Wir teilen die Dunkelheit

(Ein erfundener Dialog, der die Realität unserer Gedanken beschreibt)
(Ja, ich bin 15. Ja, ich bin melodramatisch. Aber das ist durchaus erlaubt)

Wir teilen die Dunkelheit. Fliegen über den Strand. Unsere nackten Füße wirbeln den feuchten Sand auf. Unsere Herzen schlagen, laut, in Einigkeit. Unser rhythmisches Trommeln übertönt das Rauschen der Gischt. Immer schneller jagen wir voran. Die Sterne über uns verschwimmen, die seichten Wellen durchnässen uns. Unsere Lungen bersten, unsere Muskeln schreien. Aber wir laufen weiter, immer schneller. Lassen all unsere Sorgen zurück. Die Zukunft, die Schule, die Heimreise. Alles verblasst. Es bleibt nichts als das Wir. Wir lassen uns zu Boden gleiten, außer Puste, verschwitzt, mit einem breiten Lächeln bis über beide Ohren.

Vor uns mischen sich die Lichter der Yachten mit denen des Firmaments und zeichnen unsere ganz eigenen Sternzeichen in die Nacht. Sanft plätschern die Wellen, die um unsere Beine spülen, mit einer Hand male ich konzentrische Kreise in den feuchten Sand, eine leichte Brise kommt auf und nimmt unsere Gedanken mit, auf eine Reise. Die Stille der anderen füllt samtweich dunkel mein Herz. Worte haben uns nix zu sagen, heute genügen unsere Blicke.

Dennoch erhebt sich vom Wind getragen ein Flüstern. Diese Melodie an Tönen zerfließt in meinen Ohren zu Wörtern, die in meinem Kopf eine Geschichte erzählen.

„Wisst ihr noch? Den ersten Abend hier. Als wir ankamen, Entdecker eines unbekannten Kontinents. Als wir unsere Augen, nach der blauen Einöde der letzten Woche, gierig mit der neuen Welt vollsogen. Wir sammelten das Türkisblau des Meeres, das Knochenweiß des Sandes und das schillernde Grün des Waldes. Wir hatten gegessen und uns gewundert über diesen seltsamen Ort. Neben dem Restaurant saß ein Mann, angelehnt hatte er uns zwischen zwei Zigaretten geantwortet, während seine Hände ihren ganz eigenen Tanz aufführten. In Blitzesschnelle knoten, woben und zogen sie an Palmwedel, die innerhalb weniger Sekunden wie von selbst zu Körben wurden. Als wir im Mondlicht wieder ins Dinghi stiegen, blickte ich zurück, auf die Schemen einer Insel, die mir so wunderschön, wie unbekannt war.“

„Ja. Erinnert ihr euch an den Pico de Fogo? Erinnert ihr euch, dort oben, wie fremd und seltsam die Landschaft aussah? Sie schien nicht von dieser Welt, in verschiedenen Schwarz- und Grautönen flossen längst erloschene Lava-Flüsse durchs Tal. Im Schatten der hochaufragenden Felswände standen riesige Blöcke still, neben den kaum sichtbaren Dächern von Häusern, die in den steinernen Fluten ertrunken waren. Wir standen eingenommen von diesem Schaubild, stumm und ehrfürchtig…“.

„…Dann kam der Abstieg. Die Ketten des Aufstiegs fielen von uns ab, wir ließen los und übergaben uns Herz und Seele der Schwerkraft. Unter unseren Füßen flog Staub in die Luft, verdunkelte das Licht der Sonne. Wir liefen, sprangen und fielen den Berg hinunter. Wir breiteten die Arme aus, rasten hinab, bereit loszufliegen. Begleitet von unseren Freudenschreien kamen wir im Tal an, lachten und sahen hinauf zum Koloss, den wir bezwungen hatten.“

Wir lachen, die eine Hälfte unseres Geistes hier in der Dunkelheit, die andere Hälfte dort im Sonnenschein. Ein Schemen richtet sich auf, ein Schatten im Angesicht des Mondes: „Hat jemand eine Gitarre dabei?“ „Ja. Ich geh sie mal holen.“ Als er wieder zurück ist, setzt er sich im Schneidersitz in den Sand. Stille. Dann, ein Ton. Eine gezupfte Saite, die schüchtern durch die Nacht klingt. In ihrem Echo erblüht ein neuer Klang, die Finger streichen über das Instrument entlocken ihm eine Melodie, die mich auf ihren Flügeln tragen. Zu einer Insel, La Gomera. In der kalten Nacht, belächelt von den Sternen und gewärmt vom Feuer, spielt dieses Lied. Die Noten überschwemmen uns, ein Wasserfall aus Gefühlen nimmt uns mit. Ein Zittern breitet sich über unsere Haut aus, dringt in die Tiefe, in unser Herz, welches leise, ganz leise mit den Saiten des Jungen tanzt.

„Ich weiß noch, damals als wir abgefahren sind.“, erhebt sich eine Stimme. Meine Stimme. Wie ein Vogel, den ich vergaß, einzusperren, entfliegen meine Gedanke dem goldenen Käfig meines Gehirns: „Wir standen vor unseren Eltern, synchron verließen Wörter unsere Lippen, unser Lied versprach ein baldiges Wiedersehen. Unter dem grauen, wolkenbehangenen Himmel stachen unsere roten Jacken ins Auge. Zwischen uns, auf dem schwarz-weißen Schiff und den Geliebten auf der Beton-Pier, wuchs eine Kluft. Die feine Linie verzweigte sich, rekelte sich, ließ Welten auseinanderdriften, Herzen zerbrechen. In die Leere floss das pechschwarze Wasser, dasselbe, welches auf beiden Seiten spiegelgleich in Bächen von den Gesichtern tropfte. Als die Fluten gerade zum Ozean anschwellen wollten, ertönte eine Stimme. Die letzte Strophe erhob sich in die Höhe und vom Wind erfasst, trieb sie zu den Lippen der anderen, wo sie in ihrem Echo verschmolz. In der Magie der Musik gefangen, versiegte die Leere, in einer Strophe vereinigt, umarmten Kinder ihre Eltern, ein letztes Mal. Als die letzte Note verklang, brachen die Fluten herein, rissen uns weg, trieben uns in die Weite. Ohne uns ein letztes Mal umzusehen, trockneten wir unsere Tränen und richteten unseren Blick hinter den Horizont. Wo uns unsere Zukunft erwartete…“

„Unsere Vergangenheit mittlerweile.“ „Stimmt…“ Eine Zeit lang lauschen wir dem Konzert der Wellen, die kommen und gehen im Antlitz der Nacht.

„Ich will hier nicht weg.“ Einer von uns spricht aus, was alle denken. Auf den sternengefüllten Gewässern zündet sich ein Licht flackernd zum Leben. In Bewegung gekommen gleitet die Sternschnuppe durchs Wasser, verwischt ihr eigenes Spiegelbild. Wir ziehen uns gemeinsam hoch, zögern das unvermeidbare Aufbrechen hinaus. Stehen unschlüssig, mit den Füßen bis zu den Knöcheln im Wasser. „Und was sagt ihr? Sollen wir, noch ein letztes Mal rennen?“

Wir teilen die Dunkelheit.
Unsere Herzen schlagen, laut, in Einigkeit.
Unsere Lungen bersten, nicht mehr weit.
Auf nach Hause! Wir lächeln breit.

KUS-Ticker

Sonntag, der 13.02.2022

Position: Bucht vor Portsmouth

  • 07:00 Uhr: Wecken
  • 07:30 – 08:00 Uhr: Frühstück
  • 08:15 – 09:15 Uhr: Reinschiff
  • 09:30 – 12:30 Uhr: Unterricht (I)
  • 12:30 – 13:30 Uhr: Mittagspause
  • 13:30 – 17:30 Uhr: Unterricht (II)
  • 18:00 Uhr: Abendessen
  • 20:00 Uhr: Filmabend

Montag, der 14.02.2022

  • 07:00 Uhr: Wecken
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  • 08:15 – 09:15 Uhr: Reinschiff
  • 09:30 – 12:30 Uhr: Unterricht
  • 12:30 Uhr: Mittagessen
  • Ab 13:15 Uhr: Landgang
  • 17:00 Uhr: Treffen in den neuen Wachen
  • 18:00 Uhr: Beginn Abschiedsabend