Turbulente Backschaft

Datum: 23.10.2020
Mittagsposition: 54°01’N, 0,008°6’E
Wetter: Lufttemperatur: 14° C, Wassertemperatur: 13.5°C, Wind: WSW 4-5

5.30 Uhr: „Mika“, ertönt eine Stimme, ganz leise neben meiner Koje.

„Mika“, diesmal ein wenig lauter.

„Du hast in einer halben Stunde Backschaft“, sagt Mats, der neben meiner Koje steht und in genau der richtigen Lautstärke versucht, mich aus dem Tiefschlaf zu holen. Die Weckmethode funktioniert und ich frage noch einmal nach der Uhrzeit. „Halb 6“, kommt von meinem Gegenüber. Ich bedanke mich, bevor ich mich aufrichte und anfange, mich anzuziehen. Nachdem mein verschlafenes Ich es geschafft hat, sich leise aus der Koje zu schleichen, gehe ich den Niedergang im Deckshaus nach oben, um vor der Backschaft noch einmal aufs Klo zu gehen.

Obwohl es noch nicht mal 6 Uhr morgens ist, begegne ich auf meiner Toiletten-Tour drei Leuten, denn auf dem Schiff ist wortwörtlich immer etwas los. Nachdem ich der Nachtwache guten Morgen gewünscht habe, stelle ich mich noch für die letzten 20 Minuten vor meinem Küchendienst an das Schott („Tür“) des Deckshauses und genieße noch einmal die Schönheit der Lichter an Land.

6.45 Uhr: Die Sonne scheint durch die Bullaugen der Kombüse und Joshua und ich schneiden fröhlich das Gemüse für heute Mittag. Heute habe ich das erste Mal Backschaft, zusammen mit Celine, Joshua und Keana. Wir wissen alle, dass es für uns keine leichte Arbeit werden wird, weil wir heute endlich raus auf die Nordsee fahren werden und Seegang erwarten. Die Musik wird aufgedreht und vertreibt die letzten Anzeichen von Müdigkeit aus unseren Gesichtern. Zusammen mit der fröhlich hell strahlenden Morgensonne sorgt sie für eine unbeschreibliche Stimmung in der Kombüse. Wir warten ab, bis alle drei Gaffelsegel und die Baumfock gesetzt sind und klingeln zum Frühstück. Nach und nach füllt sich die Messe und wir fangen an, die Besatzung zu bedienen.

Nachdem wir alle bedient haben und sich die Messe wieder geleert hat, beginnen wir, aufzuräumen und das Mittagessen vorzubereiten.

Heute steht Reis mit Gemüsebrühe und gekochtes Gemüse auf dem Speiseplan. Ja, ich gebe euch recht, das klingt nicht gerade nach einem besonderen Genuss. Wir wollen jedoch etwas zubereiten, was auch die, die unter Seekrankheit leiden, vielleicht nicht nur in ihren Magen bekommen, sondern auch im Magen behalten können. Also fangen wir an, das Gemüse zu schneiden und den Reis und die Brühe aufzusetzen.

11.30 Uhr: In der Kombüse ist weiterhin gute Stimmung und von Seekrankheit noch keine Spur.

Anders allerdings sieht es an Deck aus, wie ich bemerke, als ich anfange, die Thermoskannen aus der Messe an Deck zu tragen. Am Achterdeck („hinten oben“ am Schiff) blicke ich in viele Gesichter, die Bände sprechen.

Auf den Holzbänken und Kisten sitzen und liegen Schülerinnen und Schüler, die eindeutig ihre vielleicht ersten Erfahrungen mit der Seekrankheit machen. Doch zu meiner Beruhigung sind noch genug Leute auf den Beinen, denen es gut genug geht, sich um die Betroffenen zu kümmern. Mit Liebe wird versucht herauszufinden, ob sie etwas Wasser oder vielleicht ein wenig Zwieback möchten. Auch mir wird ein wenig mulmig, als ich anfange, die Messe für das Mittagessen vorzubereiten. Nichtsdestotrotz läute ich zum Essen und verkünde die heutige Mahlzeit. Mein kläglicher Versuch, einigen Mitkusis Essen anzubieten scheitert ebenso wie jener, ihnen eine Tasse Brühe schmackhaft zu machen. Doch nach und nach trauen sich die ein oder anderen an unsere köstlichen Speisen und die Gesichter der Besatzung gewinnen langsam wieder Farbe zurück.

15.45 Uhr: Bald ist es geschafft! Seit langem haben wir schon Sicht auf Helgoland, doch jetzt setzen wir den Kurs auf die Hafeneinfahrt. Langsam, aber sicher kommen wir näher. Nach neuneinhalb Stunden Backschaft gönnen wir uns auch mal eine kleine Pause und gesellen uns zu dem gerade eben vorbereiteten Kaffee und Kuchen, was heute wohl eher Tee und Zwieback heißen sollte.

17.00 Uhr: Vor ca. einer halben Stunde haben wir das Hafenbecken erreicht. Die Stimmung und das Wohlbefinden an Bord steigen beständig und wir fangen an, das Abendessen vorzubereiten. Heute mit der Besonderheit, dass es etwas Warmes gibt, da vom Mittagessen gegen jede Gewohnheit, doch heute selbsterklärend, eine Menge übergeblieben ist. Nach einem langen und anstrengenden Anlegemanöver wird die Essensglocke ein letztes Mal geschwungen und die hungrige Menschenmasse strömt in die Messe. Mit unseren letzten Kräften erfüllen wir die letzten Wünsche der Besatzung und sinken erschöpft auf die Bänke, um uns selber den Bauch voll zu schlagen.

20.00 Uhr: Zum letzten Mal an diesem Tag drehen wir die Musik in der Kombüse auf und machen uns an den letzten Abwasch des Tages. Mit vereinten Kräften bewältigen wir noch die letzten Arbeiten. Celine und ich putzen den Boden, bevor Veronika die Reinheit der Kombüse checkt und uns eine gute Nacht wünscht.

Nach 17 Stunden Backschaft, am Ende meiner Kräfte, schleiche ich den Niedergang nach unten und lege mich in meine gemütlich warme Koje.

Ich lasse den Tag revuepassieren und schließe mit einem zufriedenen Lächeln meine Augen.

KUS-Ticker

Datum: 23.10.2020

  • Ablegen an den Dalben vor der Schleuse von Brunsbüttel
  • Ein- und ausschleusen
  • Wir kommen auf die Nordsee und die ersten Schiffsbewegungen setzen ein
  • Seekrankheit kommt auf
  • Helgoland kommt in Sicht
  • Wir erreichen die Hafeneinfahrt
  • Seekrankheit überwunden

Datum: 24.10.2020

  • Jogging in Helgoland („Run and Dip“)
  • Schüler knickt um und verletzt sich den Fuß
  • Großreinschiff: Reinigung des Schiffs inklusive aller Kammern
  • Verholen des Schiffs: Anderer Liegeplatz im Hafen wird besetzt
  • Der verletzte Schüler fährt mit der Fähre zur weiteren Behandlung nach Hamburg
  • Filmabend