Klassenzimmer unter Segeln

Der große weite Ozean, Delfine, Wale, gesetzte Segel, die sich im Wind blähen und mitten drin 34 Schülerinnen und Schüler. Wir leben nun seit über zwei Monaten auf der Thor und lernen alles rund ums Segeln. Was jetzt noch fehlt? Die Schule natürlich. Bis vor Kurzem fand nur Unterricht statt, wenn das Schiff im Hafen lag, oder wir in freiwilliger Selbstisolation waren, also immer an Land oder in Landnähe. Somit unterschied sich der Unterricht nicht wirklich von dem, was wir schon von zu Hause gewohnt waren, und sobald wir in See stachen, lag der Schwerpunkt darauf, die nautischen Kenntnisse zu erweitern und zu verbessern. Dies sollte sich nun aber in der zweiten Etappe ändern, denn ab jetzt wird auch an Bord unterrichtet. Wie genau das funktioniert? Das System ist ganz einfach, die Wachen, welche bis jetzt aus acht bis neun Schülern bestanden, wurden halbiert, nun hat immer die eine Hälfte Unterricht, während die anderen die restlichen Aufgaben, wie zum Beispiel Reinschiff, Fahrwache oder Backschaft, erledigt. Die Schule an Bord unterscheidet sich dennoch von der an Land. Nicht nur, weil man hin und wieder seinen Ordner davon abhalten muss, vom Tisch zu rutschen, sondern auch, da der Unterricht mit viel Praxiserfahrung ausgeschmückt wird.

Langsam wurde ich aus meinem Tiefschlaf geholt, das Wecken war fast wie immer, der einzige Unterschied, heute musste ich nicht hoch aufs Achterdeck zur Fahrwache, sondern in den Unterricht. Nach dem gemeinsamen Frühstück, welches auf Backbord in der Messe stattfand, wechselten alle die, die heute Unterricht hatten, die Seite und während die nächsten Wachen frühstückten, begann für mich meine erste Mathestunde. Darauf folgte Physik, unser Thema war Mechanik, doch dieses wurde uns von unserem Physiklehrer Didi nicht nur an der Tafel erklärt, sondern sogleich mit einem praktischen Versuch nähergebracht. Unser Ziel war es, die Geschwindigkeit, die wir gerade fuhren, zu messen, da sich die Logge aber als sehr ungenau herausgestellt hatte, führten wir einen anderen Versuch durch. Womit? Mit Biomüll. Das klingt anfangs sehr verwirrend, ist aber ganz einfach: Wir teilten uns in zwei Gruppen auf, die eine Hälfte ging auf das Vorschiff und warf schwimmenden Biomüll (z.B. eine Bananenschale) über Bord, sobald diese Banane am vorderen Poller vorbeischwamm, wurde die Zeit gestoppt und zwar bis vom Achterdeck das Signal für die vorbeischwimmende Banane kam, die gestoppte Zeit wurde aufgeschrieben und der Versuch wiederholt. Schlussendlich war der Biomüll entsorgt und nach einer Auswertung die Geschwindigkeit des Schiffes zum Wasser bestimmt – und zwar sehr genau. Nicht nur in Physik, sondern auch in vielen anderen Fächern findet der Unterricht sehr praxisorientiert statt, was das Lernen erleichtert. Somit freue ich mich doch sehr, dass die Schule zurückgekehrt ist, und bin gespannt, was sich unsere Lehrerinnen und Lehrer noch so einfallen lassen.

Nach einem langen Schultag ging ich abends aber trotzdem müde ins Bett und freute mich schon auf die bevorstehende Nachtwache und den nächsten Tag.

KUS-Ticker

29.12.2020

Mittagsposition: 19° 23,1‘ N 022° 25,1‘ W
Etmal: 79,9 sm
Wetter: Lufttemperatur: 22° C, Wassertemperatur: 22°C, Wind: NE 1

  • 07:30 Frühstück
  • 08:30-10:55 Unterricht (Gruppe A)
  • 11:00-12:30 Freiarbeit (Gruppe B)
  • 14:00-15:30 Wahlpflichtfach Astronomische Navigation
  • 15:30 Schülerversammlung
  • 16:00 Kaffee
  • 18:00 Abendessen