Neuland

Datum: Sonntag, 25.10.2020
Mittagsposition: Helgoland Hafen

Grün ist das Land, rot ist die Wand, weiß ist der Strand. Das sind die Farben von Helgoland, unserem vorläufigen Liegeplatz. Nach unserer schaukligen Überfahrt hierher werden wir wohl etwas länger als geplant diese oben wunderschön von unserem Bootsmann Simon beschriebene Insel erkunden. Denn heftige Winde aus Süd-West machen ein Vorankommen fast unmöglich.

Das grüne Land habe ich beim „Run and Dip“ mit einer Gruppe sportlich motivierter KUSis durchjoggt und betrachtet. Es war noch dunkel, der Himmel wurde mit der Zeit von der aufgehenden Sonne erhellt, sodass wir die rote Wand und das Wahrzeichen von Helgoland, die „Lange Anna“, im frühen Morgenlicht bewundern konnten. Die Luft war frisch und füllte unsere Lungen mit jedem Atemzug. Kalter Wind blies uns heftig um die Ohren, drückte sich uns entgegen oder trieb uns voran. Die Einheit wurde am weißen Strand durch einen gewagten Sprung ins eisige Nordseewasser abgerundet.

Dieses Kennenlernen neuer Orte und Länder ist ein großer Teil meiner Motivation für diese Reise, bietet sie doch Möglichkeit, den Blickwinkel zu verändern und den Horizont mit eigenen Augen, Ohren und Sinnen zu erweitern.

In den letzten Tagen habe ich allerdings gemerkt, dass ich gar nicht weit gehen muss, um Neuland zu betreten. Das tue ich nämlich schon mit meinem ersten Fuß, den ich morgens noch halb verschlafen aus meiner Koje strecke. Denn die Thor Heyerdahl sein neues zu Hause zu nennen und als solches kennenzulernen, ist für mich täglich Neuland. Spannend und voller Überraschungen.

Hier lernen wir wie in einem fremden Land eine neue Sprache zu verstehen. Zum einen müssen wir alltägliche Begriffe ersetzen, beispielsweise wird an Bord die Küche Kombüse genannt, „Achtung“ heißt „Warschau“ und zu „Seilen“ sagt man „Tampen“. Außerdem erweitern wir unseren Wortschatz um eine Portion nautischer Begrifflichkeiten. Die Segel, die zum Beispiel Schoner-, Groß- und Besansegel heißen, lassen sich mit allerlei Tampen wie Fallen, Geien, Bullen und Schot setzen, trimmen und verstellen.

Aber auch Leben, Sitten und Gepflogenheiten sind hier anders als gewohnt. Sauberkeit und Ordnung sind sogar noch wichtiger als zu Hause, schließlich leben wir zu fünfzigst auf engem Raum zusammen und jede Person soll sich wohlfühlen. Darum müssen wir uns in unseren Kammern, die wir mit drei bis fünf weiteren KUSis teilen, gut arrangieren. Das klappt wunderbar, denn natürlich sind alle am Gelingen unseres großen Abenteuers interessiert.

Lebt man in einer Kleinstadt, so wie ich, und käme nach New York City; ich glaube mir würden die Augen übergehen angesichts der gigantischen Größe der Stadt. So ähnlich geht es mir auch hier. Gigantisch sind an Bord die Dimensionen und Maßstäbe im Alltag. So kommt es, dass wir bei der Backschaft, dem Küchendienst an Bord, am Sonntag gut und gerne 50 Eier zugleich kochen oder Brot in riesigen Mengen für ein Frühstück schneiden, die für meine Familie zu Hause sicherlich über eine Woche ausgereicht hätten.

Nach einem Tag, an dem wir wissbegierig vielerlei Seemannsfertigkeiten kennengelernt und geübt haben, meine ich manchmal, dass mein Kopf überquillt vor lauter Neuland. Gleichzeitig erfüllt es mich mit einem berauschenden Kribbeln, wenn ich merke, dass wir nun mit Siebenmeilenstiefeln Schritte in unserem neuen Bordleben machen.

Denn wenn das Kommando zum Segelsetzen ertönt, dann wissen wir schon, was zu tun ist. Wir besetzen alle Stationen und ziehen mit vereinten Kräften das majestätische Segel am Mast hinauf. Es zieht sich als weißer Streifen vor den blauen Himmel, während die Sonne das Wasser zum Glitzern bringt. Ich weiß genau: Jetzt geht es los, jetzt passiert etwas, jetzt beginnt das Abenteuer meines Lebens.

KUS-Ticker

Datum: 25.10.2020

  • Run and Dip
  • Warm-Up zum Kennenlernen
  • Workshops wie Theater, Fotografie, Musik, Philosophie und LaTex am Vormittag
  • Erkundung der Insel in Kleingruppen
  • Kaffeetrinken mit Geburtstagskuchen und Ständchen für unser Geburtstagskind Nalu
  • Spannender Vortrag von unserem Steuermann Michael zur Einführung in die Navigation
  • Wachtreffen mit nautischem Theorieunterricht: Navigation mit Seekarte
  • Erste Schülerversammlung nach dem Abendessen