Gruppe 2: Die Pfannenwender
Wache, Kammern, Unterricht, Projekte, Landgangsgruppen, Kleingruppenexpi auf Dominica und so vieles mehr. Aber trotzdem hat man nach 5 Monaten auf 50 m mit ein paar andern KUSis außergewöhnlich wenig gemacht.
Aber dafür hat das KUS-Projekt eine Gegenmaßnahme. Die mehrtägige Kleingruppenexpi auf den Azoren mit: DEM PRINZIP DER MAXIMALEN FREMDE. Vier Tage mit den Leuten verbringen, mit denen man bisher am wenigsten gemacht hat, auf einer Azoren-Insel. Drei Nächte in Zelten schlafen, Proviant mitnehmen und auf Gaskochern Essen vorbereiten, die Route selbst bestimmen und sich auf neue Situationen einlassen. Mit den Personen, mit denen man am wenigsten gemacht hat – diese Aussage ist natürlich relativ, immerhin hat man in den fünf Monaten so einiges erlebt und man kennt in der eigenen Gruppe manche mehr bzw. weniger gut. Am Sonntag haben wir die Gruppen nach diesem Prinzip eingeteilt: Drei Gruppen – eine auf Faial und zwei andere auf der Nachbarinsel Pico.
Meine Expi-Gruppe war auf der Insel Pico unterwegs. Insgesamt waren wir zu dreizehnt: Anna, Amelie R., Martha, Karla, Sina, Amrey, Korbinian, Kolja, Jaron Felix und ich (Toni). Vom Stamm haben uns noch Lukas B. und Noah begleitet. Vier Tage sind wir durch das azorianische Hochland gewandert und haben in der freien Wildnis und in Sao Roque übernachtet.
Aber bevor es losging, war eine Menge zu tun. Das Material – z.B. Zelte, Gaskocher, eine Plane, Gefäße, drei Pfannenwender und mehr – wurde auf die Rucksäcke verteilt. Amrey, Amelie R. und ich haben die Proviantliste erstellt. In Reiseführern und auf Karten wurde der Waypoint Calheta de Nesquim ausfindig gemacht und eine Route festgelegt. Morgens haben wir noch auf der Thor gefrühstückt und um 8 Uhr ging es los.
Die Treckingrucksäcke waren ordentlich voll und nach einem letzten Blick auf die Thor ging es zum Fährhafen. Mit der Fähre sind wir von Horta (Faial) nach Madalena (Pico) gefahren. Wir kamen genau rechtzeitig an, um den Bus zu erwischen, der uns zu unserem Waypoint brachte. 1 3/4h später waren wir angekommen. Calheta de Nesquim war ein eher kleines Dörfchen an der Süd-Ost Küste von Pico. Nach einem Mittagessen wurden die Pfannenwender in einem Hexenkessel an der Küste eingeweiht. Nach einer kurzen Besprechung haben wir uns doch gegen den gestrigen Plan die Insel an der Südküste zurückzuwandern entschieden und sind los gegangen in Richtung Norden. Unser Ziel: Sao Roque auf der anderen Seite von Pico. Es ging hoch und immer höher. Wir ließen die weißen Häuser von Calheta de Nesquim zurück und waren nun in einer komplett grünen hügeligen Landschaft. Durch kleine Wanderwege ging es immer höher. Unser heutiges Ziel war ein kleiner See in 550 m Höhe, mitten in der Wildnis. Nach circa der Hälfte des Weges wurde es neblig und wir wanderten immer weiter in die Wolken hinein. Die Straße führte wortwörtlich ins nichts. An einer Wasserstelle gab es eine Kekspause und trotz der immer schlechter werdenden Sicht und des Wetters war die Stimmung super. Neu dazu waren jetzt noch ein paar Wanderstöcke aus Bambus gekommen. Gegen halb sechs waren wir dann am Ziel und mussten leider feststellen, dass der eingezeichnete „See“ kein See, sondern ein Trinkwasserspeicher war und von einem Hochsicherheitszaun umgeben war. Also haben wir uns auf die Suche nach einem geeigneten Schlafplatz gemacht und sind auch fündig geworden. Eine kleine Schlucht mit grüner Wiese und rotem Gestein. Mittlerweile hatte es angefangen zu regnen. Erst ganz leicht und irgendwann dann richtig stark. In diesem strömenden Regen haben wir dann die Zelte aufgebaut. Die Heringe allein konnten das Zelt nicht auf dem Boden halten, also haben wir zur Befestigung Felsbrocken genommen. Und endlich standen die ersten zwei Zelte und die Leute, die komplett durchnässt und durchgefroren waren, gingen in die Zelte. Als alle Zelte standen und auch alle einigermaßen trocken und in den Schlafsäcken lagen, waren wir alle sehr erleichtert. Natürlich hatte es genau in diesem Moment aufgehört zu regnen, was für eine Frechheit. In einem Zelt wurden Nudeln gekocht mit Pesto und in Töpfen auf die anderen Zelte verteilt. Das waren unserer Meinung nach die besten Nudeln, die wir je gegessen haben. Abends wurde noch Wizard gespielt und Lukas B. hat vorgelesen. Schlussendlich sind nach diesem anstrengenden Tag alle sofort eingeschlafen.
Vogelgezwitscher, Sonnenstrahlen, die durch die Plane schienen, und ansonsten komplette Ruhe – so etwas gab es seit Langem nicht mehr für uns auf der Thor. Draußen war es trocken und der Himmel war blau. Das angekündigte Hochdruckgebiet war ein Tag verspätet endlich da. Die Sachen wurden aufgehängt und auf den Gaskochern wurde Porridge gemacht. Schoko-Banane, Orange, Zimt oder Schokoladengeschmack. Nachdem alles aufgegessen und abgewaschen war, die Rucksäcke gepackt und die Zelte abgebaut, ging es los. Einfach in Richtung Westen und soweit wie möglich kommen, das war unser Plan. In dem Sonnenlicht sah alles ganz anders aus. Riesige grüne Hügel mit teilweise grünen Wäldern, das Meer auf der einen Seite und auf der andern die Insel Sao Jorge. Es erschien unwirklich und sah aus wie die schottischen Highlands. An einem Trog füllten wir unsere Wasserrationen auf und genossen die Aussicht. Kilometer um Kilometer flog dahin und es ging immer noch höher. Mittags aßen wir auf einer Kuhweide und Kolja kletterte auf einen Vulkankrater, um eine noch bessere Aussicht zu bekommen. Als wir dann aufbrachen, fuhr nach kurzer Zeit ein Bauer mit seinem Pickup an uns vorbei. Problem nur: er konnte nur portugiesisch. Mit unserem kleinen bisschen portugiesisch und Händen und Füßen verständigten wir uns und er nahm uns mit. Das war sehr beeindruckend, wie wir da auf der Ladefläche saßen und die Landschaft so an uns vorbeigerauscht ist. Der restliche Nachmittag verlief entspannt und Lukas B. füllte bei ein paar von uns eine Bildungslücke, indem wir Pumuckl anhörten. Die Schlafplatzsuche verlief dieses Mal deutlich geplanter und auch das Zeltaufbauen klappte deutlich organisierter. Schlussendlich standen die Zelte auf einer flachen Stelle von einer Kuhweide, irgendwo im nirgendwo. Was wir ein bisschen unterschätzt hatten war, dass es auf 1000 m Höhe ziemlich kalt war, vor allem durch den Wind. Aber indem man einfach alles angezogen hatte, was man dabei hatte, war es dann doch ganz erträglich. Unter der auf gespannten Plane kochten wir dann Gemüse-Polenta. Zum Nachtisch gab es Kinderriegel und Kekse. Wir setzten uns dann alle in zwei Zelte, redeten und es wurde wieder vorgelesen und wir sind schlussendlich dick eingekuschelt in unseren Schlafsäcke eingeschlafen.
Ja, auf 1000 m ist es ziemlich kalt und bei Nacht noch umso mehr. Man wollte gar nicht aus dem Schlafsack raus. Der Himmel war zwar nicht mehr so klar wie am Tag zuvor, aber die Aussicht war grandios. Man sah die ganze Insel Sao Jorge, der naheliegende See glitzerte im Sonnenlicht und rundherum waren grüne Hügel. Das Porridge zum Frühstück wärmte uns auf und je höher die Sonne stieg, desto wärmer wurde es. Auch das Zusammenpacken ging deutlich schneller, als am Vortag und wir sind zu unserem letzten Ziel los gewandert. Sao Roque. An diesem Tag mussten wir die ganzen 1000 Höhenmeter wieder bergab laufen, die wir an den Vortagen zurückgelegt hatten. Der Weg schlängelte sich durch die leuchtend grünen Hügel und nach kurzer Zeit erreichten wir den Wanderweg, der durch ein Naturschutzgebiet führte und uns einen längeren Weg ersparte. Mittags machten wir Gemüsebrühe und Brotzeit an einer Kuhweide. Immer weiter näherten wir uns Sao Roque und als wir die ersten Häuser neben dem Weg standen, haben wir das mit einer Gummibärchenpause gefeiert. Nachdem wir aus Versehen einen falschen Abzweig genommen hatte und gefühlt wieder im panamaischen Regenwald standen, sind wir dann doch irgendwann in Sao Roque angekommen. Dort haben wir auch erfahren, dass die Fähre aufgrund des Streiks nicht von Sao Roque nach Horta fährt und wir den Bus am nächsten Tag nach Madalena nehmen mussten. So ging die Schlafplatzsuche von neuem los. Von älteren KUS-Jahrgängen haben wir den Tipp bekommen, bei der Feuerwehr nachzufragen. Dort konnten wir auch unserer Wasserflaschen auffüllen, aber als Schlafplatz war es uns zu teuer. Wir waren drauf und dran auf einer Wiese zu schlafen, aber Kolja hatte es geschafft, dass wir in einer Art Veranstaltungsraum schlafen konnten. Es gab sogar Toiletten und Duschen, die wir benutzen durften. Das Abendessen war richtig gut. Wir machten Milchreis mit Apfelmus und Zimt und Zucker und dazu noch heiße Schokolade. Das Pflichtprogramm der Azoren ist, den Käse und die portugiesische Spezialität Pastel de Nata (Blätterteigmuffins gefüllt mit Vanillepudding) zu probieren. Das haben wir in Sao Roque auch erfüllt. Nachdem wir alles wieder abgespült hatten, wurde das Isomatten-Lager aufgebaut. Aber an Schlaf war in diesem Moment nicht zu denken. Wir futterten Kekse, Schokolade und Gummibärchen und spielten dabei Werwolf und ließen die lustigen Situation der bisherigen Reise Revue passieren. Es wurde viel herumgealbert und gelacht. Schlussendlich war der Tag doch anstrengend genug mit seinen 15 km und 1000 Höhenmeter und wir schliefen Alle wie Steine ein.
Aufzuwachen und eine hohe Decke über sich zu haben, ist, seitdem wir auf der Thor sind, ziemlich selten. Denn die Kammerdecken sind alles andere als hoch und die Zeltplanen auch. Ohne den ganzen Zeltabbau haben wir deutlich kürzer gebraucht und waren ruckzuck fertig. Als Dankeschön für den Schlafplatz haben wir ein Thor-Plakat verschenkt und liefen dann zur Bushaltestelle. Dort haben wir Salzstangen und Schokolade, die wir geschenkt bekommen hatten, gefrühstückt. Wir fuhren nach Madalena zurück und erwischten die Fähre nach Horta. Auf der Fähre aßen wir das restliche Knuspermüsli mit Milch und kamen dann nach vier Tagen wieder auf der Thor an. Das Gepäck ließen wir an der Pier und kauften für das restliche Geld für jeden einen Schokoladenkuchen mit Vanilleeis im Peter Café Sport. Nach einer Rückblick-Besprechung der Expi gingen wir zurück auf die Thor. Aber damit war die Expi noch nicht vorbei. Denn es gehört ja noch dazu, dass wir alles wieder sauber und in einem guten Zustand wieder zurückgeben. Dafür hatten wir dann den ganzen Nachmittag Zeit. Es wurden die Materialien geputzt, der übriggebliebene Proviant zurückgegeben, Fotos sortiert und Blogs geschrieben.
Insgesamt war die Expi ein absolutes Highlight der Reise und gab einem nicht nur die Chance, die Natur und Landschaft der Azoren kennenzulernen, sondern auch die anderen KUSis.