Alles seeklar?

Da die Winde inzwischen aus der richtigen Richtung für uns kommen, wollen wir das kurze Zeitfenster nutzen, um weiterzufahren. Allerdings werden wir wahrscheinlich sehr viel Wind und Seegang haben. Deswegen müssen wir alles an und unter Deck seeklar machen. Aber was heißt eigentlich seeklar?

„Alles-Seeklar-Machen“ bedeutet die Sachen, die an und unter Deck unbefestigt herumliegen, aufzuräumen oder festzumachen, damit sie nicht kaputt gehen oder wir darüber stolpern. Außerdem müssen wir unsere Fächer in den Kammern so aufräumen, dass bei Seegang nichts herausfällt. Insgesamt sollte alles, was geht, festgebunden werden, denn man glaubt nicht, wie schnell einem die Dinge um die Ohren fliegen können. Sachen wie Marmeladengläser oder Teller, die man nicht festbinden kann, muss man daher auf Anti-Rutschdecken (bei uns ironischerweise einfach als Rutschdecken bekannt) stellen. Aber selbst wenn alles auf diesen Decken steht und eine etwas größere Welle kommt, rutscht es trotzdem durchs ganze Schiff. Dadurch müssen wir immer alles so gut es geht festhalten – auch uns selbst, denn wir bewegen uns oft ungewollt durchs Schiff. Am lustigsten ist es, wenn wir beim Essen auf den Bänken sitzen und dann plötzlich auf den Banknachbar rutschen, der dann auf dem Boden sitzt, weil wir alles um einen herum festhalten, aber wir nicht an uns selbst denken. Außerdem haben wir auf dem Haupt- und Achterdeck Strecktaue gespannt, damit wir uns dort festhalten können. Das sind Leinen, die über das komplette Deck reichen. Leider sind sie auch etwas nervig, denn wenn wir uns nicht an den hüfthohen Leinen entlanghangeln, müssen wir, um weiterzukommen, darunter durchkriechen. In der Theorie funktioniert es, sich zu ducken, aber dabei fallen wir im Prozess öfters mal um. Um zu verhindern, dass wir über Bord fallen, haben wir Sicherheitsnetze (umgangssprachlich Leichenfänger) gespannt. Die Sicherheitsnetze sind Netze, die über die Reling gespannt werden und einen im Notfall auffangen. Damit auch die Backskisten (Kisten, in denen wir Sachen stauen) bei Seegang nicht aufgehen, mussten wir sie mit Tampen (der Fachbegriff an Bord für das Wort Seil) verschließen. Zudem haben wir alle langen Tampen, mit denen wir die Segel bedienen, nochmal extra gesichert, damit sie sich nicht lösen, an Deck schwimmen und dann eventuell in der Motorschraube landen. Da es sein könnte, dass wir in den nächsten Tagen Gurtpflicht an Deck haben werden, habe ich zusammen mit anderen eine Leine gespannt, in die wir uns einhaken können. Diese Leine heißt Laufleine und läuft vom Hauptdeck bis aufs Vordeck.

Liegeplatz in Falmouth

Wenn wir weiterfahren, werden wir wahrscheinlich sehr viel Welle haben. Dadurch müssen wir den sogenannten Verschlusszustand herstellen. Das heißt, dass alle Schotts (feuerfeste Türen) und auf den Oberlichtern (Fenster der Kammern) die Schlagklappen (eiserne Abdeckungen) zu sein müssen, damit, wenn eine Welle übers Deck kommt, das Wasser nicht in die Kammern läuft. Durch diesen Verschlusszustand ist es nicht mehr möglich, in den Kammern über die Oberlichter zu lüften. Deswegen stehen die Kammertüren meistens offen. Zwar hatte ich schon erwähnt, dass die Kammern komplett aufgeräumt sein sollten, allerdings stehen zum Beispiel die Schuhe auf dem Boden. Dadurch, dass alle Türen offenstehen, fällt dies immer wieder auch in den Gang.

Bei Seegang ist es insgesamt wichtig, dass man bergauf läuft, denn wenn man bergab läuft, wird man immer schneller und kann sich nicht mehr bremsen. Noch wichtiger als sonst ist es, wie schon gesagt, dass man sich festhält, da man sonst schnell mal auf dem Boden liegt oder ungewollt losläuft, um sein Gleichgewicht zu halten. Dadurch steht man oft woanders, als eigentlich geplant. Außerdem muss man immer schauen, dass man so gut es geht geradeaus läuft, was bei Seegang gar nicht so einfach ist.

Seegang gar nicht so einfach ist.

Mal schauen, wie das die nächsten Tage in der Praxis wird, denn vieles wissen wir bis jetzt nur in der Theorie.

KUS-Ticker

Mittwoch, 02.11.2022

Mittagsposition: Falmouth
Wetter: bewölkt; Temperatur: Luft 15°C, Wasser 14,5° C; Wind: S 8

  • 09:30 – 12:00 Uhr Wachtreffen (Theorie & Praxis)
  • 13:00 – 15:00 Uhr Einarbeitung in Beauftragungen
  • 15:00 – 21:00 Uhr Landgang

Donnerstag, 03.11.2022

Mittagsposition: Falmouth
Wetter: bewölkt; Temperatur: Luft 13,5°C, Wasser 14,5° C; Wind: SW 5

  • 11:45 Uhr Leinen los und Fahrt zum Ankerplatz vor dem Hafen
  • 12:15 Uhr Anker fällt, damit wir in der Nacht einfacher ablegen können
  • 23:15 Uhr Anker gehievt
  • 23:45 Uhr Schoner gesetzt und Fahrwache beginnt