Maximale Fremde – Expedition Sao Jorge, Kleingruppe 2

„Die nächsten fünf Tage werdet ihr in Kleingruppen auf São Jorge unterwegs sein. Zwei Stammis werden euch begleiten, allerdings nur im Notfall eingreifen. Die Planung liegt vollständig bei euch. Euer erstes Ziel ist euer Waypoint. Dieser ist für jede Gruppe verschieden. Die Gruppen werdet ihr nun selber einteilen. Und zwar nach dem Prinzip der maximalen Fremde. Das bedeutet, dass die Gruppenmitglieder jeder Gruppe sich untereinander möglichst wenig kennen sollen.“

Maximale Fremde.

Wir sollen die Gruppen für unsere Kleingruppen-Expeditionen so einteilen, dass innerhalb der Gruppe die maximal Fremde erreicht wird.

Maximale Fremde.

Nach all der Zeit, die wir gemeinsam verbracht haben. Wer auf dem Schiff soll mir noch fremd sein?

Trotzdem fanden sich schließlich die vier Gruppen. Da wir uns innerhalb meiner Gruppe noch relativ „fremd“ waren, entstand eine völlig neue Gruppenkonstellation. Wir kannten uns gegenseitig verhältnismäßig schlecht. Deshalb fiel mir schwer, einzuschätzen, ob und wie wir als Gruppe funktionieren würden. Wir wurden sofort auf die Probe gestellt. Die Planungsphase sollte dazu dienen, ein Konzept auszuarbeiten, Campingausrüstung vorzubereiten und die Route zu planen. Wir redeten durcheinander, hörten einander schlecht zu und sprachen uns wenig ab. Statt einer konstruktiven Planung entstand bei uns vorerst eine unkoordinierte Diskussion, bei der jeder seine eigenen Vorstellungen einbringen wollte. Trotzdem konnten wir uns darauf einigen, dass wir keinen konkreten Plan für die Woche ausarbeiten, sondern uns überraschen lassen wollten.

Mit dieser Einstellung liefen wir am nächsten Tag in Richtung unseres Waypoints Norte Grande los. Da tat sich bereits das erste Problem auf. Das Lauftempo. Mal zu schnell, mal zu langsam und alle fünf Minuten auf die Hinteren wartend, kamen wir nur schlecht voran. Allerdings pendelte sich das Tempo über den Tag gut ein, sodass wir geschlossen in Norte Grande ankamen. Dort fragten wir in einer Kneipe nach einem Schlafplatz und bekamen kurzer Hand mit den Worten „No money, no money!“, einen Haustürschlüssel in die Hand gedrückt. Darüber freuten wir uns natürlich sehr, nicht nur, weil wir eine trockene, saubere und einigermaßen warme Unterkunft hatten. Vor allem waren wir sehr überrascht, wie hilfsbereit und gastfreundlich die Menschen waren. Dies hob die Stimmung enorm. Ich hatte ein bisschen das Gefühl, dass die Freundlichkeit der Einwohner auch ein wenig auf uns abfärbte.

Unsere gute Stimmung hielt auch am nächsten Morgen weiterhin an – bis zur Planungsphase. Jeder hatte eine andere Vorstellung von unserem Konzept, keinen Plan zu haben. Daher war es schwer zu entscheiden, was wir tun wollten. Nach einer langen Besprechung gingen wir schließlich nach Ponta do Norte Grande, um uns die wunderschönen Wasserbecken von Norte Grande anzuschauen. Ich schaute zu, wie die Wellen die Steine überspülten und verlor mich ein wenig in Gedanken. Nach diesem Ausflug machten wir uns motiviert und zuversichtlich auf den Weg nach Faja D‘Alem. Als wir fünf Stunden später durchnässt, müde und hungrig nach einem Platz zum Zelten suchten, war von der guten Laune vom Morgen nur noch wenig zu spüren. Zum Glück fanden wir letztendlich einen guten Platz, bauten die Zelte auf und begannen zu kochen. Essen macht glücklich, beim Kochen und Essen wurde viel gelacht, getanzt und gesungen. Der Abend war für mich ein prägendes Erlebnis, hat uns sicher viel gelehrt und als Gruppe mehr zusammenwachsen lassen, wie sich am nächsten Tag direkt zeigte. Wir fanden sofort ein gutes Gehtempo, das für alle passte und achteten auf einander. Außerdem schien es mir so, dass jeder eine Position in der Gruppe gefunden hatte. Obwohl wir niemandem eine Aufgabe zugeteilt hatten, wurde jeder zu beachtende Bereich von uns abgedeckt. So wurden wir zu einer Gruppe, die sich selbst organisieren, versorgen und verantworten konnte.

Als wir in Norte Pequeno unser Lager aufschlugen, wusste jeder, was zu tun war. Die Zelte wurden aufgebaut, währenddessen wurde gekocht und der nächste Tag geplant. Als wir mit allem fertig waren, kamen der Bürgermeister von Norte Pequeno und sein Freund zu unserem Lager und begrüßten uns mit selbstgemachtem Käse, Chilisoße und Musik. Trotzdem kamen wir (fast) rechtzeitig ins „Bett“, um am nächsten Tag unsere nächste Wanderung nach Urzelina zu schaffen. Aus der Wanderung wurde allerdings nichts, da wir die 16 Kilometer nach Urzelina vollständig von verschiedenen Pick-Ups mitgenommen wurden. Lustig war es trotzdem. Wir sangen viel, lachten und versicherten uns gegenseitig, wie cool es doch war, dass wir trampten. Da wir schon um 11 Uhr Mittags dort waren, wo wir geplant hatten, erst am Abend anzukommen, hatten wir plötzlich viel Zeit. Um 15 Uhr hatten wir bereits die Zelte aufgebaut, gegessen und ein wenig die Gegend erkundet. Deshalb beschlossen wir, früh schlafen zu gehen und am nächsten Tag eine Nachtwanderung zurück nach Velas zu machen.

So standen wir also um 2 Uhr nachts auf, bauten die Zelte in Rekordzeit ab, aßen ein schnelles Frühstück und brachen mit Stirnlampen um den Kopf auf. Nie war es so wichtig gewesen, auf einander zu achten. Wir gingen am Straßenrand in einer Reihe und niemand ließe den Vordermann aus den Augen.

Plötzlich tauchen die Lichter von Velas hinter einer Kurve aus der Dunkelheit auf, bleiben wir alle stehen und schauen auf die Thor, die im Hafen liegt und von hier oben sehr klein aussieht. Wir stehen in einer Reihe neben der Straße an einer kleinen Mauer. Ich schaue die anderen an.

Maximale Fremde.

Ich habe jede einzelne Person meiner Kleingruppe neu kennengelernt. Wir sind aus einzelnen Personen zu einer Gruppe geworden. Wir haben viel miteinander erlebt, sind auf Probleme gestoßen und haben Lösungen für sie gefunden. Jeder Einzelne in der Gruppe hat eigene Stärken und Schwächen. Und die haben wir aneinander erkannt.

Maximale Fremde.

Uns wurde auf unserer Expedition von vielen fremden Menschen geholfen. Wir waren auf einer neuen, fremden Insel. Aber wir haben uns zurechtgefunden und sie kennengelernt.

Maximale Fremde.

KUS-Ticker

Kleingruppe 2: (Melanie, Johannes, Isabella, Johannes, Luis, Linn, Laura, Lennart, Carlo, Leon)

Dienstag, 09.03.2021

Mittagsposition: Velas, São Jorge

  • 09:00: Verlassen der Thor / Start der Expi

Samstag, 13.03.2021

Mittagsposition: Velas, São Jorge

  • 06:30: Ankunft an der Thor
  • 10:00: Boarding auf der Thor