Vito

Etappe: Landaufenthalt Kanaren

Malerische Wattewolken zieren die Schattenküste in der morgendlichen Dämmerung. Die Lichter der Nacht, die pulsierenden Lebensadern der Insel.

Erwachen.

Warm legen sich die Sonnenstrahlen auf meine Haut. Ich fühle mich frei und lebendig. Alles scheint zu erwachen.

Alles lebt.

Hektisches Knirschen unter meinen Füßen. Immer lauter, immer schneller. Wo sich sonst das Wasser seinen Weg bis zum Meer bahnt, laufe ich so schnell meine Beine mich tragen können. Ich laufe.

Ich lebe.

Regentropfen auf meiner Haut. Der frische Duft nasser Erde und feuchter Kiefernadeln steigt mir in die Nase und strömt durch meine Lunge.

Ich atme.

Die Dämmerung. Schleichend taucht sie alles in sanftes Abendlicht. Kakteen, Agaven, Palmen. In pastellenen Grüntönen zeichnen sie sich an den Hängen der Schlucht ab.

Ich träume.

Gespenstisch, vom Nebel umwoben liegt er da. Zugleich ruft er ein Gefühl von Geborgenheit in mir hervor. Lianen schlängeln sich um die Äste der Bäume, Flechten bahnen sich einen Weg ihren Stamm hinauf. Der Wald.

Er lebt.

Es ist dunkel. Meeresrauschen. Grillenzirpen. Ich blicke zum Himmel hinauf, möchte die Sterne sehen. Hell leuchten sie. So nah und doch so fern. Der Wind zieht kalt an mir vorüber. Da ist etwas. Tief in meinem Inneren. Schleichend und unbemerkt, bis es aus mir herausbricht. Ein einziger Gedanke. Ein einziges Gefühl.

Heimweh.

Zuhause. Da, wo Familie ist, wo Freunde sind. Zuhause, den Ort, den wir für ein halbes Jahr verlassen haben, auf der Suche nach uns selbst. So nah und doch so fern.

Zuhause. Die Thor, die Menschen, sogar das weite, blaue Meer, das mir vor nicht allzu langer Zeit noch so fremd, fast ein wenig unheimlich vorkam. All das ist mit der Zeit mein Zuhause geworden. Alles fühlt sich so vertraut an.

Heimweh – auch das geht vorüber.

Alles ist vergänglich. Alles bewegt sich, lebt. Ein ständiger Fluss, der Fluss des Lebens. Das Leben. Ein Zusammenspiel aus so viel. Damit alles seinen Lauf nehmen kann, damit alles funktioniert.

So ist es in der Natur. Flechten. Eine Symbiose aus Pilzen und Algen, die nur zusammen Leben bilden.

Geben und nehmen. So ist es überall.

Auf der Finka auf La Gomera. Auf der Bananenplantage auf La Palma. Auch auf der Thor. Nur zusammen können wir das Schiff steuern. Nur mit vereinter Kraft können wir an unser Ziel gelangen. Nur zusammen funktioniert das Leben auf der Thor.

Irgendwann beginnt das Leben. Irgendwann endet es.

Wir wissen nicht wann, wie oder wo. Wissen nicht warum.

Aber ich weiß, dass ich jetzt hier bin.

Und ich lebe.

Und ich liebe es.