Sonnenaufgang auf See
Es ist so schön, wieder auf See zu sein! Das sind die ersten Gedanken, die mir durch den Kopf schießen, als ich um 04:45 Uhr an Deck komme und sich über mir ein wunderschöner Sternenhimmel erstreckt, den man so niemals in der Stadt zu sehen bekommen würde. Sanft schaukelt die Thor im Rhythmus der Wellen und der Mond scheint hell neben den Wolken, die über dem Horizont stehen.
Vor zwei Tagen haben wir Kuba verlassen und uns auf den Weg zu den Bermudas gemacht, wo wir einen Zwischenstopp einlegen werden, um frisches Wasser und Diesel zu tanken. Seitdem sind wir nach Nordosten gesegelt, wenn auch mit Motorunterstützung, und passieren gerade die Floridastraße, wie uns die vorherige Wache mitteilt. An der Backbordbordseite sieht man seit gestern Abend am Horizont einen helleren Fleck: Die Lichtverschmutzung Miamis.
Bei der Wachübergabe heißt es: „Der Wind hat gedreht, wir können Segel setzen!“ Als gefragt wird, wer Lust hat, die Mars, eines unserer Rahsegel, auszupacken, melde ich mich sofort freiwillig und nachdem wir den Schoner und das Groß ausgebaumt haben, ziehe ich meinen Gurt an und klettere mit meiner Stirnlampe nach oben. Noch ist es stockdunkel, aber während ich dort oben in 20 Metern Höhe einen Zeiser, mit denen die Segel zusammengebunden sind, nach dem anderen löse, wird der Himmel langsam immer heller und heller und am Horizont beginnt er sich schon leicht orange zu verfärben. Währenddessen setzt meine Wache den Innenklüver und als ich wieder nach unten klettere, geht der Motor aus und wir segeln! Das rhythmische Geräusch der Maschine verstummt und stattdessen hört man auf einmal nur das Schlagen der Wellen an den Schiffsrumpf. Auf dem Achterdeck ist die Wache bestens gelaunt, wir alle freuen uns, dass wir den Motor ausschalten konnten und trotzdem segeln wir mithilfe des Floridastroms 8 Knoten schnell, obwohl unsere Durchschnittsgeschwindigkeit normalerweise bei 5 Knoten liegt. Kurz bevor die Sonne aufgeht, kommt Christian an Deck und fragt uns, ob wir noch Lust haben die Bram, unser höchstes Rahsegel zu setzen und wieder mache ich mich, zusammen mit Lennart und Lucian auf den Weg in die Takelage. Immer höher klettern wir und als wir oben sind, schiebt sich die Sonne Stück für Stück über den Horizont, der mittlerweile komplett wolkenfrei ist. Die aufgehende Sonne leuchtet richtig golden und auch das Meer glitzert im Licht, jede Welle in einem anderen Goldton. Wir lösen die Zeiser und bewundern die Sonne, das Meer und den orangenen Himmel und unter uns die Thor und die Wellen, die sich an ihr brechen. Unten werden Vorsegel gesetzt.
Was für eine Wache! Normalerweise gibt es nicht so viel Segelaction und wenn es einmal soweit ist, dann setzt man meistens nur ein oder zwei Segel, aber heute setzen wir in unserer Wache gleich fünf! Und auf einmal zeichnet sich weit entfernt am Horizont die Skyline von Miami ab, ein Blick durchs Fernglas zeigt, dass es sich auf jeden Fall um Hochhäuser handelt. Selten war die Stimmung in einer Wache so gut, wir stehen auf dem Achterdeck während die Sonne immer höher steigt und wir immer mehr Fahrt aufnehmen. 9,7 Knoten, 9,8, 9,9 und dann: 10,3 Knoten. So schnell waren wir auf der ganzen Reise noch nicht! Die gesamte Wache beginnt zu jubeln und stolz können wir der nächsten Wache die neue Geschwindigkeit mitteilen, mit der wir nun an Florida und den Bahamas vorbeisegeln. Und dann wartet auch noch ein wunderbares Seemannssonntagsfrühstück auf uns.
Dieser Tag hat so ereignisreich und besonders angefangen, genauso wie diese Etappe und die Reise über den Nordatlantik, die uns jetzt bevorsteht. Keine Rückreise, sondern eine Weiterreise, wie wir gerne sagen, wenn wir über die zweite Atlantiküberquerung sprechen.
KUS-Ticker
Mittwoch, 15.02.2023
Mittagsposition: 24°07,7’N; 081°04,8’W
Etmal: 106 sm
Wetter: teilweise bewölkt; Temperatur: Luft 26°C, Wasser 26,5°C; Wind: ESE 5
- Regulärer Wachbetrieb in vollen Wachen
Donnerstag, 16.02.2023
Mittagsposition: 26°17,5’N; 079°35,1’W
Etmal: 166 sm
Wetter: teilweise bewölkt; Temperatur: Luft 25°C, Wasser 26°C; Wind: ESE 5
- Regulärer Wachbetrieb in vollen Wachen
- 16:00 Uhr Delfinsichtung von etwa 10 Großen Tümmlern