Unsere Aktivitäten an der Friedrich-Engels-Schule

Zurück in Pinar del Rio wandelte sich unser Programm schlagartig. Statt in unser schmutziges Sportshirt schlüpften wir morgens in unsere „blitzblank“ weißen Polos. Mutige frühstückten sogar in ihnen. Auf unseren Drahteseln gelangten wir in 15 min zur Federico-Engels-Schule. Zu unserem alten Anhängsel, dem Reisebus, gesellte sich noch ein flotter Kameramann dazu, der uns hinterherjoggte wie in einer Sportsendung.

Als wir dann aufs Schulgelände einbogen kamen wir uns endgültig wie im falschen Film vor. Links und rechts der Straße standen einige Klassen an Schüler*innen die uns zujubelten und klatschten, wie bei einem Ziellauf eines Rennens. Wir fühlten uns sehr beobachtet, als wir uns umringt von kubanischen Gleichaltrigen vor den Stufen des imposanten Schulgebäudes aufreihten. Neben einer kubanischen und deutschen Flagge wurde für uns Musik gemacht und getanzt. Außerdem haben sich die Schulleiterin und der Schulsprecher vorgestellt. Wir waren sehr beeindruckt von dem Empfang und er gab uns gleich ein Willkommensgefühl.

Den ersten Raum, den wir kennenlernen durften war der stilvolle Salón de Protocolo. Wir nahmen dort in großer Runde Platz, KUSis, Schulleitung und die Schüler*innen, die uns die Tage begleiten sollten. Die Schulleiterin gab uns allgemeine Informationen über die Schule und Anton und Jaron erzählten mit Hilfe einer Fotopräsentation auf Spanisch von unserem Projekt. Die Schule verstand sich in der Kunst, uns KUSis für sich zu gewinnen und servierte uns Kekse und Eistee. Die fröhliche Teatime löste sich mit dem Losziehen in den Unterricht auf, welchen wir besuchen durften.

Wir verteilten uns in verschiedene Klassenräume in denen gerade Bio, Physik, Mathe, Englisch oder Spanisch unterrichtet wurden und kamen dabei mit unseren Austauschschüler*innen ins Gespräch. Der Unterrichtsstoff war ähnlich zu unserem, nur die Klassenräume waren für unser Auge etwas aus der Zeit gefallen, wenn auch liebevoll eingerichtet.

Am anderen Ende des Schulkomplexes befand sich der Comedor de los estudiantes, die Cafeteria. Wir bekamen das gewöhnliche Schulessen auf Tabletts. Reis, Tomatenscheiben, geriebenen Kohl, eine Bohnen-Fleisch Soße und Papaya. Daran hatten wir uns mittlerweile gewöhnt. Etwas später zog die Karawane weiter zur Büste von José Martí, die zur verpflichtenden Ausstattung jeder kubanischer Schule gehört. Wie José Martí, Freiheitskämpfer Kubas, diese Relevanz erlangte, erklärte uns Anna in einem aufschlussreichen Vortrag.

Vom Politischen gelangten wir ins Sportliche. Juegos Deportivos waren uns angekündigt worden. Im KUS-Shirt traten wir an und hatten unseren Spaß bei Baseball, Volleyball, Fußball, Basketball, Schach und dem actionreichen Landessport Kubas: Domino. In lockerer Atmosphäre tauschten wir uns auch neben dem Spielfeld zum Internatsleben, Musik, Familie und Politik aus.

Zum Rückweg konnten wir uns leider nicht alle aufs Rad schwingen, Felix humpelte nach dem Fußball wegen einer Bänderüberdehnung und kam per Bus im Hotel an. Mit dem Abendessen und einer Galamusikprobe vertrieben wir uns die restliche Zeit, denn der Höhepunkt des Tages sollte noch folgen:

Mit dem Bus fuhren wir zum Salsa-Abend an der Federic-Engels-Schule zusammen mit den Internatsschüler*innen, von denen uns alle 400 wieder lärmend im Innenhof der Schule empfingen. Gegenseitige musikalische Darbietungen wurden abgelöst von lauter Musik und einem Dancefloor – und unsere Stimmung wechselte im Laufe des Abends von einem nervösen Lampenfieber zum ausgelassenen Tanzfieber. Um halb 10 hätten wir sicher noch weiter gefeiert, wenn die Schule uns nicht alle ins Bett verabschiedet hätte. Das wir aber auch dringend nötig hatten, nach diesem ereignisreichen Tag.

Am 2. und leider letzten Tag an der Federico-Engels-Schule begrüßten uns die altbekannten Gesichter unserer Austauschpartner*innen und begannen gleich mit den Dancemoves des „Partybus“, den wir ihnen am Vorabend gezeigt hatten. Auf dem Plan unserer fröhlichen Gesellschaft stand für den Tag das weitere Kennenlernen der Räumlichkeiten.

Zuerst das kleine Naturkundemuseum, indem wir uns etwas perplex die ganzen ausgestopften Tiere ansahen. Wir lernten einiges über die Flora und Fauna Kubas, wie zum Beispiel, dass das Fleisch kubanischer Barrakudas zu Haarausfall führen kann. Im nächsten Raum ging es weiter mit dem sogenannten „Vater des kubanischen Volkes“, oder auch dem „ewigen Präsidenten Kubas“, Fidel Castro, dessen Gesicht uns von etlichen Fotografien im Raum entgegenblickte. Weil der Geschichts- und Revolutionsunterricht den Schulen in Kuba so wichtig ist, konnten uns die Schüler*innen viel dazu erzählen. Fidel Castro hatte damals auch die Schule eröffnet und ihre Geschichte, ihr Modellbau und ihre Auszeichnungen als leistungsstärkste Schule Kubas konnten wir im nächsten Raum ansehen. Wir lernten z.B. welche Teile der Schule heute aufgrund von Verfall leer stehen. Unter anderem das Piscina, ein ganzes Schwimmbad. Der Mangel an allem, auch Baumaterial, zieht sich wohl durch ganz Kuba, was wir eindrücklich erlebten. Verpflegt wurden wir trotzdem üppig mit einem angerichteten Cracker-Tomaten Snack. Das nächste Thema sollte gehaltvoll werden: Eine Gesprächsrunde zur außenpolitischen Lage Kubas. Im schuleigenen Kino, das als Aula genutzt wird, sahen wir einen Erklärfilm zum Bloqueo. Kubanisch für das 60 Jahre andauernde Handelsembargo der USA, das Kuba weltweit isoliert. Die Folgen für Kuba wurden aufgezeigt und wie das Bloqueo allgegenwärtig den Alltag in Kuba beeinflusst. All Stars Schuhe, I-Phones, amerikanische Medikamente? Können alle nur privat eingeführt werden und sind damit knapp. Wir stellten viele Fragen, hakten kritisch nach und hörten zu, was uns die Schüler*innen der Federico-Engels-Schule zu sagen hatten. Unsere Köpfe rauchten und mit vielem neuen Wissen traten wir aus dem Saal. Dieses Thema verfolgte uns bis ins Mittagessen hinein.

Wenn uns eines auf der Thor und in Kuba stets die Zeit versüßt hat, dann war das die Musik. Diese erwartete uns beim nächsten Programmpunkt. Einige von uns bekamen große Augen beim Anblick des Musikraums. Beispielsweise Toni, die nach 4 Monaten wieder ein Cello zu Gesicht bekam. Zum ersten Mal auf der Reise kamen wir in den Genuss eines Vorspiels ihres Lieblingsstücks und anschließend einer Vorführung Torges. Ilka spielte Klavier und nach ihr legten die Kubaner*innen nach. Sie sangen lautstark im Chor, mit Akustikbegleitung, Klavier und Gitarre, die den gesamten Raum einnahmen. Alles angeleitet von der 79-jährigen Musiklehrerin, die mit vollem Elan die kubanische Truppe zusammenhielt und dirigierte. Unsere Chorleitung, das Musikprojekt, stellte mit uns noch spontan die Nummern „Riptide“ und „99 Luftballons“ auf die Beine. Noch im Singfieber zogen wir zu den Sportplätzen. Fußball und Baseball fielen diesmal weg, wir konnten uns aber zusätzlich im Tischtennis behaupten. Deutsche und Kubaner*innen waren sich dabei geradezu ebenbürtig, auch wenn sich die deutschen Spieler*innen erst adaptieren mussten, z. B. an den Tischtennisball aus einem Deoroller.

¡Hasta luego! wünschten wir unseren Kontrahent*innen schließlich, bis später beim Gala-Abend!
Auf den bereiteten wir uns im Hotel vor. Suchten aus unseren Rucksacktiefen und im wilden Tauschhandel die ansehnlichsten Klamotten zusammen und probten ein letztes Mal unsere Musikstücke. Dann ging es los, aber bevor wir in Lampenfieber ausbrechen konnten, lenkte uns ein leckeres Abendessen mit Kuchen und Eis als Highlight ab. Satt und zufrieden drehten wir eine Runde durch die Mädchenschlafsäle. Und die KUSis verstummten weitestgehend. Nur ein Satz war des Öfteren zu hören. „Dass man sich nie wieder beschweren wolle über Schlafsäle oder Klos nach diesem Einblick.“ Die elitärste Schule Kubas, besucht von den hellsten jugendlichen Köpfen und am besten ausgestattet von allen – und die Internatsjugendlichen teilten sich in Klassengröße einen Schlafsaal, der schon aufgeräumt eng und ohne jegliche Privatsphäre war. In dem man sich Waschräume teilte, die zwar pikoblank geputzt waren, jedoch nur notdürftig in Stand und zusammengehalten. Genau wie die Stockbetten und Spinde, die einzigen Einrichtungsgegenstände des Raums. Für uns hatte man noch eine deutsche und eine kubanische Flagge auf dem Boden drapiert.

Unser Respekt für die Schüler*innen stieg noch einmal an bei dem Anblick der widrigen Bedingungen, unter denen sie ihre Arbeit leisten, leben und lernen.

Die Gala beendete diesen Austausch, der bei uns für solch eindrucksvolle Bilder gesorgt hatte, was uns allen wohl viel zu schnell ging. Ein Thema, das sich durch KUS zieht ist, dass wir an allen solch spannenden Orten gerne noch ein, zwei Wochen bleiben würden. Doch Zuhause wartet und unsere sechs Monate fliegen vorbei. Wie auch der Tanzabend, an dem wir zuerst „Away Rio“, einen getragenen Seashanty und anschließend den Popsong „Das ist alles nur geklaut“ vortrugen. Die kubanischen Nummern wurden dazwischen vorgeführt, unter anderem eine Hip-Hop Einlage und kubanische Volksongs. Torge leitete mit uns allen noch eine schnelle Tanzchoreo an, zu der wir auf der Thor immer gerne feiern. Wir schafften es, die Bühne vollzubekommen und fingen dort an, wo wir am Abend zuvor aufgehört hatten: bei Salsa, kubanischen Kultsong-Choreos und Gesprächen, wo immer man sich verstehen konnte bei der lauten Musik. Es wurde sich umarmt, Selfies gemacht und Nummern getauscht bis wir uns auf den Weg ins Hotel machten. Einem Mitternachtssnack aus Brötchen bekamen wir müde Horde noch von der Küche, wir schälten uns aus den schicken Sachen und fielen ins Bett.

Der Donnerstag war der Tag der Verabschiedung von Pinar del Río. Im Hotel taten wir dies noch mit Dankesworten und Spenden. Dann verabschiedeten wir uns von der Federico-Engels-Schule und von unseren Fahrrädern, die uns in der kurzen Zeit sehr ans Herz gewachsen sind und dort blieben.

Die Austauschschüler*innen werden aber noch zum Auslaufen der Thor nach Havanna kommen und durch eine Schiffsführung, auch unser Zuhause und unseren Alltag besser kennen lernen. Wir brachen nach Havanna auf, mit unserem Gepäck im Bus und vielen Gedanken im Hinterkopf; Gedanken, die uns dieser Einblick hinter die Fassaden dieser Schule ermöglichte und die weit über die Einblicke einer touristischen Reise hinausgingen. Die Gastfreundschaft, Ehrlichkeit und Freundschaft der Menschen dort werden wir wohl für immer mit Kuba verbinden. ¡Hasta la victoria de la amistad siempre!