich in der Werftzeit, in der wir alles zum Auslaufen vorbereiten würden, am meisten freuen.

Wir räumen unsere vollgepackten Seesäcke und Trekkingrucksäcke aus den Autos und warten gemeinsam auf den Bus, in dem alle aus dem Süden Deutschlands bereits in München eingestiegen sind. Noch bevor der allerdings kommt, trifft der Sprinter ein, der unsere Spendenkartons und einige Gepäckstücke nach Kiel vorfahren soll. Wenig später dann – endlich – der Bus.

Nachdem als Erstes alle bisherigen Insassen des Busses begrüßt wurden, beginnen wir die Fahrräder und das Gepäck zu verstauen. Der Abschied von den Eltern fällt nicht allzu schwer – schließlich werden wir sie in ein paar Tagen beim Auslaufen nochmal wieder sehen. Bevor wir uns endgültig in den Bus begeben, lässt Fenja sich noch spontan mitten auf dem Parkplatz ihren Zopf abschneiden, zu viel Haare an Bord könnten dann vielleicht doch stören.

Ich würde gerne behaupten, dass die Zeit im Bus wie im Flug vergeht, aber obwohl wir versuchen, uns die unzähligen Stunden bis nach Kiel mit Stadt Land Vollpfosten-Spielen, Musikhören und tiefgründigen philosophischen Diskussionen zu vertreiben, zieht sich die Fahrt wie Kaugummi in die Länge. Schon bald fällt das Stillsitzen schwer und wir fiebern noch mehr einer baldigen Ankunft entgegen.

Nur wenn neue Leute unsere gesellige Busgemeinschaft ergänzen, weicht die Langwierigkeit für ein paar Minuten dem neidischen Vergleichen der Zeiten, an denen der Wecker klingelte. Je weiter wir kommen, desto ausgeschlafener wirken unsere Mitschüler/-innen – und desto deutlicher sieht man uns die Müdigkeit an. Während einige nämlich noch bis tief in die Nacht mit Packen beschäftigt waren, lohnte es sich für andere gar nicht mehr, schlafen zu gehen, bevor es in aller Frühe Richtung Bus ging.

„In drei Minuten sind wir da!“ Spätestens als das durch den Bus gerufen wird, weicht die allgemeine Schläfrigkeit grenzenlosem Tatendrang.

Weil die Stammcrew bereits den Sprinter leerräumte, heißt es für uns jetzt nur noch Spenden und Nice-to-haves, also Dinge, die unseren Bordalltag noch ein bisschen versüßen sollen, sortieren, Fahrräder ausladen und das ganze Gepäck in die Jugendherberge schaffen.

Der Haufen an Seesäcken, Trekkingrucksäcken und Werftzeittaschen, wächst ins Unermessliche. Bald schon stellt er die neue Attraktion Nummer 1 dar und Schulklassen beginnen, ihn zu fotografieren. Der eigentlich ironisch gemeinten Frage, ob wir denn auf Weltreise gingen, stimmen wir lachend zu.

Bevor wir uns aber dem Chaos widmen, dürfen wir uns erstmal auf das Abendessen stürzen. Den Tischgesprächen ist die Vorfreude so deutlich anzusehen, dass man gar nicht die aufgedrehten Unterhaltungen verfolgen braucht, um zu wissen, dass es niemanden gibt, der der bevorstehenden Reise nicht entgegen fiebert. Hauptgesprächsthema ist die anstehende Gepäckkontrolle. Ganz aus Versehen rutschte nämlich sicherlich das ein oder andere „unverzichtbare“ und „absolut essenzielle“ Extra, das nicht auf der Ausrüstungsliste stand, in die Taschen, sodass jetzt geprüft werden musste, ob das Gepäck trotzdem an Bord untergebracht werden kann. Zum Glück gibt es für alle Entwarnung und nachdem wir noch mit diversen Informationen über die kommenden Tage versorgt wurden, geht es um 22.00 Uhr nach einem langen, langen Tag in Betten, die zum ersten Mal nicht unsere eigenen waren.

KUS-Ticker

Mittwoch, 08.10.2025

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