Die Friedrich Engels Schule und die Musik
Seit Anbeginn der Zeit gibt es Musik und vor allem in lateinamerikanischen Ländern spielt diese eine sehr große Rolle. Das habe ich vor allem gemerkt, als wir die Friedrich-Engels-Schule besuchten.
Als wir das erste Mal mit unseren Fahrrädern vorgefahren sind, standen hunderte Schüler vor dem Gebäude und haben uns so empfangen, als hätten wir gerade die olympischen Spiele gewonnen, dabei war die Route vom Hotel aus nicht wirklich lang. Dann haben sie ihre Nationalhymne gesungen und anschließend hat sich die Schulband hingestellt und uns mit einem Lied begrüßt. Auch Franzi, die an diesem Tag ihren 15. Geburtstag gefeiert hat, ist von einem Ständchen der Schule nicht verschont geblieben.
Als Nächstes sind wir zu einem anderen Platz geführt worden, an dem wir schon von einem paradeähnlichen Aufzug erwartet wurden. Dieser hat auf Kommando gleichzeitig gestampft, sich bewegt und das Schulmotto gesprochen, das wir in den nächsten Tagen noch öfters hören würden. Das Ganze war sehr verwirrend, weil ich zum einen kein Wort verstanden habe und mich das zum anderen ziemlich an das Militär erinnerte. Nachdem uns die Direktorin noch einmal offiziell begrüßt hatte und wir unser Projekt auf Spanisch vorgestellt hatten, wurden wir in Gruppen aufgeteilt, um entweder in Biologie, Chemie, Physik, Mathe oder Spanisch den Unterricht zu besuchen. Ich kam in die Gruppe, die in Physik gegangen ist und obwohl Physik in meiner Schule zu Hause nun wirklich nicht mein Lieblingsfach ist, war das viel anschaulicher und spannender gestaltet, als ich es kannte. Auch wenn ich nichts von dem verstanden habe, was der Lehrer erklärt hat, war deutlich, dass unser Versuch Elektromagnetismus erklären sollte. Auch wenn ich in Physik nicht wirklich den Überblick hatte, war dies in der nächsten Stunde doch so ganz anders, und zwar durch etwas mit dem man kommunizieren kann, ohne dieselbe Sprache zu sprechen: Die Musik.
Eigentlich wollte unsere Gruppe nur zum Essensaal, wir sind aber vor dem Musikklassenzimmer stehen geblieben, in der schon eine andere Gruppe auf Klanghölzern und Trommeln einen bestimmten Takt spielte. Wir haben uns daraufhin einfach dazugesellt, uns auch Klanghölzer geschnappt und einfach mitgemacht. Nach einer Weile fingen ein paar Kubaner an „Believer“ von Imagine Dragons zu singen, woraufhin sich ein paar von uns dazustellten und mitsangen. Lucian ging ans Klavier und hat sofort eine Melodie improvisiert und wie aus dem Nichts entstand eine supercoole Stimmung. Ich konnte wirklich sehen, wie Musik verbinden kann. Wir standen alle beisammen, Deutsche wie Kubaner und haben gesungen, geklopft, getrommelt und getanzt. Ein Raum voller Harmonie, Gemeinschaft und ersten Freundschaften.
Weiter ging es mit Sport. Wir konnten wählen zwischen Volleyball und Basketball und legten uns so richtig ins Zeug. Am Anfang waren die Gruppen noch durchmischt, doch das allerletzte Basketballspiel war Deutschland gegen Kuba. Auch wenn wir wegen des Sportmangels der letzten drei Monate ziemlich hoch verloren, war das ein Heidenspaß und ein riesiges Gejubel beider Seiten.
Aber wir besuchten nicht nur den Unterricht, unter anderem zeigte die Schule uns, wie der Hurricane Ian letzten September das Land verwüstete und wie sie alle zusammen die Schule wiederaufbauten. Außerdem diskutierten wir über das Handelsembargo und den für uns fremden Sozialismus und stellten Fragen. Auf meine Frage hin, wie sie zu uns stehen würden, weil wir ja genau genommen Kapitalisten sind, antworteten sie, dass sie uns als Menschen und nicht unser politisches System sehen. Diese ganzen Gespräche waren wirklich interessant, nicht zuletzt auch wegen unseren Gesprächen über die Rolle Fidel Castros und Che Guevaras in Kuba.
Mein persönliches Highlight von dem ganzen Aufenthalt and der Schule war aber auf jeden Fall der Tanzabend am selben Tag. Zwar gab es nicht den versprochenen Tanzkurs, aber dafür eine Menge hochmotivierte Kubaner, die es nicht erwarten konnten, dass die Musik angeht. Was ich an den Kubanern wirklich bewundere, ist, wie sie tanzen und ihre Körper bewegen können. Das war unglaublich anzusehen! Die Musik ging an und alle Schüler waren sofort am Schreien und Stimmung machen. Da ist auch kein Deutscher von uns verschont geblieben, sogar die Tanzscheuen von uns konnten nicht widerstehen und auch keinem im Nachhinein glaubhaft erzählen, dass sie ja gar nicht so arg mitgetanzt hätten. Vor allem fasziniert hat es mich, dass scheinbar alle Schüler zu jedem Lied Tanzschritte oder sogar eine ganze Choreo hatten. Aus dem nichts hat der ganze Raum einheitlich in Reihen getanzt und gesungen, hier und da standen ein paar hilfesuchende KUSis, die aber sofort von Kubanern aufgegabelt und die Schritte gezeigt bekamen. Auch bei mir waren viele Kubanerinnen, die mir bei jedem Lied die neue Schrittfolge zeigten und vor Freunde jubelten, sobald wir es raus hatten. Eigentlich war das Ganze ein einziges Rumgehüpfe und Rumgeschreie. Aber auf einer Party mit so viel Stimmung war ich noch nie! Schon wieder hat die Musik verbunden. Wir haben den ganzen Tag mit den Schülern verbracht, doch sobald die Musik anging, wurden alle Hemmungen beiseitegelegt. Sie haben uns ihre Tänze beigebracht, es wurden Namen gelernt, Nummern ausgetauscht und Freundschaften geschlossen. Ein Mädchen hat mir sogar ihren Ring geschenkt, worüber ich mich so gefreut habe und ihn jetzt immer trage.
Alles in allem kann ich sagen, dass der Austausch mit Gleichaltrigen genau das war, was diesen Landaufenthalt für mich zum bisher schönsten gemacht hat. Die Sorge, nur teilnahmslos rumzustehen, war völlig unbegründet. Man kann sich wirklich irgendwie verständigen, ob auf Englisch, mit Bruchstücken vom Spanischen, mit Händen und Füßen oder durch die Musik. Die kubanischen Schüler haben sich für uns so eine Mühe gegeben und waren genauso begierig auf Austausch wie wir.
Ich habe gelernt, wie wichtig internationaler Austausch eigentlich ist, denn auch wenn wir auf der anderen Seite der Welt leben, ein anderes System haben und eine andere Sprache sprechen, sind wir doch alle nur ganz normale Teenager, die allesamt neugierig auf Neues sind und von dem Leben träumen. Keine Nationalität, kein politisches System, keine Hautfarbe oder sonstige Unterschiede sollten diesen Freundschaften im Wege stehen.