Von Pottwalen, dem Segler des Jahres und der Aufruhe vor dem Sturm

Was gibt es schöneres, als morgens zusammen Wale zu anzuschauen. Gerade wenn man um kurz nach sechs die Augen noch nicht ganz aufbekommt und zur Backschaft geweckt wird.

Wie am Freitagmorgen, da standen die Fahrwache und wir, die Backschaft, in stiller Konzentration auf dem Achterdeck und starrten in die Wellen und in die Sonne im Osten, denn unser Kurs, der zeigt ja nach Westen. Immer wieder tauchten aus dem Wasser Flossen oder auch Blas auf, der gut erkennbar seitlich ausgestoßen wurde – typisch für den Pottwal. Es war auch der Freitagmorgen, an dem Felix zum Segler des Jahres erklärt wurde. Er hatte sich unabsichtlich auf den Stopphebel der Maschine gelehnt und dem ganzen Schiff ein paar Minuten Ruhe von der Maschinenunterstützung gegönnt.

Mit der Maschine versuchten wir auf die richtige, südliche Seite des atlantischen Tiefdruckgebiets zu kommen, das uns Sonntag erreichen sollte. Freitag und Samstag waren dementsprechend von Sturmvorbereitungen geprägt – der „Aufruhe“ vor dem Sturm. Denn: Ich finde die Zeit während dem Sturm immer vergleichsweise unfassbar ruhig. Unter Deck wird sich viel ausgeruht, an Deck wird im Gurt jeder Schritt bedächtig gesetzt, diese Ruhe sorgt für unsere Sicherheit. Bei uns ist keine Ruhe vorm Sturm, vor dem Sturm ist „Aufruhe“.

Die ganze Crew war beschäftigt, ich trug in der Backschaft meinen Teil bei. In der Kombüse merke ich immer ziemlich gut, mit wem ich richtig harmonisch zusammenarbeiten kann. Dort greifen wir so oft übereinander oder ineinander, schlittern zusammen herum, lassen einander probieren und uns Zutaten reichen, fluchen zusammen, singen zusammen. Und am Freitag lief‘s. Wir ließen es noch einmal krachen und August, Lena, Karla und ich hatten Punkt Zwölf ein deftiges Mittagessen fertig aus Kräuterkartoffeln mit Zucchini-Pilzsauce, Bohnen und Rinder- / veganem Steak.

Die „Backschaftsaufruhe“ vor dem Sturm.

Die glückliche Meute verteilte sich mittags über das sonnige Haupt- und Achterdeck. Das werden wir am Sonntag bei Sturm nicht mehr machen können. Wir ließen uns noch einmal den Wind um die Ohren pfeifen, bevor es wieder hieß: Verschlusszustand.

Genau deshalb feierten wir ein vom Samstag vorgezogenes Besanschot-An um 16 Uhr. Nach zwei Stunden putzen war das Schiff als ordentlich vom Schiffsrat abgenommen worden. Toni und Martha versteigerten die Lost&Found (kuriosester Gegenstand: ein unnütz kurzer Zeiser, den Tim von Deck aussortiert hatte), Lorenz erklärte Wetterkarten (Wahrschau Spoiler: Sturm) und Johannes stieß mit uns an auf eine erfolgreiche, fast vollendete Überfahrt nach Horta, Azoren. Es gab Holunder-Zitrone-Drinks und ein fruchtiges Joghurtdessert. Unterhalten wurden wir von einer Theatereinlage der Physikgruppe A zu Schrödingers Katze, von einem kollektiv geschriebenen Gedicht der Jungs und dem Jazzensemble bestehend aus Marlene S. (Klavier), Lukas B. (Gitarre) und Johannes (Geige und Gesang). Amelie R. trug ihr Gedicht vor, das in ihrem Englischblog zu finden ist und Marlene V. legte bei „Postcards from Paraguay“ vom Musikprojekt ein cooles Trompetensolo hin. Bis zum Abendessen wurden noch Lieder geschmettert, viele davon aus dem Thor-Chor dieser Etappe.

Die Sonnenuntergangsaufruhe vor dem Sturm.

Es folgte Abendessen, Kombüsenpartyputzen, Kombüsenfeierabend. Beim Zähneputzen draußen hörte ich Ilka rufen: „Könnt ihr noch Lose in die Backbordschot von der Brahm geben?“. Aha, deshalb war unten die Messe fast leer. So viele KUSis waren noch an Deck: Wache 3 überzog die Fahrwache und die Freiwache und Unterrichtsgruppe halfen auch mit, alle zusammen refften sie die Gaffelsegel und packten die Rahsegel sturmfest.

Die Segelaufruhe vor dem Sturm.

Die Arbeitsrufe an Deck tönten noch lange durch die vorverlegte Nachtruhe um 21:00 Uhr. Am Samstagmorgen war vormittags Unterricht der Gruppe B. Zum Ende hin kratzten wir KUSis nochmal all unser Englisch zusammen für eine schnellen Vokabeltest. Der Test war wohl eine der wenigen Kombüsenpausen der Backschaft, denn die war wohl noch stärker am Wirbeln als die 6 Windstärken draußen. Iris, Paul, Martha und Leslie kochten die gesamte Kühllast mit Vorräten vor. Zusätzlich zum Samstagsessen (Chilli sin Carne, Applecrumble und Brotzeit mit Brokkolisalat) waren am Ende des Tages Nudelsalat, Kartoffelsalat, Overnight Oats, Obstsalat, ein Kokoskuchen und Hummus fertig vorbereitet. Das alles auch dank der zahlreichen freiwilligen Unterstützer*innen, die sogar durch unsere Schüler*innenversammlung hindurch schnippelten.

Die war mal wieder ernst und ausgelassen zugleich – zweiteres lag wohl auch an der Cola und Fanta, die uns vom Proviant gegönnt wurde. Wir feierten damit auch einen erfolgreichen Sturmklar-Arbeitseinsatz, in dem zahlreiche Strecktaue gespannt, Sturmdeckel angebracht und Lüftungen geschlossen wurden für den Verschlusszustand 3.

Die Projekte trafen sich um 17:00 Uhr im Zustand höchster Konzentration, der bloß von einer Walewatching- und einer Delfinpause unterbrochen wurde. Nach dem Abendessen schauten wir noch zum Filmabend ein paar Videos vom Fotoprojekt und von den berühmten P-Linern (die größten Segelschiffe, die je erbaut wurden) bis es um 21:00 Uhr hieß: Generator aus. Willis Art uns KUSis ins Bett zu schicken.

In der Nacht und dem Tag darauf, zeigte sich, dass sich unsere Aufruhe vor dem Sturm gelohnt hatte. Aber das lest ihr wohl im nächsten Blog.

Alles Liebe wünsche ich meinen stürmischen kleinen Brüdern Moritz und Felix in Berlin!
Moritz, alles Gute zum Geburtstag, ich wünsche dir einen Tag noch cooler als Brahm packen.
Alles Gute nachträglich zum Geburtstag Felix und Mama, fühlt euch geknuddelt. Ich habe euch alle sehr lieb, einmal über den Atlantik und zurück mindestens!

KUS-Ticker

Freitag, 08.03.2024

Mittagsposition: 36°37,5’N; 043°51,2’W
Etmal: 148 sm
Wetter: Lufttemperatur: 18°C, Wassertemperatur: 18°C, Wind: WSW 4

  • 06:00 Uhr: Pottwale achtern
  • 14:00 Uhr: Großreinschiff
  • 16:00 Uhr: Besanschot-An
  • 18:00 Uhr: Vortrag Toni zum Thema Schlaf

Samstag, 09.03.2024

  • 11:00 Uhr: Vokabeltest Englisch
  • 14:00 Uhr: Sturmklarmachen des Schiffs
  • 16:00 Uhr: Schüler*innenversammlung
  • 17:00 Uhr: Projektetreffen
  • 17:30 Uhr: Delfine am Bug
  • 18:20 Uhr: Wale querab
  • 20:00 Uhr: Filmabend Dokumentationen zu den P-Liner-Segelschiffen