Frohe Ostern!

Als ich morgens geweckt werde, realisiere ich überrascht und ziemlich happy, dass ja heute Ostersonntag ist! Beim Frühstück werde ich mit „Frohe Ostern!“ begrüßt und muss lächeln. In der Messe hängen überall selbst gebastelte Osterhasen an der Wand und auf unserem Tisch steht eine mit buntem Wachs kunstvoll verzierte Kerze. Am Frühstückstisch herrscht richtige Feiertagsstimmung und unterstrichen wird das Ganze durch das heutige leckere Seemannssonntagsfrühstück. Nach dem Essen habe ich noch kurz Zeit, bevor ich mich meinen Aufgaben als Bootsfrau bei der Schiffsübergabe widme, die ich nun seit der Schiffsübergabe bin. Und ich verfalle in meine Gedanken. Ich muss an die vielen Osterfeste denken, die ich mit meiner Cousine in Italien gefeiert und an die Ostertage, die ich zu Hause mit meiner Familie verbracht habe. Hätte ich mir damals jemals vorstellen können, dass ich Ostern eines Tages auf der Thor mitten im englischen Kanal feiern würde? Mit so vielen neuen Freunden? Ich glaube nicht.

Die Erinnerungen von früher machen mich glücklich und ich beginne motiviert mit der Arbeit. Kurz darauf kommt Miri auch dazu und wir lernen von Julius, wie man Risse in Segeln näht. Das Großsegel hat mehrere davon und darum wollen wir uns kümmern. Und heute ist während der Schiffsübergabe der einzig mögliche Tag dafür.  Schon kann es losgehen und gemeinsam fangen wir an, die Risse zu flicken. Währenddessen werden in der Messe Eier bemalt und später als Deko an langen Fäden aufgehangen. Da klingelt es zum Mittagessen und alle versammeln sich unter Deck: Der Osterhase ist gekommen und versteckt nun die selbst gemachten Osternester. Für jeden ein persönliches. Wenige Momente des Wartens später kann es losgehen und alle machen sich auf die Suche. Immer wieder höre ich: „Ha, ich hab meins gefunden!“ oder „Das kann doch gar nicht sein, so groß ist das Schiff doch gar nicht!?“ oder „Oh, dein Nest habe ich schon gesehen, das ist ganz woanders…“ Auch ich brauche ganz schön lange. Und dann finde ich mein Ostergeschenk – es ist so gut versteckt, dass ich nur mit Hilfe einer Räuberleiter herankomme.

Die Zeit vergeht schnell und schon bald gibt es einen richtigen Oster-Kaffee. Wir treffen uns alle zusammen auf dem Achterdeck und sind dick in Ölzeug eingepackt, denn trotz der strahlenden Sonne ist es ganz schön kalt. Und das stärkste Gefühl von Ostern spüre ich heute, als ich dort gemeinsam mit der Theatergruppe unser selbst geschriebenes Oster-Theaterstück aufführe. Ich habe richtig viel Spaß dabei, die Geschichte vom seekranken Osterhasen, der sich auf die Thor verirrt hat, vorzutragen und gut gelaunt widmen wir uns nach dem Applaus der Backschaft, die uns ihre selbst gebackenen Hefe-Osterhasen präsentiert. Dazu gibt es ein ganzes Drei-Kilo-Nutellaglas und Marmeladen. Alle sitzen zusammen, reden über ihr Ostern zu Hause, essen, genießen einfach die Stimmung oder lachen über viel zu große Nutella-Portionen. Trotz der kalten Luft ist mir richtig warm.

Nach den Feierlichkeiten warten noch der ein oder andere Riss auf uns und Miri und ich machen uns wieder ans Werk. Bald ist es geschafft!

Ich habe den ganzen Tag über ein merkwürdiges Gefühl, das ich immer spüre, wenn wir hier auf der Thor große Feiertage feiern. Denn einerseits sind die Feiertage ähnlich zu denen bei uns zu Hause. An Weihnachten wurden Weihnachtslieder gesungen und Geschenke ausgepackt. Oder an Silvester: Da haben wir Dinner for One angeschaut und um Mitternacht wurde angestoßen und von überall her ein frohes Neues Jahr gewünscht. Wie immer eigentlich. Auch heute denke ich an zu Hause. Das Eierbemalen, die Ostersuche und unser Ostertheaterstück erinnern mich an Deutschland.

Und andererseits ist es so völlig anders. Auf diese Weise anders, wie es sich nur schwer beschreiben lässt. Wir feiern in so großer Runde, mit Menschen, die ich erst so kurz kenne und doch fühlt es sich wie Familie an, die man schon ewig kennt. Ich realisiere dann immer, dass ich im Moment genau hier – hier auf der Thor bin, genieße die besondere Stimmung und verfalle gleichzeitig in Gedanken zurück an die Feste zu Hause. Und wie es dort immer war. Und genau so ist es auch heute.

Pünktlich, als es zum Abendessen klingelt, sind Miri und ich fertig mit Nähen und das Großsegel kann jetzt wieder gesetzt werden. Ein cooles Gefühl! Nach der Arbeit in der Kälte draußen den ganzen Tag über kann ich es kaum erwarten, mich zu den anderen zum Essen zu gesellen und den Osterabend gemütlich ausklingen zu lassen. Es gibt Schweinebraten mit Blaukraut und Kartoffelbrei – ein richtiges Festtagsessen! Die Backschaft hat sich ins Zeug gelegt! Den Abend verbringe ich mit Lesen und Spiele spielen und genieße ihn sehr. Müde von meinen Bootsmannsarbeiten und mit einem zufriedenen Gefühl im Bauch schlafe ich mit so vielen neuen Erinnerung an mein allererstes Ostern auf See ein.

KUS-Ticker

Sonntag, 09.04.23

Mittagsposition: 50°05,2‘N; 001°08,4’W
Etmal: 104,5 sm
Wetter: teils bewölkt; Temperatur: Luft 10,5°C, Wasser 10°C; Wind: ESE 3

  • 10:00-12:00 Uhr Ostereier bemalen
  • 12:30-14:00 Uhr Osternester suchen
  • 14:30 Uhr Osterkaffee
  • 18:00 Uhr Festliches Abendessen zum Ostersonntag

Montag, 10.04.23

Mittagsposition: 51°12,2‘N; 002°00,5‘E
Etmal: 146 sm
Wetter: stark bewölkt; Temperatur: Luft 11°C, Wasser 9,5°C; Wind: SW 5

  • 10:00-11:30 Uhr Projektetreffen