Aktivitäten mit den Naso
Datum: 17.01.2025
Als wir bei den Naso aus dem Bus stiegen, hatten wir trotz der langen Busfahrt eine große Vorfreude auf das, was kommen sollte. Wir hatten zwar nur eine grobe Ahnung, was uns erwarten würde, aber es klang schon sehr vielversprechend.
Beim Abendessen konnten manche von uns schon einen ersten Eindruck von der Naso-Kultur sammeln, als sie gemeinsam das Abendessen vorbereiteten. Die erhoffte Backschaft lief aber nicht so, wie wir sie von der Thor kannten. Anstatt zu schnippeln und das ganze Essen vorzubereiten, standen wir eher daneben und haben hier mal ein Brot geformt und da mal zu viert eine Zwiebel geschnitten. Sechs Nasos haben dafür gesorgt, dass aus Reis, Wurzeln- und Palmenstücken ein leckeres Essen entstand. Anders als wir es von zuhause gewohnt sind, wurde unser Essen in Kalebassen-Schalen und Kakao in Bambusbechern serviert. Diese durften wir am nächsten Tag dann auch selbst herstellen. Allerdings nicht in dem Dorf, in dem wir wohnten, sondern in einem etwas weiter den Fluss hinauf. Um dorthin zu gelangen, durften wir mit sieben Einbäumen mitfahren, was wirklich eine ganz besondere Erfahrung war. Auf einem Wildwasserfluss mitten im Regenwald, rechts und links eine grüne Wand, in der sich hin und wieder einige Tiere versteckten. Durch die extrem starke Strömung und die doch eher wackligen Boote war es eine sehr spannende Reise – teilweise auch mal rückwärts eine Stromschnelle wieder herunter, da der 15 PS-Motor nicht ausreichte und mit einer langen Holzstange ausgeholfen werden musste.
Im Dorf angekommen, wurden wir zu den Zuckerrohrpflanzen geleitet und bekamen eine Süßigkeit aus der Natur geschenkt. Das Innere des Zuckerrohrs ist sehr faserig, aber mit sehr süßem Zuckersaft gefüllt. Nachdem wir den Zuckersaft herausgelutscht hatten, wurden wir zu den Kakaobäumen geführt. Uns wurde erklärt, dass eine Kakaopflanze vier Jahre lang wachsen muss bis sie zum ersten Mal Früchte trägt und sie in dieser Zeit von Pilzen und anderen Krankheiten befallen werden kann. Dann war es soweit und wir durften zum ersten Mal Kakao an diesem Tag probieren. Als Frucht schmeckt Kakao, genau wie Kaffee, komplett anders im Vergleich zu dem uns bekannten Getränk, wobei Kakao etwas saurer geschmeckt hat und auch ein bisschen schleimiger. Neben den Kakaobäumen standen noch andere Bäume, an denen eine Frucht wuchs, die eine Mischung aus Orange und Zitrone war. Danach wurden wir in den Garten des Bauern geführt, dem das Kakaofeld gehört, und uns wurde gezeigt, wie der Kakao getrocknet wird. Wie auch zuvor durften wir hier wieder probieren, jetzt die getrocknete Bohne. Es war ein sehr intensiver Geschmack, aber sie schmeckte schon äußerst Kakaoähnlich.
Nach unserem Besuch gab es erst mal ein Mittagessen, was genau wie das Abendessen davor eine sehr interessante Erfahrung war. Das Essen war in Bananenblättern zu Päckchen gebunden und zu trinken gab es eine Limonade, die aus dem Zuckerrohr und der Frucht, die wir zuvor probiert hatten, bestand. Damit wir am nächsten Tag wieder so ein köstliches Essen bekommen konnten, wurde uns danach erklärt, wie Reis vom Feld auf den Teller kommt. Hierzu muss der Reis gestampft werden, was durch Muskelkraft in einem Mörser, der aus einem Holz aus den Bergen gemacht ist, passierte. Der Mörser war etwa 70 cm hoch und der Stößel wog um die 5 kg. Wir haben uns immer wieder abgewechselt, bis der Reis vollständig geschält war. Ein anderer Teil unserer Gruppe hat währenddessen geröstete Kakaobohnen mit einem großen Stein auf einer Holzplatte zu einer Masse zerrieben. Auch hier durften wir den Kakao in der nun endgültigen Form probieren. Geschmack einstimmig: Zartbitter, aber ohne Schokolade. Anschließend wurde uns gezeigt, wie unser Geschirr entsteht. Es wurden Bambusrohre in den verschiedenen Abteilen abgeschnitten und fertig war der Becher. Die Schalen aus Kalebassen wurden ähnlich hergestellt. Eine Kalebassenfrucht, die aussieht wie eine Avocado in Fußballgröße und Form, wurde in der Mitte durchgeschnitten und ausgehöhlt. Fertig. Anschließend konnten wir Schnitzereien zu unverschämt günstigen Preisen erwerben. Schildkröten in jeglichen Größen, Mini-Einbäume, Schildkröten- und Krokodilschalen und kleine Sets aus Pfeil und Bogen.
Anschließend haben wir das Dorf inklusive Gefängnishaus und Königshaus gesehen. Die Naso Tjer-Di sind das einzige indigene Volk in Mittelamerika, das noch einen König hat. Dieser wohnt aktuell in Panama-Stadt, um über die Gesetze der Autonomie des Gebietes der Naso zu diskutieren, daher haben wir uns nur das Königshaus angeschaut. Es ist rundlich gebaut, an den Seiten stehen Bänke und ein Holzthron. Uns wurde erklärt, dass die unterschiedlichen Tiere am Thron alle eine Bedeutung haben. Die Schlangen an den Seiten stehen für Weisheit, der Tiger als König des Urwalds an den Armlehnen repräsentiert den König und der Adler auf der Rückenlehne ist ein Tier aus der Entstehungsgeschichte der Naso. Mit all den neuen Eindrücken ging es dann zurück in unser Dorf.
Direkt am nächsten Morgen fuhren wir wieder Einbaum, welcher uns über einen Fluss zu einem verlassenen amerikanischen Militärcamp brachte. Hier startete unsere Wanderung durch den Regenwald, für die wir uns in zwei Gruppen aufteilten. Jede Gruppe wurde von einem Naso als guia (Spanisch für Reiseführer) angeführt, der regelmäßig stehenblieb, um uns auf Pflanzen aufmerksam zu machen, welche wir teilweise bereits probiert hatten, und auf einige Tiere, wie zum Beispiel Vögel, Faultiere und Pfeilgiftfrösche. Wir freuten wir uns auf die Frösche, da wir nur wenige Minuten zuvor einen Vortrag von Jannika zu dem Thema gehört hatten.
Nachmittags startete auf dem Fußballfeld das legendäre Länderspiel „Naso gegen deutsche Seefahrer und Seefahrerinnen“. Nachdem die Mädchen mit Coach Leon an der Seitenlinie seine emotional hervorgebrachte Motivation in ein wunderschönes Tor verwandelten und Madeleine Neuer den Kasten dichtgehalten hatte, war die Hälfte geschafft. Sie konnten ihren wunderschönen Gemüse-Pokal (ein geschnitztes Holzschild mit Gemüse) schon in die Höhe strecken. Die Jungs, die zuvor mit Leib und Seele angefeuert haben, mussten nun selbst zeigen, dass sie es können. So wurden sie also von Coach Hannah über das Feld gejagt und nach einem extrem schweren und anstrengenden Spiel, bei dem Leon zu Hochtouren auflief, stand es laut KUSis 6:7 und laut Nasos 7:7. Nach einer kurzen Diskussion einigte man sich auf ein Elfmeterschießen. Der Druck war hoch, zu oft schon hatten die KUSis verloren. Auch, wenn die Nasos sicher trafen, konnten wir uns schließlich mit starken Schützen und wieder einer souveränen Leistung von Leon, nun im Tor, durchsetzen. Die Freude war riesengroß, wir tanzten alle zusammen in einem Kreis, während Leon als Kapitän der Mannschaft den Adlerpokal in die Höhe hob. Als Abkühlung gab es für die Nasos als zweitplatzierte eine Cola und auf uns wartete schon der Fluss. Zusammen mit zwei Spielern der gegnerischen Mannschaft sprangen wir in den eiskalten und beigen Fluss, auf dem wir die Tage zuvor Einbaumfahren waren.
Am Abend stand dann die Verabschiedungsfiesta an: Wir saßen alle zusammen in einem Kreis, überreichten Gastgeschenke, sangen, tanzten uns tranken ein traditionelles Getränk aus Mais. Auch auf unserer Rückreise zur Thor begleiteten uns die Nasos: Bus – Schnellboot – angekommen. Zusammen aßen wir unsere erste Mahlzeit auf der Thor nach zwei Wochen. Nach einer Führung durchs Schiff hieß es dann „Auf Wiedersehen!“. Nachdem uns die Nasos aber mehrfach gesagt haben, dass wir jederzeit mit unseren Freunden und Familie wiederkommen könnten, war es vielleicht ja nicht das letzte Mal.