Start in unser großes Abenteuer

Es ist 05:50 Uhr. Obwohl mein Wecker erst in 10 Minuten klingelt, öffne ich die Augen und bin sofort hellwach. Heute ist es endlich soweit: der Bus nach Kiel holt uns aus ganz Deutschland ab und bringt uns in die Nähe des Anlegeplatzes der Thor in eine kleine Feriensiedlung namens Marina Wendtorf. Endlich hat das lange Warten seit der Zusage ein Ende und die Vorbereitungen für unsere große Reise können losgehen! Eigentlich bin ich sogar erstaunt, dass ich in dieser Nacht überhaupt ein Auge zubekommen habe, denn die Aufregung ist mit jedem der vergangenen Tage gestiegen und gestern Abend hat es lange gedauert, bis ich endlich einschlafen konnte.

Schnell stehe ich auf und ziehe mich an, sehe mich noch einmal in dem so vertrauten Zimmer um, das ich nun sechs Monate nicht mehr betreten werde, dann schließe ich die Tür hinter mir. Seltsam fühlt sich das an, aber es macht mir keine Angst. Ein letztes Mal frühstücke ich in unserer Küche und dann heißt es schon einmal Abschied nehmen, von meiner Mutter und meiner Schwester, die mich nicht bis zum Bus begleiten können.

Im Auto nach Nürnberg, wo ich in den Bus einsteigen werde, habe ich ein mulmiges Gefühl im Bauch. Ich freue mich riesig darauf, alle anderen KUSis wiederzusehen, ich bin super aufgeregt und gespannt auf unsere gemeinsame Zeit und trotzdem sitze ich hier im Auto und kann meine Gefühle nicht ganz einordnen. Eigentlich möchte ich einfach nur noch im Bus sitzen und den ganzen Abschied hinter mir haben, aber gleichzeitig macht mich die immer kürzer werdende Zeitspanne bis zu unserer Ankunft in Nürnberg ziemlich nervös. Am liebsten würde ich mich bewegen, ich wippe ungeduldig mit meinen Knien auf und ab.

Und schließlich sind wir da. Sofort renne ich aus dem Auto, der Bus steht schon da und alle KUSis, die bis jetzt schon da sind, stehen außen und unterhalten und begrüßen sich. Ich erinnere mich an den Probetörn, ein ähnliches Treffen, bei dem wir uns alle noch gar nicht kannten. Heute kennen sich die meisten schon und wir umarmen uns wie alte Freunde, obwohl der Probetörn erst viereinhalb Monate her ist.

Schließlich heißt es auch hier für alle kurz Abschied nehmen von den Eltern und Geschwistern, auch wenn sich die meisten bei der Abschiedszeremonie in ein paar Tagen noch einmal sehen werden. Die traurige Abschiedsstimmung in der Luft mischt sich mit der Aufregung und der Vorfreude. Ich weiß nicht so recht, ob ich lachen oder weinen soll und glaube, vielen anderen geht es genauso. Als der Bus dann losfährt, habe ich das Gefühl, dass die ganze Anspannung, die sich in den letzten Tagen angesammelt hat, endlich von meinen Schultern fällt. Was ich zuhause vergessen habe, kann ich jetzt sowieso nicht mehr ändern, der Abschied liegt schon fast hinter mir und ich kann jetzt einfach im Bus sitzen und mich mit den anderen unterhalten. In dieser Gruppe fühle ich mich sofort wohl und nach der anfangs noch etwas bedrückten Stimmung fangen wir alle an, uns über die Zeit auf der Thor zu unterhalten und ganz viele Pläne zu schmieden. Ich kann es irgendwie immer noch nicht ganz glauben, dass dieser große Traum jetzt endlich Realität werden soll. Jemand macht eine Musikbox an und durch den ganzen Bus schallt auf einmal Musik und wir fangen an zu singen, Gilda schreibt Gruselgeschichten aus dem Internet ab, um diese später auf den Inseln mit einer Taschenlampe vorzulesen und die ersten fangen an, Tagebuch zu schreiben. Nach und nach steigen immer mehr Leute dazu und der Bus füllt sich Stück für Stück. Trotzdem ist die Fahrt ziemlich lang und wir vertreiben uns die Zeit damit, Musik zu hören, uns gegenseitig vorzulesen und Armbänder zu knüpfen. Irgendwann bekommen wir eine Sprachnachricht von unserer Stammbesatzung: „Wir warten hier auf euch und freuen uns, euch kennenzulernen!“ Zum ersten Mal hören wir persönlich von all den Leuten, mit denen wir ein halbes Jahr auf der Thor verbringen werden. Und ein paar Stunden später können wir sie endlich richtig kennenlernen.

Als unser Bus um halb sieben in Marina Wendtorf ankommt, stehen alle außen und begrüßen uns. Judith und Ruth, die wir schon kennen, umarmen uns zur Begrüßung. Die Fahrt war zwar lang, aber es hat sich definitiv gelohnt! Die Thor liegt nur eine kleine Fahrradtour entfernt und bis zu unserem endgültigen Aufbruch sind es auch nur noch vier Tage. Ich denke, ich kann für uns alle sprechen, wenn ich sage, dass wir es kaum noch abwarten können, endlich die Segel zu setzen und uns auf unsere große Reise zu begeben! Vorher gibt es aber noch jede Menge zu tun – dafür ist die Werftzeit schließlich da. Vor uns liegen ein paar Tage voller Informationen, Arbeit, Backschaft und Liederproben fürs Auslaufen. Und danach kann es endlich losgehen!