Solo, eine Auszeit vom Gemeinschaftstrubel
Solo bedeutet alleine sein, seinen Gedanken freien Lauf lassen, nachdenken…
Seit Anfang der Reise hatten wir unterschiedlich lange Solos: 30 Minuten auf la Gomera, eine Stunde auf Santo Antão und drei Stunden auf Dominica. Auf den Azoren wartete das letzte Solo auf uns: ganze 24 Stunden sollten wir alleine verbringen. Viele waren gespannt, wie das wohl werden würde.
Am 27. März sind wir mit unseren BegleiterInnen Judith und David losgefahren. Der Ort, an dem wir die nächsten 24 Stunden verbringen sollten, war ein schöner Naturpark mit Bäumen, Büschen, Sträuchern, Lichtungen und einem Bach mit Wasserfall. Als wir angekommen sind, hat sich zuerst jeder einen Platz gesucht, an dem er möglichst alleine ist. Ich war in einem schönen Waldstück mit zwei Bäumen, die perfekt für eine Hängematte geeignet sind. Hin und wieder habe ich eine andere Hängematte durch die Blätter gesehen, aber sonst war ich alleine.
Und das ist der Sinn des Solos: alleine sein, nachdenken, ohne Ablenkung seinen Gedanken nachgehen, die Stille genießen, sich selbst und die bisherige Reise reflektieren. Der Punkt „keine Ablenkung“ ist dabei sehr wichtig. Hier unsere Packliste: Schlafsack, Isomatte, Biwaksack, eventuell Hängematte, Stift, Papier, Klemmbrett, Briefumschlag, Wasser, Mückenspray, warme Kleidung, Taschenlampe, Proviant (2 Müsliriegel, 1 Apfel, 1 Banane), keine Uhr oder elektronische Geräte. Sonst sollten wir nichts mitnehmen. Wir haben keine Vorgaben bekommen, wie wir die Zeit nutzen sollen, außer der Empfehlung, einen Brief an uns selbst zu schreiben, der uns ca. 6 Monate nach der Rückkehr geschickt wird. Dieses Angebot haben viele wahrgenommen.
Als jeder seinen Platz gefunden hatte, haben wir uns noch einmal alle getroffen, um uns auf das Solo einzustimmen. Judith hat uns einen Poetry Slam vorgelesen, in dem es darum ging, sich etwas zu trauen, den ersten Schritt zu wagen und Abenteuer zu erleben. Danach ist jeder zu seinem Platz gegangen und hat sich für die nächsten 24 Stunden eingerichtet.
Ich habe meine Hängematte aufgehängt und es mir in der Nachmittagssonne bequem gemacht. Ich habe meinen Gedanken freien lauf gelassen und es genossen, nichts zu tun zu haben und auch nichts tun zu können. Ich habe über die Reise nachgedacht, die wir erlebt haben und über das, was mich erwartet, auf der nächsten Etappe und wenn ich wieder nach Hause komme. Dabei bin ich irgendwann eingeschlafen.
Als ich wieder aufgewacht bin, wollte ich aus Gewohnheit auf die Uhr schauen und es war sehr merkwürdig, nicht zu wissen, wie spät es ist. Aber in dem Moment war es auch nicht wichtig, wie spät es ist. Am Stand der Sonne konnte ich mich grob orientieren. Den restlichen Nachmittag habe ich damit verbracht, meine Gedanken in Worte zu fassen und als die Sonne hinter den Bäumen verschwunden ist, habe ich mich wieder in die Hängematte gelegt und beobachtet, wie der Himmel langsam dunkel wird.
Am nächsten Morgen bin ich von Sonnenstrahlen und Vogelgezwitscher aufgewacht. Ich bin noch kurz liegen geblieben und habe den Moment in der Natur genossen. Ich denke es war schon später Vormittag, vielleicht 9 oder 10 Uhr. Ich habe mich ins weiche Moos in die Sonne gelegt, um den Brief an mich selbst zu schreiben. Danach bin ich eingedöst und als ich wieder aufgewacht bin, kam schon gleich Judith, um mir mitzuteilen, dass das Solo vorbei ist. Ich habe meine Sachen gepackt und wir haben uns alle wieder am Sammelplatz getroffen.
Während des Solos sind David und Judith alle 3-4 Stunden durch den Wald gelaufen, um zu schauen, ob es uns gut geht. Das haben sie sehr unauffällig gemacht, um uns nicht zu stören. Das ist ihnen auf jeden Fall gelungen, denn ich habe sie nur einmal bemerkt.
So oder so ähnlich haben die meisten von uns ihr Solo verbracht. Auch wenn einige am Anfang skeptisch waren, hat der Proviant gereicht und die 24 Stunden sind schneller vergangen, als gedacht.
Eine neue Erfahrung, die nach 5 Monaten im Zusammenleben mit 50 anderen sehr schön war.
„24 Stunden Ruhe bis hin zur Tiefenentspannung“ – Annika
„Sogar MEIN Chaoskopf kam zur Ruhe“ – Mona
„Die friedlichsten 24 Stunden, die ich jemals hatte“ – Gianna
„Schlafen ist gut, Essen ist besser, ich hatte kein Essen mehr“ – Julian
„Es war sehr entspannt, nichts tun zu können nach der Action im Bordalltag“ – Kajsa
KUS-Ticker
Sonntag, der 27.03.2022
Mittagsposition: Hafen Horta, Faial, Azoren
- 10:00 Uhr: Abfahrt zum Solo
- 11:00 – 12:00 Uhr: Vorbereitung zum Solo
- 12:00 Uhr: Beginn Solo
Montag, der 28.03.2022
Mittagsposition: Hafen Horta, Faial, Azoren
- 12:00 Uhr: Ende Solo
- 14:00 Uhr: Ankunft an Bord und Mittagessen
- Feuermanöver
- Geburtstagskaffee (Paul)
- POB Manöver
- 19:00 Uhr: Abschiedsgrillen an der Pier