Ein Mal, fünf Mal, acht Mal, zehn Mal, 15-Mal, 18-Mal …

„Nach 20-mal habe ich aufgehört zu zählen!“ Dieser Satz wurde am Donnerstag von einigen der diesjährigen Mitglieder der KUS-Familie benutzt, um ihr mehrfaches Leiden auszudrücken.

Doch alles fing mit der Vorfreude an. Nach dem dreitägigen Warten auf gute Wetterverhältnisse und Nutzen der Möglichkeit an Bord Sicherheitsübungen durchzuführen, die höchsten Punkte unser Thor zu besteigen und unsere gemeinsame Zeit an Bord zu genießen, wollten jedoch alle unsere Reise fortführen. „Ich freue mich auf den Seegang!“ „Ich möchte unbedingt auf die Nordsee!“, „Wäre Segelpacken mit Seegang nicht super toll?!“, „Ich will, dass es jetzt endlich losgeht!“. Nach einer kurzen Rede unseres Kapitäns Detlef am Nachmittag steht es fest: heute Nacht geht es weiter – weiter in die sogenannte „Mordsee“. Um null Uhr weckt mich eine begeisterte Stimme: „Ilka! Aufwachen! Es geht endlich los!“ Eigentlich war ich aber schon wach, weil ich in der Wache von 20:00 bis 23:00 eingetragen war. 00:30, die Klingel läutet, lang, kurz, lang: Signal K, bzw. all hands on deck. Wenige Minuten später stehen alle im Ölzeug bereit an Deck. Dann heißt es: Leinen los und weiter geht’s! Nach ca. drei Stunden ist das Manöver Auslaufen erledigt und alle außer die Wache 2 können weiterschlafen. Drei Stunden später werde ich von Emilia geweckt, die mir das Wetter erklärt und mich motiviert aufzustehen, um meine nächste Wache anzutreten. Erst jetzt bemerke ich es: Alles bewegt sich! Ich setzte mich aufs Hochbett und genieße den Moment zutiefst. Ich spüre jede einzelne Welle und ziehe mich schnell an. Dies ist jedoch bei dem Schwanken nicht so leicht und bevor ich die obere Etage erreicht habe, falle ich ein paar Mal gegen die Wände. Nach einem eigentlich kurzen, aber schweren Weg erreiche ich das Deck. Ich sehe, wie die Sonne auf das Meer scheint und die glitzernden Schaumkronen der Wellen erscheinen und wieder verschwinden. Wortwörtlich „überrollt“ mich eine Welle der Begeisterung, denn nach nur ein paar Sekunden ohne Gummistiefel an Deck, sind meine Füße schon nass. Beim Frühstück erreichen mich schon die ersten Nachrichten…Die ersten Seekranken! Bei meiner Wache stehe ich im Ausguck und muss leider beobachten, wie jedes Mal mehr Menschen an Deck gerannt kommen, um ihr „Gefühl“ dem Meer und den Fischen zu überlassen. Nach nicht besonders langer Zeit kommt das gesamte Bild zum Vorschein: Alle sind seekrank! ¾ der Mannschaft hängt über der Reling! Am Ende lag der Rekord der „Fischfütterungen“ bei 31 Mal in 24 Stunden!

Vereinzelte KUSis, wozu ich zum Glück gehörte, übernahmen die Sicherheitsrunden, die für mich auch sehr unangenehmen Maschinenrunden (aufgrund der Hitze und der Schwankungen), die Backschaft und insbesondere die Versorgung der Betroffenen. Trotzdem ist die Stimmung nach wie vor sehr gut und irgendwie ist alles auch ein bisschen lustig und skurril. „Hier hat man wieder bemerkt, wie toll unsere Gruppengemeinschaft schon ist. Jeder packt an, wo er kann und sogar die Leute, denen es schlecht geht, versuchen anderen zu helfen.“(Sophie)

An diesem Tag haben wir gelernt, dass Schlaf eigentlich die beste Medizin gegen Seekrankheit ist. Doch der Weg zum Bett ist für einen Seekranken lang und immer mehr gefüllte Tüten wurden von den Kammern an Deck gebracht. Obwohl es der absoluten Mehrheit sehr, sehr schlecht ging, wollte keiner nach Hause oder bereute das Antreten dieser Reise. Nach 24 Stunden war die beschriebene Höllenfahrt vorbei und die witzigen Geschichten fingen an.

Da alle Seekranken sich den ganzen Tag nur von Zwieback und Salzstangen ernährt haben, die dann aber nach wenigen Minuten wieder im Meer oder in einer Tüte landeten, hatten am Abend, im sicheren Hafen, alle riesigen Kohldampf. Um drei Uhr nachts hat man sich in der Messe getroffen und gierig die übriggebliebenen Reste der letzten Tage verschlungen. Die Geschichten und Diskussionen waren als Außenstehender sehr amüsant. Was kotzt sich am besten? Wie fühlt sich das an? Was hört sich wie an? Wo ist der beste Platz? Für mich war es ein sehr toller Abschluss des Tages. Ich freute mich für alle, die zuvor völlig verzweifelt und am Ende waren, wieder fröhlich und munter zu sehen.

Über die verschiedenen Phasen der Seekrankheit hat Leslie sogar eine Liste für einen kulturellen Beitrag am nächsten Tag geschrieben, die ich hier nochmal auflisten möchte.

Die 10 Phasen der Seekrankheit

  1. Manifestieren, dass man gar nicht seekrank wird: Monatelange Vorbereitung inklusive Einreden, dass man gegen Seekrankheit immun ist.
  2. Den Seegang bemerken und cool finden: Sich vorstellen, was alles bei dem Geschaukel noch viel lustiger sein könnte.
  3. Ein leicht schummriges Gefühl bemerken: Es ignorieren und sich nichts dabei denken.
  4. Ein eindeutiges Gefühl bemerken, es aber leugnen: ICH werde NICHT seekrank!
  5. Sich eingestehen, dass man seekrank ist, allerdings seekrank ohne kotzen: „Okay, ich bin doch seekrank, aber mir ist nur schwindelig, ich muss noch lange nicht kotzen!“
  6. Eindeutige Übelkeit und Kotzreiz: Panik bekommen, überdenken seiner Lebensentscheidungen.
  7. Unmittelbar vorm Kotzen: Unsicheres, erstes Mal an die Reling gehen.
  8. Das Kotzen: Anders als zuhause oder bei Magen-Darm, variiert je nach zuvor eingenommener Mahlzeit.
  9. Die unglaubliche Befreiung direkt nach dem Kotzen: Eindeutige Hochgefühle, das Leben ergibt wieder einen Sinn.
  10. Schritte 6-10 wiederholen sich beliebig oft: Der Rhythmus kann aber je nach Person in Länge und Intensivität variieren.

Dieses Abendessen war das Witzigste auf der bisherigen KUS-Reise, da fast alle diese Momente nachvollziehen konnten oder beobachtet hatten.
An alle Seekranken da draußen: KOTZT IMMER NACH LEE (windabgewandte Seite des Schiffes)!

KUS-Ticker

Donnerstag, 12.10.2023

Mittagsposition: Seglerdalben Brunsbüttel
Etmal: 0 sm

  • Geburtstag von Kolja
  • 00:30 Uhr Signal „K“
  • Auslaufen aus Brunsbüttel

Freitag, 13.10.2023

Mittagsposition: 53°33,8‘N; 006°45,0‘E
Etmal: 130 sm
Wetter: Lufttemperatur: 10°C, Wassertemperatur: 13,5°C, Wind: NNW 7

  • 01:30 Uhr: Ankunft auf Borkum