Seekrankheit Ahoi!

Datum: Mittwoch, 18.11.2020
Mittagsposition: 37° 50´ N; 011°28´ W
Etmal: 111,5 sm
Wetter: Lufttemperatur: 19,5° C , Wassertemperatur: 19° C , Wind: S 3

„Maschine starten! Leinen los! Ruder hart Steuerbord!“ Wir drehen uns Richtung Hafeneinfahrt. „Ruder mitschiffs!“ Langsam nehmen wir Fahrt auf und passieren die Hafenmole. Kurz darauf verlassen wir den letzten Schutz der Hafenbucht. Wir lassen La Coruña hinter uns und steuern endlich direkt die Kanaren an! Jetzt befinden wir uns auf freiem Gewässer. Die erste Dünungswelle erreicht uns. Die Thor wird erst am Bug, dann am Heck sanft hochgehoben und anschließend wieder gesenkt. Wasser sprudelt durch die Öffnungen im Schanzkleid und überspült das Hauptdeck. Seegang, die Bewegung des Schiffes durch die Wellen, ist unbeschreiblich schön. Es vermittelt eine einzigartige Stimmung. Hier merkt man, wie klein der Mensch wirklich ist. Die Thor verhält sich zwar in der Dünung sehr souverän, trotzdem ist es durchaus beachtlich, wie leicht die Wellen ihre 370 Tonnen Gewicht durch die Gegend wuchten. Unter Deck kann Seegang auch richtig Spaß machen. Wenn man auf den Bänken beim Essen hin und her rutscht oder man beim Duschen dem Wasserstrahl hinterherrennt, dann kann man das Grinsen kaum aus dem Gesicht vertreiben. Außerdem wiegt es einen – mit etwas Glück – auch sanft in den Schlaf.

Schon eine halbe Stunde später spüren leider die ersten die negative Seite der Schiffsbewegung und lehnen sich schon über die Reling. Unser neuer Freund, die Seekrankheit, ist zurück. Ausnahmsweise bin ich heute nicht unter denen, die ihr Frühstück ein zweites Mal genießen wollen. Trotzdem geht es mir im Laufe des Tages schlecht. Wenn ich sehr seekrank bin, habe ich durchgehend ein flaues Gefühl im Magen und weiß, dass das Essen nicht in mir bleiben wird. Alles wird für mich sehr anstrengend, ich vermeide jede Bewegung. Und ich will nur noch schlafen, den ganzen Tag; klar, denn wenn man schläft, kann man sich nicht übergeben. Hinzu kommt, dass geschlossene Augen bei mir die Übelkeit lindern. Andere haben auch Erscheinungen von Schwindel oder starkem Kopfweh.

Bei starker Änderung des Seegangs ist also ein großer Teil der Besatzung nicht mehr wirklich zu gebrauchen. Kleine Faustregel: Wer sich übergeben muss, muss keine Maschinen- oder Sicherheitsronde gehen, nicht Wetter und Position eintragen, kein Rudergehen und nicht den Mageninhalt aufwischen, wenn man nicht gut gezielt hat oder der Gunnibert (unsere Bezeichnung für Spucktüte) ein Loch hat. Der einzig gute Ort für Seekranke während der Wache ist unglücklicherweise nur der Ausguck. Deswegen wird der Alltag auch anstrengend für die Seefesten. Teilweise müssen sie bis hin zum doppelten Pensum arbeiten.

Das Dasein ist hart, wenn man richtig seekrank ist. Aber wenn ich mir klar mache, dass ich mich mit vielen meiner besten Freunde auf einem Traditionssegler befinde, oft Delfine nur ein paar Meter neben der Thor aus dem Wasser springen und ich morgen wahrscheinlich wieder einen delikaten Obstsalat mit Cornflakes und Jogurt zum Frühstück essen werde, merke ich, dass ich an keinem Ort der Welt lieber sein möchte. Diese Erkenntnis hebt meine Stimmung immer enorm. Seekrankheit ist nicht toll. Trotzdem überwiegen die positiven Dinge des Thor-Lebens deutlich. Wenn dir jemand gleich ein Tuch zum Abwischen gibt, dir Zwieback und Salzstangen anbietet oder einen guten Witz zur Aufmunterung erzählt, dann fangen viele schon wieder an zu lächeln. Hier wird sich wirklich sehr gut um Seekranke gekümmert. Außerdem weiß man mittlerweile, dass es einem morgen wieder besser gehen wird und übermorgen die Seekrankheit höchstwahrscheinlich verschwinden wird. Kurz nach Helgoland war diese Erkenntnis noch nicht gegeben und man hatte Angst, zu den chronisch Seekranken zu gehören. Chronisch seekrank zu sein bedeutet, dass der Körper sich nicht an die Schiffsbewegung anpassen kann und man somit nie die Seekrankheit überwinden wird. Glücklicherweise hat dies niemanden von uns getroffen.

Abschließend lässt sich sagen, dass Seekrankheit zwar keinen Spaß macht, es aber auch Gutes bewirkt. Denn wenn man diese Herausforderung gemeistert hat, ist man durchaus stolz und erfährt ein Erfolgsgefühl. Auch lernt man positiv zu bleiben, wenn es einem schlecht geht. Das kann im späteren Leben bestimmt noch nützlich sein. Hinzu kommt, dass es bestimmt ein ganz anderes Gefühl sein wird, wenn wir die Kanaren erreichen. Wir mussten uns dieses Ziel erarbeiten, haben dafür gelitten. Und der letzte wichtige Aspekt: Es stärkt den Zusammenhalt. Gemeinsames Fischefüttern schweißt zusammen.

KUS-Ticker

16.11.2020

  • Ruderwettbewerb geht weiter
  • 12:00 Uhr Mittagessen (Nudeln mit Tomatensoße)
  • 13:00 Uhr Vortrag über GPS von Sebastian
  • 16:00 Uhr Schülerversammlung

17.11.2020

  • 10:30 Uhr Delfinsichtung
  • 12:00 Uhr Mittagessen (Gemüselasagne)
  • 23:00 Uhr Wir befinden auf der geografischen Breite von Lissabon