Besanschot an
Datum: Samstag, 21.11.2020
Mittagsposition: 32°26’ N; 15°46,7‘ W
Etmal: 127,3 sm
Wetter: Lufttemperatur: 24°C, Wassertemperatur: 22°C, Wind: E2
In aller Eile schüttle ich meine Bettdecke aus und lege sie fein ordentlich in meiner Koje zusammen. Joshua! Bist du bereit!? Der Schiffsrat kommt zur Kammerkontrolle. Es ist Samstag – ein besonders wichtiger Tag. Heute, wie jede Woche, ist Großreinschiff. Dabei gibt es vier verschiedene Reinschiffstationen, die auf insgesamt vier Wachen aufgeteilt werden. Jede Wache wird jede Woche zu einer neuen Reinschiffstation zugeteilt. Meine Wache und ich putzen diese Woche zum Beispiel die Last. Neben den Reinschiffstationen hat jeder noch die Aufgabe, mit seinen Mitbewohnerinnen und Mitbewohnern jeweils seine Kammer schön und ordentlich herzurichten. Hier auf dem Schiff wird auf Sauberkeit und Hygiene nämlich besonders viel Wert gelegt. Um die Arbeit lustig und spaßig zu gestalten, hören wir nebenbei Musik oder singen gemeinsam Shanties. Shanties sind traditionelle Seemannslieder, wie der sehr bekannte ,,Drunken Sailor“ oder ,,Strike the Bell“ – ein klassischer ,,Pumping Shanty“. Er handelt von dem Wunsch der Seeleute, die ersehnten Glockenschläge, die in traditioneller Seefahrt „Glasen“ heißen, zu hören. Denn mit diesem Signal ist ihre anstrengende Arbeit beendet. Auch die Eltern freuen sich nicht selten über die hier erlernte Kunst ihrer Kinder.
Unser Kapitän Detlef hat als Vertreter des Schiffsrates mittlerweile unsere Zimmer kontrolliert. Er gibt uns noch ein paar kleine Verbesserungsvorschläge, aber scheint insgesamt doch ganz zufrieden. Wir haben unsere Arbeit hervorragend gemeistert. Sehr zugunsten von meinen Kammermitbewohnern Ole, Mats, Moritz und mir. „Strike, strike the Bell!“, singen wir im Chor. Beim Singen steigt so richtig ein Gefühl von Gemeinschaft und Zusammengehörigkeit auf. Da klingelt auch schon die Glocke und das Highlight des heutigen Abends steht kurz bevor. „Besanschot an“, eines der beliebtesten Ereignisse der Seeleute in der traditionellen Seefahrt. Nach sehr schweren und gefährlichen Arbeiten belohnte der Kapitän seine Mannschaft mit einem Glas Branntwein. Auch unsere Mannschaft sammelt sich auf dem Achterdeck. Da füllt der Kapitän auch schon das erste Glas. Er macht einen großen Schritt in Richtung Schanzkleid und hebt das Glas nach Brauch feierlich in die Höhe. Mit einem: „Für Neptun, auf dass er uns weiterhin mit gutem Winden beisteht“, schüttet er den Inhalt des Glases über Bord ins Wasser. Wir sind begeistert und der Rangfolge nach schenkt sich zuerst Detlef und dann der Stammmannschaft ein kleines Glas ein. Zum Schluss genießen auch wir Jugendlichen unser besonderes Süßgetränk. Ich lasse mir den Apfelsaft auf der Zunge zergehen. Er schmeckt wunderbar süß und saftig. Süßgetränke sind auf der Thor ein Luxusgut und jedes Mal ein Fest. Sie werden nur zu besonderen Anlässen wie bei „Besanschot an“ genossen. Heutzutage wird diese Tradition fast nicht mehr praktiziert. Auf der Thor Heyerdahl gibt es „Besanschot an“ jedoch fast jeden Samstag nach Großreinschiff.
Woher kommt den eigentlich der Name dieses traditionellen Ereignisses? Die Besanschot gehört zum Besansegel, das ist ein Graffelsegel in Längsschiffsrichtung an dem achtersten (hintersten) Mast der Thor. Es ist das Segel, das das Schiff in gleichmäßiger Fahrt hält. Eine Schot ist seemännisch abgeleitet von Schoß mit der Bedeutung „Ecke, Zipfel“ eines Segels, bezeichnet eine Leine zum Bedienen eines Segels. Das Besansegel wird von allen Segeln und somit auch deren Schot beim Einlaufen in den Hafen zuletzt bedient. Deshalb kündigt „Besanschot an“ sozusagen den Feierabend und auch die Wiederkehr in den Heimathafen an. Auch ich genieße jetzt mit allen anderen unseren wohlverdienten Feierabend. In diesem Sinne – Mast und Schotbruch!
KUS-Ticker
Sonntag, 22.11.2020
- 10:00 Uhr Manöverübung: Unsere ersten zwei Wenden
- 12:00 Uhr Vortrag Meeressäuger (Leon)
- 13:00 Mittagessen (Nudelsalat)
- 14:00 Schülerversammlung
- 16:00 Uhr Vortrag von Jakob (Seawatch)
- 18:00 Uhr Abendessen (Reis mit Thunfisch)