Wir ohne die Thor
Etappe: Landaufenthalt Kanaren
Ich wache auf, es ist komisch, es schwankt nicht. Ich öffne die Tür und sehe Berge, Pflanzen, Tiere, Gebäude, Straßen voll Autos und Menschen in den Städten herumlaufen. Das Meer sehe ich von oben, eine ganz andere Perspektive als sonst. Beim Frühstück sitzen meine Kleingruppe und ich zusammen am Tisch. Es ist ungewohnt, nicht aufpassen zu müssen, dass die Marmelade bei großen Wellen nicht von selbst über den Tisch wandert. Beim Kochen habe ich wiederum mehr Platz als auf dem Schiff und ich muss nicht für 50, sondern nur für zehn Leute Essen zubereiten, was den Abwasch sehr erleichtert.
Unser Tagesablauf ist ganz anders als auf der Thor, nach dem Frühstück putzen wir nicht unsere Toiletten oder schrubben das Deck, was wir nur teils vermissen, sondern wir packen unsere Rucksäcke und machen uns auf den Weg zu Wanderungen, wo wir uns beim Herunterlaufen oft beeilen, um so schnell wie möglich ans Wasser zu gelangen, um baden zu gehen. Auch wenn wir dann wieder den Berg hinauflaufen müssen und durch die nassen Steine leicht ins Schwanken kommen, ist es doch anders, als wenn wir durch die Gänge der Thor gehen und wie ein Ping-Pong-Ball an die Wände prallen, um an unser Ziel zu kommen.
Manche Dinge des Landaufenthaltes werde ich nicht vermissen, wie etwa, auf der Finca 200 Meter zur Toilette oder Küche laufen zu müssen. Dafür hatten wir, vor allem auf La Palma, generell mehr Platz als unserem schwimmenden Zuhause. Wir hatten auf der Finca einen richtigen Schrank und mussten nichts in Fächer quetschen. Beim Auspacken war es dann wieder seltsam, nicht alles seefest machen zu müssen, damit mir kein Pulli entgegenfliegt, wenn ich mich nachts anziehe, möglichst auf Zehenspitzen und mit gedämpfter Beleuchtung, um die anderen nicht zu wecken. Die Nachtwache selbst vermisse ich allerdings schon während des Landaufenthaltes. Sich nachts auf dem Achterdeck zu treffen und in die Wache zu starten, hat immer Spaß gemacht.
Auch wenn mir das Rudergehen oder die Unterhaltung im Ausguck ein wenig fehlt – ähm, was schreibe ich da? Natürlich habe ich beim Ausguck nie herumgetratscht, war immer voll konzentriert – war es angenehm, die Nächte durchschlafen zu können. Das Schlafen an sich war in den ersten Tagen aber doch recht ungewohnt. Ich werde nicht von den Wellen in den Schlaf geschaukelt, ich liege still im Bett. Vielleicht hört man den einen oder anderen Moskito, aber nicht die Wellen, wie sie gegen das Schanzkleid prallen, nicht das verspielte Flattern der Segel, nicht das genüssliche Ächzen der Masten. Deshalb genieße ich die Momente, wenn wir beim Wechsel der Inseln mit der Fähre auf See sind.
Wir treffen uns oft abends in einem Raum und spielen Spiele, was mich sehr an die Thor-Abende erinnert. Und doch vermisse ich den Tagesablauf, den wir auf der Thor haben. Zum Beispiel, wenn das Typhon, unsere „Schiffs-Hupe“, um 12 Uhr geblasen wird, oder das Wecken zu den Wachen. Ein paar dieser speziellen Dinge, wie die stille Minute, haben wir beibehalten. Diese haben wir aber statt mit einer Glocke provisorisch mit zwei Gläsern oder Milchpackungen eingeleitet.
Auch wenn wir die Thor in vielerlei Hinsicht vermissen, ist es schön, wieder unter Menschen zu sein, in Geschäfte zu gehen oder einfach durch die Stadt zu laufen. Für uns ist alles hier großer Luxus. Besonders das Duschen ist sehr beliebt, da man mehr Zeit hat, unter dem warmen Wasser zu stehen. Außerdem hat man die Möglichkeit, jeden Tag zu duschen, da wir mit Wasser nicht ganz so sparsam umgehen müssen wie an Bord. Wir hatten jeden Tag frisches, regionales Obst, von dem wir gesehen haben, wo es angebaut wurde, da wir immer an Bananenplantagen vorbeigelaufen sind. Das wiederum werden wir alles sehr vermissen, wenn es nun wieder zurück aufs Schiff geht. Und so blicken wir mit gegensätzlichen Gefühlen in die Zukunft. Es ist traurig, dass der Landaufenthalt bald sein Ende nimmt, aber wir freuen uns auch wieder auf unser zuhause, unsere geliebte Thor Heyerdahl.