Unter Schülerkommando in die Karibik
Wenn man mir vor einem halben Jahr gesagt hätte, dass ich auf einem Schiff sein werde, welches zeitweise (fast) nur von Schülern gefahren wird, dann hätte ich diese Person für verrückt erklärt – doch genau das ist der Fall, bei einer sogenannten Schiffsübergabe.
Aber jetzt von Anfang an, ich erkläre erst einmal, was bei einer solchen Schiffsübergabe passiert. Auf unserer Reise gibt es drei Übergaben, mit je unterschiedlichen Schwerpunkten, wobei nun die erste stattfand. Bei den Schiffsübergaben werden die Positionen der Stammmitglieder von Schülern besetzt. So wird während dieser Zeit die Stelle des Kapitäns, der Steuerleute, des Bootsmanns, des Maschinisten, der Proviantmeister, der Wachführer und Copiloten von Schülern übernommen. Um eine dieser Aufgaben zu übernehmen, musste man sich im Vorhinein bei der Schiffsleitung schriftlich bewerben, die danach zu entscheiden hatte, wer dafür geeignet ist.
Da jetzt geklärt ist, was im Allgemeinen bei einer Schiffsübergabe passiert, zurück zu dem, was sich bei uns abgespielt hat. Nachdem am Dienstag nachmittags die Verteilung der Stellen verkündet wurde und die Schiffsübergabe begonnen hatte, wurde direkt gehalst, um den neuen Kurs der Schülerschiffsleitung zu fahren. Am nächsten Morgen wimmelte es nur so von Schülern in ungewohnten Arbeitsbereichen, die ihren Aufgaben nachgingen. So baute beispielsweise die Schülerbootsfrau Milla den Pool ab und schlug die Baumfock an. Die Schülerprojektleitung, die aus Johanna und Lennart bestand, erstellte Pläne für die nächste Etappe, wie den Backschaftsplan, die neue Wachzusammenstellung und die zukünftige Kammerbelegung. Die Schülerwachführer Johannes K., Jan, Tessa und Alma setzten und bargen gemeinsam mit ihren Wachen Segel und der Schülermaschinist Xaver kümmerte sich um die Wartung der Maschinen an Bord. Dann gab es noch die nautische Schiffsleitung, die sich aus Carla, der Kapitänin, Paulina und mir, den Steuerleuten, zusammensetzte. Unsere Aufgaben waren zum Beispiel, den richtigen Kurs zu unserem Ziel zu ermitteln und diesen mithilfe der richtigen Segelstellung zu fahren. Auch suchten wir den Ankerplatz aus und bereiteten den Funkspruch für unseren Lotsen vor. Diese Aufgaben forderten uns von Anfang an, aber mit der Zeit gewöhnte man sich immer mehr an diese besondere Verantwortung und fühlte sich wohl damit. Jedoch wurden nicht alle von uns Inhaber einer Stelle des Stammes und demzufolge lief der Tag für viele „normal“ als Deckshand ab. Also so normal, wie ein Tag auf der Thor nur sein kann. Es wurde wie immer Reinschiff gemacht, die Wachmitglieder gingen ihre Wachen und die Backschaft kochte in der Kombüse. So arbeiteten alle fleißig, um unser Schiff langsam aber sicher in Richtung Karibik zu bringen.
Als der Abend hereinbrach, wurde zum Abendessen geklingelt, zu dem es das leckere Essen gab, das eigens von unseren jugendlichen Proviantmeistern Liv und Johannes L. ausgewählt und von unserer Backschaft gekocht wurde. Es gab sogar noch Mikas Mousse au Chocolat, was Begeisterung von allen Seiten zur Folge hatte. Die Stimmung war eine Mischung aus Melancholie und Vorfreude, denn es war unser letzter Abend auf dem Atlantik und alle fanden es unglaublich, wie schnell diese Atlantiketappe vorüber gegangen ist. Wir wären gerne noch etwas länger in unserer eigenen kleinen Welt geblieben, die hauptsächlich aus Unterricht, Wache, Reinschiff, im Pool baden und in der Sonne liegen bestanden hatte. Doch letztendlich überwog die Vorfreude, denn wir waren kurz davor, in der Karibik anzukommen und endlich im „großen Pool“, dem Atlantik, zu baden.
In der Nacht war es schließlich soweit – Land in Sicht! Nach kleineren Schwierigkeiten in der Ansteuerung kamen wir am frühen Morgen bei den Grenadinen an und die jugendliche Schiffsleitung manövrierte uns mithilfe des Lotsen (unserem Kapitän Christian) zu unserem Ankerplatz. Danach fiel der Anker und es war so weit: wir waren wirklich in der Karibik! Um die beeindruckende Tatsache zu feiern, dass wir den Atlantik erfolgreich überquert haben und angekommen sind, stießen wir mit fruchtigen Getränken an und genossen den Sonnenaufgang. Anschließend frühstückten wir auf dem Hauptdeck und bereiteten kurz darauf das Schiff vor, um es wieder an die ursprüngliche Besatzung zu übergeben. Deshalb packten wir den Vormittag über die Segel hafenfein und putzten gründlich. Als all das abgeschlossen war, kam der Moment, auf den wir uns seit Tag 1 der Reise gefreut hatten. Wir stellten uns am Schanzkleid des Schiffes auf, und dann wurde heruntergezählt: 3…2…1… und springen! Wir sprangen alle gleichzeitig in das Meer, dass uns drei Wochen lang ununterbrochen umgeben hatte. Den restlichen Nachmittag verbrachten wir am Strand von Palm Island, wo wir ankerten. Es war unvorstellbar schön, aber auch unwirklich. Man hatte fast schon das Gefühl, man wäre in einer Postkarte. Der Tag endete damit, dass das Schiff wieder übergeben wurde, aber diesmal von unserer Schülerkapitänin Carla an Christian.
Für mich war meine Zeit als Teil der nautischen Schiffsleitung sehr lehrreich und vielfältig, denn ich lernte nicht nur mit viel Verantwortung umzugehen, sondern auch auf nautischer Ebene zu planen, zusammen mit anderen Schülern effektiv zu arbeiten und klare Entscheidungen zu treffen. Ich denke, dass ich diese Fähigkeiten mitnehmen und in Zukunft sehr von ihnen profitieren werde. Mit der Übergabe von Carla an Christian endete so nicht nur die Schiffsübergabe, bei der wir viel gelernt haben, sondern auch der erste Tag in der Karibik, wo wir von neuen Eindrücken nur so überströmt wurden.
Jedoch egal wie schön diese Zeit der Schiffsübergabe auch war, sie ging langsam zur Neige. Ich selbst fand die Stimmung währenddessen sehr toll und spannend, denn es war irgendwie eine andere Art der Zusammenarbeit, als wenn ein Erwachsener das Kommando hat. Alle haben an einem Strang gezogen, teilweise ihre Nächte verkürzt und ihre Freizeit dafür geopfert, damit wir als Gruppe die Schiffsübergabe erfolgreich beenden konnten. So haben wir das Schiff gemeinsam in die Karibik gebracht und können nun unseren Aufenthalt hier genießen!
KUS-Ticker
Mittwoch, 14.12.2022
Mittagsposition: 12°37,2‘N; 060°14,0‘W
Etmal: 111,7 sm
Wetter: sonnig; Temperatur: Luft 28,5°C, Wasser 27,5°C; Wind: E 4
- 09:00 Uhr Vorstellung des Tagesplans von der Schülerkapitänin Carla
- 14:50 Uhr Weihnachtliche Plätzchen von Uli und Yvonne (lebendiger Adventskalender)
Donnerstag, 15.12.2022
Mittagsposition: 12°35,3‘N; 061°24,2’W
Etmal: 79,4 sm
Wetter: sonnig; Temperatur: Luft 30,5°C, Wasser 28,5°C; Wind: E 2-3
- 07:40 Uhr Anker fallen lassen
- 09:30 Uhr Großreinschiff und Segelpacken
- 15:00 Uhr Schwimmen vom Schiff nach Palm Island
- 17:50 Uhr Schiffsrückgabe
- 20:00 Uhr Beginn weihnachtliche Version des Mörderspiels (lebendiger Adventskalender)