Havanna – ein Blick mitten ins Leben
Mein erster Gedanke, als wir durch die Straßen Havannas fahren: Ich reise in der Zeit zurück! Wir fahren an riesigen, herrschaftlichen Gebäuden aus der spanischen Kolonialzeit vorbei, in denen früher einmal spanische Eroberer und später auch Amerikaner bis zur Enteignung durch Fidel Castro und Che Guevera gelebt haben. Überall auf dem „Plaza de la Revoluciόn“ stehen bzw. fahren Oldtimer und ich fühle mich in die 50er Jahre versetzt. An den Gebäuden des Gesundheitsamtes und Innenministeriums sind die Gesichter von Che Guevera und Camilo Cienfuegos abgebildet.
Überall sind Menschen, die einen mit moderneren Motorrädern, andere in älteren Autos oder in Pferdekutschen transportieren. Und da fährt auf einem Fahrrad ein Vater mit seiner kleinen Tochter, die auf dem Lenker sitzt und mir freundlich zuwinkt, über die vielbefahrene Kreuzung. Ein Bus, der mit schwarzem Ruß bedeckt und aus den 60er Jahren ist, hält an, um uns über die Straße zu lassen. Ich sehe Schulkinder, die uns alle interessiert mustern. Was sie wohl über uns denken? Sieht man uns sehr an, dass wir nicht von hier sind? Ich frage mich, wie ihr Alltag aussehen mag.
Wir fahren weiter zu unserem Hotel, das im Ortsteil Vedado liegt und tauchen in eine Welt mit kleinem Luxus ein, von dem manche Kubaner nur träumen können. Fließendes Wasser, Seife, Klimaanlagen und Moderne. Während unserer Freizeit dürfen wir in 5er-Gruppen „La Habana“ erkunden. „La ciudad vieja“ – die Altstadt Havannas – trotzt nur so von extremen Gegensätzen. Die einen Straßen sind modern, schick renoviert und Touristen tummeln sich in den Straßen und bummeln vom einem zum anderen Laden mit Souvenirs aus Havanna. Auf dem Markt bieten Kubaner ihr farbenfrohes Kunsthandwerk wie z. B. Gemälde, Figuren aus Holz oder getöpferte Tassen an. Wir biegen um die Ecke; diese Straße hat tiefe Löcher und in der Straßenrinne fließt dreckiges Wasser. An einigen Häusern bröckelt die Fassade ab und in einem Hauseingang sitzt ein älterer Mann mit einer Zigarre im Mund und nickt uns zu.
Wir passieren eine lange Warteschlange vor einem Lebensmittelladen, der etwas in die Jahre gekommen ist. Die Leute stehen oder sitzen zum Teil und ein Mann spielt Gitarre um die Wartezeit zu überbrücken und die Menschen bei Laune zu halten. Die Lebensmittel sind begrenzt und es war schon schwer Läden zu finden, die genug Wasser für unsere Fahrradtour hatten. Weiter geht’s an einer Apotheke vorbei – die Vitrinen sind leer – nur in einer stehen ein paar Medizinfläschchen. Der Bäcker, an dem wir vorbeikommen, hat ebenfalls fast leere Theken und ich bin irgendwie geschockt. Wir leben in schicken und modernen Hotels und müssen uns keine Sorgen machen. Die Menschen hier leben mit begrenzten Mitteln. Sind wir nicht manchmal einfach zu verschwenderisch und schätzen das, was wir haben, nicht genug wert?
Eine Frau, die uns hilft, für den Abschlussabend in Havanna einige Dinge einzukaufen, erzählt mir, wie schwierig es manchmal ist, an gewisse Lebensmittel zu kommen und nur wer eine Lebensmittelkarte vorweisen kann, bekommt von den staatlich subventionierten Lebensmitteln. Aber sie erzählt uns auch, warum sie Kuba so liebt: „La gente es como una grande familia aquí.“ – „Die Menschen sind wie eine große Familie hier.“ Alle sind sehr hilfsbereit und offen; schreiben Solidarität groß. Auch die Kultur und Geschichte hält die Gemeinschaft zusammen: Tanz und Musik sieht bzw. hört man fast an jeder Straßenecke und der Sieg über die Revolution, Nationalhelden wie Fidel Castro oder Che Guevera vereinen das Volk. Ich bin beeindruckt vom kubanischen Volk – trotz vieler Einschränkungen sind sie so lebensfroh!
Havanna – eine große Stadt, in der fast ein Viertel der Einwohner Kubas leben – ist wirklich reich an Kultur und Geschichte. In der Altstadt kommen wir an großen, imposanten Gebäuden vorbei, wie z. B. dem „Capitolio“ oder dem „Gran Hotel Manzana“. Wenn wir durch die Straßen laufen, wird jeder Schritt von Musik begleitet und die Menschen grüßen uns nett. Und überall treffen wir auf Spuren berühmter Persönlichkeiten, wie z. B. in der Bar bzw. dem Restaurant „Floridita“, in dem Ernest Hemingway Stammgast war. Ich laufe die Treppe hoch, die zum Haus von Ernest Hemingway führt und schaue gespannt durchs Fenster ins Arbeitszimmer – ein komisches Gefühl. Hier saß bis 1961 Ernest am Schreibtisch und schrieb seine Geschichten, für die er so berühmt ist.
Auf dem Weg zur Marina Hemingway, in der unser Zuhause – die Thor – schon auf uns wartet, kommen wir noch an so vielen schönen Häusern vorbei, sehen die letzten Pferdekutschen und Oldtimer und ich versuche, mir alles so gut wie möglich einzuprägen. Ob wir das alles wiedersehen werden?